"Keine sehr gute Hinrunde": Herbstmeister Türkgücü bleibt hungrig – nun kommt Krisen-Schalding

31.10.2019 | Stand 19.09.2023, 1:21 Uhr
Jonas Kraus

Eilen von Sieg zu Sieg in der Regionalliga: Mario Erb (l. ) und Michael Zant mit Türkgücü München. Nach dem 4:0 in Heimstetten hat der Aufstiegsfavorit sechs Punkte Vorsprung auf die Verfolger. −Foto: Christian Butzhammer

Nach holprigem Start in die Saison hat Aufstiegs-Favorit Türkgücü München in der Regionalliga einen Lauf und inzwischen sechs Punkte Vorsprung auf die Verfolger. Nun muss ausgerechnet der kriselnde SV Schalding zu den Überfliegern – die immer noch nicht ganz zufrieden sind.

Am vergangenen Samstag feierten die Spieler von Türkgücü München besonders ausgelassen. Nach Spielende bildeten sie alle einen Kreis, hüpften euphorisch feiernd auf und ab, ein Trommler in der Mitte gab den Rhythmus vor. Die Fans zeigten ihre Freude ebenso offen, schrien ausgelassen "Türkgücü! Türkgücü!" und klatschten dann noch mit jedem Spieler einzeln ab. Dabei war eigentlich gar nichts Besonderes passiert, der Aufsteiger hatte lediglich mit 4:0 gegen den abstiegsbedrohten SV Heimstetten gewonnen und damit den zwölften Sieg im 17. Spiel der Regionalliga Bayern gefeiert.

Und dennoch sorgte dieser Dreier für reichlich gute Stimmung bei Türkgücü – nicht ohne Grund. Durch die 2:3-Pleite von Schweinfurt in Eichstätt haben die Münchner nach der Hinrunde satte sechs Punkte Vorsprung auf den ersten Verfolger Bayreuth sowie die "Schnüdel", die nun nur noch Dritter sind. Der Weg in Liga 3 ist nach der Herbstmeisterschaft frei. Oder?

"Damit beschäftigen wir uns noch gar nicht", sagte Trainer Reiner Maurer (59) am Samstag nach dem Spiel und drückte gleich mal gehörig auf die Euphoriebremse. "Für uns zählen jetzt nur die nächsten Spiele bis zum Winter." Natürlich war das eine Phrase, auch dem oft grimmig dreinblickenden Ex-Löwen-Coach war nach dem klaren 4:0 anzumerken, dass er gerade ziemlich zufrieden ist mit der aktuellen Lage. Fünf der vergangenen sechs Spiele konnte Türkgücü gewinnen, dazu trotzten die Münchner Schweinfurt trotz durchwachsener Leistung ein 1:1 ab. Alles scheint vor dem Gastspiel des kriselnden SV Schalding am Samstag (14 Uhr) perfekt zu laufen, Maurer findet trotzdem ein Haar in der Suppe. "Wir haben eine gute, aber keine sehr gute Hinrunde gespielt"; resümierte er. Die schwache Chancenverwertung bereite ihm noch Kopfzerbrechen.

Kurios: Herbstmeisterschaft durch Heimsieg auf der Anlage der Gastmannschaft

Diese Aussage hört sich nach einem 4:0-Sieg zwar etwas paradox an, enthält aber viel Wahrheit. Denn auch beim Spiel gegen Heimstetten gelang es der Maurer-Elf trotz früher Führung durch den 1,95-Meter-Hünen Michael Zant (10.) nicht, das Spiel frühzeitig zu entscheiden – trotz bester Gelegenheiten. Erst nach einen Platzverweis für Heimstettens Moritz Hannemann (54.) konnte Türkgücü das Ergebnis in die Höhe schrauben, Mario Erb (62.), Furkan Kircicek (84.) und Kasim Rabihic (85.) sorgten für den verdienten Erfolg, der alles in allem etwas kurios daherkam. Da Türkgücü München bis zum Umzug ins Grünwalder Stadion im Winter seine Spiele noch in Heimstetten austrägt, durfte der Aufsteiger einen Heimsieg samt Herbstmeisterschaft bejubeln – auf der Anlage der Gastmannschaft.

