Abstieg trifft Bremen hart
Trauer, Frust und ein Millionenloch in den leeren Kassen: Werder vor schwierigem Neuaufbau in der 2. Liga

23.05.2021 | Stand 23.05.2021, 19:10 Uhr

Josh Sargent wird nach der Niederlage gegen Gladbach von Nick Woltemade getröstet. −Foto: dpa

Der zweite Abstieg der Klubhistorie trifft Werder Bremen hart. Die wirtschaftliche Situation des viermaligen deutschen Meisters ist enorm angespannt.

Thomas Schaaf versuchte mit dem Rest seiner Stimme Worte für die "Riesenenttäuschung und Leere" zu finden, Frank Baumann wagte schon einen vorsichtigen, ersten Ausblick auf Werder Bremens triste Zweitliga-Zukunft - da entlud sich vor dem Weserstadion der Frust der Fans. "Vorstand raus", brüllten Hunderte grün-weiße Anhänger nach dem zweiten Abstieg der Vereinsgeschichte nach 1980. Und forderten dann spöttisch: "Wir wollen die Mannschaft sehen."

Die war nach dem historischen Absturz der Nummer drei der ewigen Bundesliga-Tabelle, des nächsten großen Traditionsklubs, durch den Hinterausgang abgerauscht, von der Bildfläche verschwunden.

Wie Werder aus dem Fußball-Rampenlicht der deutschen Eliteliga durch den auf allen Ebenen unzureichenden Auftritt beim 2:4 (0:1) im Schlussakt gegen Borussia Mönchengladbach abtrat, hatte Symbolcharakter. Und es scheint höchst fraglich, ob die einst so ruhmreichen Hanseaten die Kraft für eine schnelle Rückkehr aufbringen können.

"Mir fällt es sehr schwer", sagte Schaaf, der einstige Double-Sieger, die Klub-Ikone, der als Ein-Spiel-Trainer nach der Trennung von Florian Kohfeldt noch das Ruder rumreißen sollte und klar scheiterte: "Dass wir jetzt diesen Weg gehen müssen, tut uns sehr weh und den Fans natürlich auch."

Kapitän Niklas Moisander sprach von einem "traurigen Tag für die ganze Stadt, die Fans und den Verein". Geschäftsführer Baumann verspürte eine "brutale Enttäuschung" und erkannte seinen Teil der Verantwortung für den Tiefpunkt in der Historie des Bundesliga-Gründungsmitglieds an: "Ich will die Schuld nicht woanders hinschieben."

Werder tänzelte im vergangenen Jahrzehnt immer wieder am Abgrund, der schwere Betriebsunfall kam nicht mehr wirklich überraschend. Baumann muss sich unter immer schwierigeren Bedingungen vor allem eine verfehlte Transferpolitik ankreiden lassen, der Mannschaft fehlte es schlichtweg an Qualität. Zudem hielt er für viele Kritiker zu lange an Kohfeldt fest, der späte Wechsel zu Schaaf verfehlte seine Wirkung dann völlig.

Im Spiel der letzten Chance gegen Gladbach lag Werder durch Tore von Lars Stindl (3.), Marcus Thuram (52.), Ramy Bensebaini (58.) und Florian Neuhaus (67.) 0:4 zurück, ehe Milot Rashica (81.) und Niclas Füllkrug (83.) noch verkürzten. Unter dem Strich stand der nächste brutale Beweis fehlender Qualität.

Dennoch deutet derzeit viel darauf hin, dass Baumann den Neuaufbau in der enorm stark besetzten 2. Liga unter anderem mit Schalke 04 und dem ewigen Rivalen Hamburger SV angehen soll. Er sieht keine Anzeichen, "dass das Vertrauen nicht mehr da ist oder mir entzogen wird". Es müsse auf "alle Fälle das Ziel sein, dass wir die Rahmenbedingungen schaffen, damit wir direkt wieder aufsteigen", fügte der 45 Jahre alte Ex-Nationalspieler an.

Werder muss sich ein Stück weit neu erfinden und dabei den Gürtel enorm eng schnallen. Der Aufstieg sorgt für das nächste Millionenloch in der ohnehin leeren Kasse. Es braucht richtig gute und auch kreative Entscheidungen, um eine neue, hungrige Truppe zu formen.

Auch ein neuer Trainer muss her. Ende Mai, spätestens in den ersten Juni-Tagen soll dies der Fall sein. "Wir haben das eine oder andere Gespräch geführt", sagte Baumann. Die Mission Wiederaufstieg beginnt schon jetzt, für lange Trauer bleibt keine Zeit.

− sid