Dusel oder Moral?: Phänomen Lewandowski rettet München und verdirbt Hertha die Laune – "Bayern-Bonus"

18.02.2017 | Stand 18.09.2023, 23:50 Uhr

Da hat er wieder zugeschlagen: Robert Lewandowski bejueblt seinen Ausgleichstreffer gegen Berlin. − Foto: dpa

Die Hertha-Fans machen sich bereit zur Siegerparty. Die fünf Minuten angezeigte Nachspielzeit sind abgelaufen. Der erste Berliner Sieg nach acht Jahren gegen den Rekordmeister ist zum Greifen nah. Doch dann schlägt das Bayern-Phänomen doch noch zu.

Wieder in letzter Sekunde und wieder Robert Lewandowski: Das Phänomen des FC Bayern hat auch in Berlin wieder zugeschlagen. Nach der Gala in der Champions League rettete Topstürmer Lewandowski mit seinem 16. Saisontor dem deutschen Rekordmeister in der sechsten Minute der Nachspielzeit ein 1:1 (0:1) bei Hertha BSC. "Es gibt die Regel, der Referee darf immer so lange spielen lassen, wie er will. Wir müssen besser verteidigen. Das Leben geht weiter", kommentierte Hertha-Trainer Pal Dardai die knapp verpasste Überraschung am 21. Spieltag der Fußball-Bundesliga.

Ein bisschen Frust aber schwang auch beim Ungarn mit. Unmittelbar nach dem Abpfiff hatte er von einem "Bayern-Bonus" gesprochen. Wenig später klang er schon moderater. "Wenn fünf Minuten Nachspielzeit angezeigt sind, sollte man auch nach fünf Minuten abpfeifen", sagte Dardai. "Aber man muss es akzeptieren."

Die Münchner schafften drei Tage nach der 5:1-Traumvorstellung gegen den FC Arsenal im Liga-Alltag beim mutig aufspielenden Hauptstadtclub doch noch das Remis. "Wir haben immer weiter gespielt, nie aufgehört. Die Moral ist da, jeder will", betonte Bayern-Keeper Manuel Neuer.

Lange Zeit hatte es nach dem Führungstor des rechtzeitig wieder treffsicheren Vedad Ibisevic (21. Minute) nach der zweiten Saison-Niederlage für das Starensemble von Trainer Carlo Ancelotti auf nationaler Ebene ausgesehen. "In der zweiten Halbzeit haben wir mehr attackiert. Es war sehr schwierig. Das 1:1 ist eigentlich gerecht", bemerkte der Italiener. Verfolger RB Leipzig (42 Punkte) kann am Sonntag in Mönchengladbach dennoch den Abstand zu Spitzenreiter Bayern (50) wieder verringern.

Hertha-Torjäger Ibisevic beendete nach 656 trefferlosen Minuten seine persönliche Ladehemmung - sein 101. Bundesliga-Tor vor 74 667 Zuschauern im ausverkauften Olympiastadion reichte aber nicht. Nach einem Freistoß von Thiago und einem Schuss von Arjen Robben hatte Maximilian Mittelstädt zunächst noch auf der Linie geklärt, aber Lewandowski staubte ab. "Das Spiel dauert immer so lange, bis der Referee dreimal pfeift", sagte Dardai.

Hertha bleibt der erste Punkt gegen Bayern seit Februar 2009. In der Tabelle stehen die Berliner mit 34 Punkten auf Platz sechs. "Das ist enttäuschend, aber wir haben trotzdem ein gutes Spiel gemacht", sagte Hertha-Verteidiger Marvin Plattenhardt. Die nach einer starken Hinrunde in diesem Jahr vor dem Bayern-Spiel noch nicht überzeugenden Berliner zeigten diesmal viel Biss.

Schiedsrichter Patrick Ittrich entschied bei einem Zweikampf von Arturo Vidal gegen den starken Plattenhardt auf Freistoß, obwohl der Chilene den Berliner nicht getroffen hatte. Plattenhardt zirkelte den Ball flach nach innen. Ibisevic war vor Mats Hummels am Ball. Es war Herthas erstes Tor gegen die Bayern nach 474 Minuten. Nochmals der Hertha-Torjäger (50.) und Genki Haraguchi (56.) hätten sogar für einen zweiten Berliner Treffer sorgen können.

Die Gäste, die in der ersten Hälfte nur zwei halbwegs gefährliche Offensivaktionen durch Kapitän Philipp Lahm (19.) und Robben (35.) zustande brachten, erhöhten nach der Pause den Druck. Thomas Müller, Joshua Kimmich und Juan Bernat waren nach dem 5:1 in der Champions League neu in die Startelf gerückt - allerdings mit bescheidener Wirkung. Der zunächst geschonte Topstürmer Lewandowski und Xabi Alonso kamen nach einer Stunde ins Spiel.

Immer wieder stoppten die aggressiven und fleißigen Berliner den Spielfluss der Gäste. Einen verheißungsvollen Freistoß aus 18 Metern setzte Lewandowski in die Mauer (71.). Ein Schuss von Alonso wenig später wurde abgeblockt. Und Hertha-Keeper Rune Jarstein parierte eine Minute vor Schluss großartig einen Freistoß von David Alaba. Doch dann kam doch noch Phänomen Lewandowski zum Torerfolg.