Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft lebt wieder. Im Spiel Nummer eins nach dem Rauswurf von Bundestrainer Hansi Flick gelang ihr in Dortmund ein nie für möglich gehaltener 2:1 (1:0)-Sieg gegen Vizeweltmeister Frankreich. Dabei machte nicht nur das Ergebnis an sich eine Menge Spaß, sondern auch die Art und Weise, wie sich die DFB-Kicker ins Zeug legten.
Nein, so wie beim 1:4-Offenbarungseid gegen Japan konnte es natürlich nicht weitergehen. Es musste auch in Sachen Personal ein deutliches Zeichen der Veränderung her. Hätte man zumindest meinen können. Interimscoach Rudi Völler sah’s jedoch anders – und wechselte im Vergleich zur Startelf am Samstag nur auf drei Positionen. So gab Benjamin Henrichs diesmal den Linksverteidiger anstelle von Nico Schlotterbeck, Thomas Müller rutschte für Kai Havertz ins Sturmzentrum – und der angeschlagene Joshua Kimmich wurde rechts in der Vierer-Abwehrkette durch Jonathan Tah ersetzt, der dadurch zum ersten Mal seit dem 26. März 2022 wieder von Beginn an in der DFB-Auswahl ran durfte.
Frankreich ohne Superstar Kylian Mbappé
Natürlich wäre es interessant gewesen, wie sich der Leverkusener dort gegen Kylian Mbappé geschlagen hätte. Aber nichts da: Der Megastar aus Paris blieb zunächst wegen Kniebeschwerden draußen. Und auch sonst fanden sich in der französischen Anfangsformation gleich fünf neue Gesichter im Vergleich zum 2:0-Erfolg am Donnerstag gegen Irland. Wollte Didier Deschamps, der Chef der „Equipe Tricolore“, seinem alten Freund Völler die Sache vielleicht ein bisschen einfacher machen?
Natürlich ist das Quatsch. Denn das, was bei den Gästen auf dem Platz stand, war ja immer noch absolute Weltklasse. Was die deutsche Elf nicht davon abhielt, von der ersten Sekunde an mächtig Gas zu geben. Mit erhobenen Häuptern, voller Selbstbewusstsein, rotzfrech. Allein schon der frühe Treffer zum 1:0 in der vierten Minute: Wie Müller die Kugel nach Hereingabe von Henrichs in die Maschen drosch – das war Entschlossenheit pur. Während der Jubelschrei des Ur-Münchners anschließend Erleichterung pur ausdrückte. Wow, was sind in diesem Moment für Felsbrocken von den deutschen Fußballerherzen gefallen. Wir können’s noch. Also raus mit den Köpfen aus dem Sand, die Häupter nach oben.
Das Publikum nahm dieses Zuspiel von der Mannschaft dankbar auf, feuerte sie fast schon frenetisch an. Und ja, auch „Ruuudiii-Vööölller“-Rufe hallten sehr bald durch den Signal-Iduna-Park. Wer hätte so etwas nach dem schwarzen Samstagabend von Wolfsburg für möglich gehalten?
Deutsche Defensive hält Franzosen stand
62 Prozent Ballbesitz für die DFB-Auswahl in der ersten Viertelstunde, zudem eine Passquote von 92 Prozent: Hiermit war keinesfalls zu rechnen. Eher schon damit, wie der Rest der ersten Halbzeit verlief – nämlich mit technisch höchst versierten, mitunter pfeilschnellen Franzosen, die das Heft des Handelns fest in ihren Händen hielten. Aber siehe da: Die deutsche Defensive verlor diesmal nicht jegliche Ordnung – und wenn einer der ihren doch mal überspielt wurde (vorzugsweise Henrichs von Kingsley Coman), half eben der nächste aus. Ja, die DFB-Kicker präsentierten sich in jeder Hinsicht als echtes Team. Selbst den frühen Ausfall von Kapitän Ilkay Gündogan wegen einer Rückenverletzung steckte die Völler-Truppe gut weg (25.). Stattdessen kam der Ex-Ingolstädter Pascal Groß zu seinem zweiten Länderspieleinsatz – ohne dass dadurch ein irgendein Qualitätsverlust im deutschen Team aufgetreten wäre.
Sprechchöre für Rudi Völler
Auch nach dem Seitenwechsel blieben die Deutschen erstaunlich konzentriert, ließen kaum Torchancen der „Equipe Tricolore“ zu. Nur bei zwei 18-Meter-Knallern von Aurelien Tchouameni beziehungsweise Antoine Griezmann wurde es brandgefährlich – aber Marc-André ter Stegen parierte stets in Weltklassemanier (57./82.).
Apropos Weltklasse: In der 63. Minute brachte Deschamps mit Ousmane Dembélé und Marcus Thuram zusätzliche Offensivpower auf das Feld. Aber selbst dadurch ließen sich die Deutschen nicht komplett zurückdrängen, sondern versuchten das Geschehen zumindest einigermaßen offen zu halten. Ein Umstand, der von den 60486 Zuschauern wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde. Prompt gab’s dann auch noch ein „Es giiibt nur ein Ruuudiii Vööölleeerr“ aus zig Kehlen, Lao Ola schwappte durchs Oval.
Nach einer wilden Schlussphase – dem 2:0 durch Leroy Sané nach einem Konter (89.) und dem Anschlusstreffer durch Griezmann per Elfmeter (90.) – durfte dann endgültig ein deutscher Sieg gefeiert werden. Einer, der im Hinblick auf die Heim-EM 2024 plötzlich doch wieder ganz viel Mut macht.