"Das Aus in Regensburg hat mich weitergebracht"
Zweite Chance in zweiter Reihe: Stefan Liebergesell, der Mann für alles beim DSC

13.10.2020 | Stand 18.09.2023, 22:16 Uhr

Aus dem Schatten getreten: Stefan Liebergesell hat nach seinem Aus bei den Eisbären Regensburg eine neue sportliche Heimat gefunden – als Geschäftsstellenleiter beim Deggendorf SC. −Foto: Sebastian Lippert

Erst Bier und Gewürz, dann Container und Corona-Konzept: Hinter dem Deggendorfer SC liegen abseits vom Eis ereignisreiche Monate. Dass der Klub gut vorbereitet scheint auf die schwierige Spielzeit, hat auch mit einem Mann zu tun, der bereits von der Eishockey-Bildfläche verschwunden war: Stefan Liebergesell.

Es gab eine Zeit, da schien sein Name wie Gift zu sein fürs ostbayerische Eishockey.Bewerbungen mit seinem Namen tauchten erst wieder auf, wenn Papierkörbe geleert wurden. "Es war schwierig, weil alle nur diese sieben Monate gesehen haben. Alle schoben den Namen Liebergesell vom Tisch", beschreibt Stefan Liebergesell (27) die Lage vor gut drei Jahren. Nie hätte er gedacht, je wieder knietief in seinem Sport zu stecken: dem Eishockey. Bis Artur Frank im Januar 2019 eine zweizeilige SMS schickte.

Der Chef des Oberligisten Deggendorfer SC schob den Namen Liebergesell nicht vom Tisch. Aus einer Not heraus holte Frank den Büro- und Versicherungskaufmann im Januar 2019 nach Deggendorf, als dringend benötigten Mann fürs Marketing und Sponsoring in stressigen DEL2-Zeiten. Im Februar 2018 war Liebergesell noch zu seinem Ausbildungsbetrieb zurückgekehrt und hatte sich dort wie zuvor ums Marketing eines Wurstfabrikanten gekümmert. Bis Artur Frank ein unverbindliches Gespräch anfragte. Heute ist Stefan Liebergesell der Mann für die Deadlines im Deggendorfer Schlittschuh-Club und nicht mehr wegzudenken. Für beide Seiten war es ein glücklicher Zufall.

Erst im November 2017 hate für Stefan Liebergesell eine wilde Achterbahnfahrt geendet. Niemand hatte den Weg an die Spitze der Eisbären Regensburg schneller zurückgelegt als er. Der Oberpfälzer aus Burglengenfeld war erst Fan an der Bande, dann Stadionsprecher und Medienchef, dann Geschäftsführer der Eisbären Regensburg: vom kleinen Eisbären zum Ober-Eisbären – und zum Ex-Eisbären: Ein halbes Jahr nach seiner Ernennung fiel er, der mit 24 Jahren jüngste Chef eines Oberligisten, einem Machtkampf der 14 Gesellschafter zum Opfer.

Bilder aus jener Zeit dokumentieren, wie der Kampf an ihm zerrte. Im April 2017 trat Liebergesell sein Amt an, mit strahlenden Augen; im November 2017 stand da ein ausgezehrter, nervöser Mann auf der Tribüne und starrte ins Leere. Liebergesell zog alle Register und sich selbst vom Eishockey zurück. Das erschütterte auch andere. "Ich konnte ihn mir gar nicht ohne Eishockey vorstellen", sagt einer, der ihn gut kennt: Peter Gast, Geschäftsführer des EC Peiting. Die beiden hatten damals viel Kontakt. "Stefan ist ein fleißiger, sympathischer Typ. Ich habe ihm gesagt, dass er da unbedingt zurück muss, dass Eishockey sein Leben ist", sagt Peter Gast im Gespräch mit der Heimatzeitung.

Stefan Liebergesell spricht nicht gern über diese Zeit, es hat ihn viel Kraft gekostet das alles zu vergessen, zumindest zu verdrängen. Unschöne Trennungen öffentlich zu kommentieren heißt oft auch nachtreten. Nicht nur von seinem Vater Thilo, der eine Regensburger Versicherungsagentur leitet, und Mutter Susanne, die ein Reisebüro führt, hat er gelernt, sich immer vor seine Leute zu stellen. Auch dann, wenn die ihn selbst nicht mehr zu ihren Leuten zählen. "Ich mache mir keinen Kopf mehr darüber, was die Fans der Eisbären denken. Es wird immer mein Herkunftsverein bleiben. Das Aus in Regensburg hat mich weitergebracht. Und mir gezeigt, dass es mir auch woanders gefallen kann", sagt Stefan Liebergesell.

"Der DSC hat mich, was Eishockey angeht, von der Straße geholt"

"Ich bin nicht der Kreativkopf schlechthin", sagt der 27-Jährige von sich selbst. Trotzdem treibt er einiges voran: Der DSC vertreibt in Partnerschaft mit einer Brauerei ein Bier mit Vereinslogo. Es gibt sogar ein Barbecue-Gewürz des DSC. Durch die Corona-Pandemie erweiterten sich die Kompetenzen und Zuständigkeiten des Oberpfälzers umso schneller: Wohnungssuche da, Auto mieten hier, Landratsamt da, Gesundheitsamt hier, Containervertrieb da, Maskenproduzent hier, Eishockey-Ausrüster da, Spuckschutz hier und so weiter und so fort. Seine Inspiration holt er sich dort, wo er sie findet: mal bei einem sportlichen Konkurrenten wie den Exafighters Leipzig, mal in Gesprächen, mal in den Nachrichten.

Ob er die Jahre in Deggendorf aber auch als Lehrjahre für einen zukünftigen zweiten Versuch als Geschäftsführer betrachtet? "Artur Frank ist der Chef, er packt die Leute mit Emotion. So wie mich damals, als ich in der Kantine saß und er mir diese SMS schickte. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich wieder in der ersten Reihe stehen möchte", sagt er. Der DSC habe ihn, was Eishockey angeht, "von der Straße" geholt. Was in zehn Jahren sei, könne er nicht sagen. Im Hier und Jetzt steht aber fest: "Für mich gibt’s nichts anderes als den DSC."

Dieser Text erschien bereits am Freitag in Ihrer Heimatzeitung.