"Der Typ, der dich wütend machen wird"
FC Bayern lädt Tanner Tessmann (19) zum Probetraining ein – aber wer ist das eigentlich?

06.01.2021 | Stand 19.09.2023, 1:55 Uhr

Die Farbe Rot steht ihm schon mal: Tanner Tessmann (rechts) soll eine Einladung zum Probetraining beim FC Bayern erhalten haben. −Foto: Imago Images

US-amerikanisches Sponsorengeld nimmt der FC Bayern München gern, für Spieler aus Übersee galt das ein halbes Jahrhundert lang nicht. Doch das Blatt scheint sich seit dem Transfer Chris Richards’ (2018) zu wenden. Berichten zufolge laden die Bayern den 19-jährigen Tanner Tessmann (FC Dallas) zum Probetraining am FCB-Campus ein. Einer, über den American-Football-Trainer Dabo Swinney (ca. 9 Mio. $ Jahresgehalt) sagte: "Er ist der Typ, der dich wütend machen wird."

Nach dem Bundesliga-Aufstieg 1966 zogen 43 Jahre vorüber, ehe der erste – primär US-amerikanische – Staatsbürger in einem Trikot des FC Bayern auflief. Jener Pionier war 2009 Landon Donovan (38). Der Wunschspieler des damaligen Trainers Jürgen Klinsmann kam auf Leihbasis, in München aber nur zu sechs Kurzeinsätzen. "Tiger" Hermann Gerland, damals wie heute Co-Trainer bei den Bayern, beurteilte Donovan sogar als zu schlecht für die Reserve. Donovan trug also nicht dazu bei, das bayerische Bild vom amerikanischen Fußballer zu verbessern. Und so dauerte es wieder neun Jahre, bis der nächste kam.

Das war Chris Richards, 20, Verteidiger. Im Februar 2018 hatten die Bayern eine strategische Kooperation mit dem FC Dallas gestartet, einem Gründungsmitglieder der MLS (Major League Soccer). Fünf Monate später landete Richards in München, war ein Jahr später Stammspieler der Amateure (Meister in der Dritten Liga) und kam im Juni 2020 unter Trainer Hansi Flick zu seinem Profi-Debüt. Ebenfalls aus der MLS gekommen, aber mit kanadischer Staatsbürgerschaft ausgestattet, ist Alphonso Davies. Der 20-Jährige schlug in der vergangenen Saison ein wie eine Bombe und spielte sich in die Herzen der Fußballfans aller Welt. Pluspunkt für Nordamerika – oder sogar zwei.

"Er ist dort aufgetaucht und war der beste Typ"

Mit Tanner Tessmann soll nun der nächste Kurs auf den Flughafen "Franz Josef Strauß" nehmen. Da fragt sich nur: Wer ist das eigentlich?

Der Mittelfeldspieler, ausgebildet auf der Sechs und der Acht, gehört dem Kooperationspartner FC Dallas. Tessmann und Chris Richards kennen sich bestens, kommen aus derselben Gegend (Birmingham, Alabama) und spielten zusammen im Olympia-Förderprogramm des Bundesstaates. Tessmann ist hochtalentiert, und ist sich darüber im Klaren. Schon mit 14 habe er gewusst, "dass ich es auf das höchste Niveau schaffe, wenn ich hart arbeite", sagte Tessmann zu "ESPN". In jenem Alter war er von zuhause ausgezogen, um sich dem FC Dallas anzuschließen.

Dort traute Dabo Swinney, Coach des College-Football-Teams Clemson Tigers, eines Tages seinen Augen nicht. Swinney (51) ist Patenonkel von Tessmann und wusste damals nur, dass der Junge ein guter Athlet war. Was dann kam, das überraschte aber auch ihn: Tessmann versuchte sich am Rande eines Besuchs in Clemson, der neuen Heimat seiner Eltern, spaßeshalber als "Kicker" und drosch auf einen Football ein. Erst mit links, dann mit rechts; mit dem starken Fuß 58 Meter, mit dem anderen 47. "Sie haben Leute im Kicking Camp, die machen das das ganze Jahr über jeden Tag. Er hat nie einen Football getreten, ist dort aufgetaucht und war der beste Typ. Wenn Du ein Kicker bist, ist er der Typ, der dich wütend machen wird", sagte Swinney zu "ESPN".

Tessmann lässt die Dinge leicht aussehen. Mit 14 zum FC Dallas zu wechseln, sei ein Traum gewesen: "Das war das Ziel, und als dieses Ziel kam, war es ein Kinderspiel." Der Klub ließ sein Talent aber einige Zeit schmoren, doch Verletzungsprobleme im Februar führten dazu, dass Trainer Luchi Gonzalez an ihm nicht mehr vorbeikam. Tessmann war sofort zur Stelle und kam in 18 weiteren Spielen zum Einsatz, meist als Stammspieler. Gregg Berhalter (47), Ex-Spieler von 1860 München und Trainer der U20, hatte sogar darüber nachgedacht, Tessmann für die U20-WM in Indonesien zu nominieren, doch die FIFA verschob das Turnier aufgrund der Pandemie um zwei Jahre.

Nun also München? Ein Schritt nach Europa wäre nur logisch, der Schritt zu den Bayern der herausforderndste. Tanner Tessmann macht es wie immer, er nimmt die Sache locker: "Wenn ich angerufen werde, werde ich angerufen. Und ich werde mich dort beweisen." Dallas oder München – wo liegt da schon der Unterschied ...