Training mit Neuer, Spiele gegen Schalding: Christian Früchtl, der Pendler zwischen den Welten

29.12.2018 | Stand 19.09.2023, 0:48 Uhr

Voll fokussiert auf den Profifußball: Christian Früchtl, dritter Torwart beim FC Bayern. −Foto: Andreas Gebert/dpa

Nur 3,5 Prozent aller Fußball-Talente der großen deutschen Clubs schaffen den Durchbruch. In einer Serie mit regionalen Top-Kickern zeigt die Heimatzeitung, wie unterschiedlich Karrieren verlaufen können. Teil 2: Christian Früchtl (18) vom FC Bayern – Pendler zwischen den Welten.

Angst? Zweifel? Nein, solche Gedanken spielen bei ihm keine Rolle. "Wenn du ans Scheitern denkst", sagt Christian Früchtl, "dann brauchst du gar nicht erst anzufangen." 18 Jahre ist Früchtl alt, er gilt als eines der größten Torwarttalente Deutschlands. Schon jetzt ist er dritter Keeper beim FC Bayern München. Er hat einen Profivertrag unterschrieben. Er spielt in der Junioren-Nationalmannschaft. Früchtl, der junge Mann aus der niederbayerischen Gemeinde Bischofsmais (Landkreis Regen), hat schon so wahnsinnig viel geleistet – und eigentlich doch noch nichts erreicht. Er selbst sagt: "Geschafft habe ich es noch lange nicht." Zu schnelllebig ist der Fußball, zu brutal die Wucht des millionenschweren – und fürchterlich gnadenlosen – Geschäfts.

Er muss jetzt auf sich aufmerksam machen

Früchtl selbst hat es schon mehrmals erlebt. Talente, die schon oben waren – und plötzlich weggespült wurden, untergingen. Lucas Scholl, Gianluca Gaudino, unter Pep Guardiola durften sie bei Bayern einst in der Bundesliga, ja sogar in der Champions League spielen. Und heute? Weg von der Bildfläche, verschwunden vom Radar der großen Clubs.

Früchtl weiß das, Angst vor dem Scheitern hat er trotzdem nicht. "Ich habe mein Ziel klar vor Augen", sagt er, wohlwissend, dass jetzt die vielleicht wichtigste Phase seiner jungen Karriere beginnt. Noch pendelt Früchtl zwischen den Welten, er trainiert mit Robben, Coman und Müller. Und er spielt mit Welzmüller, Shabani und Evina. Bei den Amateuren, in der Regionalliga Bayern, wo auch Dorfvereine wie der SV Schalding mitmischen. "Es geht jetzt darum, konstant meine Leistung zu bringen, eine gute Rückmeldung zu bekommen von den Trainern", sagt Früchtl. "Nur so kann ich auf mich aufmerksam machen."

Keine Frage, Christian Früchtl steht vor dem nächsten Schritt. Die Frage ist nur: Wie soll er ihn gehen? Bei Bayern bleiben, weiter mit Manuel Neuer üben, mit "dem besten Torwart der Welt", von dem er "so wahnsinnig viel lernen" kann? Oder sich ausleihen lassen? Spielpraxis sammeln, vielleicht in der zweiten oder sogar ersten Liga? "Ja, diese Überlegungen stehen gerade an", bestätigt Früchtl, der alles in Absprache mit den Verantwortlichen des FC Bayern entscheiden will. Natürlich redet er zuerst mit seinem Berater. Aber er spricht auch viel mit Torwarttrainer Toni Tapalovic.

Und er spricht mit Manuel Neuer und Sven Ulreich, dem "Manu" und dem "Ulle", wie Früchtl sie nennt. "Ich frage auch sie um Rat. Und beide reden da ganz ehrlich und offen mit mir. Das ist echt super, beide sind ganz tolle Menschen." Die Entscheidung muss am Ende er selbst treffen. Bis 2020 läuft Früchtls Vertrag in München. Wenn die zweite Mannschaft aus der Regionalliga aufsteigt, wäre auch Bayern II und die dritte Liga eine interessante Option.

So oder so – die Zukunft soll im Profifußball liegen. Dieses Ziel hat Christian Früchtl vor Augen, seit er mit 14 Jahren von daheim wegging ins Jugendhaus an der Säbener Straße. "Ich wollte das unbedingt machen. Meine Eltern haben es mir freigestellt und dafür bin ich ihnen sehr dankbar", sagt er. Was man braucht, um sich durchzusetzen? "Ehrgeiz", antwortet Früchtl ohne zu überlegen. "Du musst schon sehr viel machen. Und sehr oft zurückstecken. Wenn ich sehe, was andere in meinem Alter so treiben – das geht bei mir gar nicht. Aber für die Fußballkarriere habe ich gerne verzichtet – und bis jetzt hat es sich auch rentiert." Dritter Torwart beim FC Bayern, mit 18 Jahren, das hat vor ihm noch niemand geschafft.

Über einen Plan B denkt Früchtl derzeit nicht nach. Sicher, es war ihm wichtig, die Schule fertig zu machen, einen Abschluss zu haben. Doch nach der mittleren Reife konzentriert er sich voll auf den Fußball. Seine Chancen sind gut – auch weil Früchtl extrem viel investiert.

Mentale Stärke – und enormer Ehrgeiz

Als er mit gerade einmal 15 Jahren mit den Profis ins Trainingslager nach Katar reisen darf, stachelt ihn das noch mehr an. "Andere denken vielleicht, so, jetzt habe ich es geschafft. Ich habe gedacht: So, jetzt muss ich noch mehr machen, dass ich immer weiter da trainieren darf."

Früchtl ist ehrgeizig. Und mental stark. Auch das sei bei jungen Spielern enorm wichtig, findet er. "Wenn du mit 14 Jahren von daheim weggehst, ist das schon ein großer Schritt. Es ist ja alles anders, eine neue Umgebung, eine neue Schule. Und auf dem Platz musst du natürlich immer deine Leistung bringen", erzählt Früchtl. Er selbst habe nur selten Heimweh gehabt, sich sehr schnell wohlgefühlt in München. Anders als ein anderer Spieler, der wie Früchtl von Deggendorf zu den Bayern wechselte. "Der wollte nach einem halben Jahr wieder zurück. Da tickt einfach jeder anders."

Von zu Hause hat Christian Früchtl die volle Unterstützung – und null Druck. "Meine Eltern haben mit Fußball eigentlich nicht viel am Hut. Sie haben mich daher auch nie zu etwas gedrängt", sagt Früchtl. Die Heimat ist ihm nach wie vor sehr wichtig, dort könne er abschalten, einfach leben – "ohne immer nur über Fußball zu sprechen". Auch Weihnachten und Silvester wird er im beschaulichen Bischofsmais feiern. Am 3. Januar geht es dann zurück nach München, einen Tag später fliegt er mit den Profis ins Trainingslager nach Katar. Ein guter Start fürs Jahr 2019, das in Christian Früchtls Karriere ein ganz entscheidendes werden könnte...

Lesen Sie als nächstes: Mario Enzesberger, der beim 1. FC Nürnberg in der A-Jugend spielte − und jetzt, mit 26, Spielertrainer in der Kreisliga ist.