Direkt überraschend kommen die bisher starken Leistungen des Aufsteigers nicht. Nach der souveränen Bayernliga-Meisterschaft tauschte Sportdirektor Robert Hettich (44) nahezu den ganzen Kader aus, insgesamt kamen nicht weniger als 22 neue Spieler. Das Ziel, das Klub-Präsident Hasan Kivran ausgab, war dementsprechend nicht gerade bescheiden: Mittelfristig will Türkgücü die zweite Kraft in München werden. Dass die Münchner die weniger finanzstarken Klubs der Regionalliga Bayern somit dominieren werden, schien für viele Experten schon vor der Saison ausgemacht. Und genau daran stört sich Hettich gewaltig. "Diese Leistungen bisher sind auf keinen Fall eine Selbstverständlichkeit", sagte Hettich entschieden und machte dabei eine Miene, als hätte sein Team gerade den Aufstieg verspielt. Es werde immer so getan, als habe Türkgücü nur Zweitliga-Profis verpflichtet. "Aber das stimmt einfach nicht. Die meisten Spieler haben Regionalliga oder sogar darunter gespielt." Am Samstag beispielsweise stand mit Mario Erb (29) nur ein Drittliga-erfahrener Spieler auf dem Rasen. "Da ist es schon eine Leistung, eine solch’ schlagkräftige Mannschaft zu formen."

Viele verdiente Spieler fristen ein Dasein auf der Bank

Maurer schlug in die gleiche Kerbe und hob hervor, dass der Kader "sehr ausgewogen zusammengestellt" sei. Dabei spielen auch einige Akteure aus der Region eine entscheidende Rolle. Der Ex-Burghauser Franco Flückiger (28) hütet nach seinem nicht gerade geräuschlosen Wechsel nach München seit der Verletzung von Maxi Engl (21) das Tor, während im Mittelfeld der gebürtige Deggendorfer Marco Holz (29) – zuletzt in Saarbrücken am Ball – unumstrittener Stammspieler ist. Auf der Rechtsverteidiger-Position hat sich indes der Viechtacher Thomas Haas (21) festgespielt, der am Samstag defensiv überhaupt keine Probleme hatte, im Offensivspiel aber teilweise unter seinen Möglichkeiten blieb.

Der radikale Kaderumbruch kennt aber natürlich nicht nur Gewinner. Die wenigen verbliebenen Aufstiegshelden haben es schwer, auf Einsätze zu kommen. Yasin Yilmaz (30) etwa, in der Landes- und Bayernliga zentrale Stütze der Offensive, wurde zuletzt zweimal nur eingewechselt. "Das ist nicht immer einfach"; gibt Maurer zu. Gegen Heimstetten schafften es fünf Spieler nicht in den Kader. "Zufrieden ist keiner von denen", sagte Maurer, der nach eigenen Angaben auch nicht davor zurückschrecken würde, einen arrivierten Leistungsträger auf die Tribüne zu verbannen, sollte er einen Spannungsabfall beobachten.

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Es ist also nicht damit zu rechnen, dass sich Türkgücü nach der Herbstmeisterschaft hängen lässt. "Der Titel bedeutet uns gar nichts", sagte Torschütze Zant. Zwar haben die Spieler den Sieg auf dem Platz gebührend gefeiert, eine Party am Abend war aber nicht geplant. Stattdessen Spiel-Ersatztraining für die Reservespieler am Sonntag und dann wieder eine völlig normale Trainingswoche. "Noch haben wir gar nichts erreicht", sagte Maurer.

Auf den SV Schalding wartet also eine Herkulesaufgabe. Denn auch wenn noch niemand vom Aufstieg reden will, ein Ziel hat Türkgücü auf jeden Fall: Mit mindestens sechs Punkten Vorsprung in die Winterpause zu gehen.