Der Corona-Zeit war es geschuldet, dass Patrick Kühn aus Traunwalchen vom Fußball zum Laufsport ohne Ball gefunden hat. Als der Fußball-Spielbetrieb nämlich aufgrund der strengen pandemiebedingten Auflagen eingestellt wurde, schnürte er mit Ende 20 immer öfters die Laufschuhe und spürte schnell, dass ihm das ähnlich viel Spaß bereitet wie das runde Leder.
Sein erstes großes Ziel als Läufer war der Halbmarathon in Traunstein 2021, doch auch dieser fiel der Pandemie zum Opfer. Durchgeführt werden konnte hingegen Ende Juli 2021 der „Chiemgauer Ultra-Berglauf“, bei dem sich Kühn in der Männer-Wertung über 100 Kilometer mit einer Laufzeit von 13:10:52 Stunden auf dem 6. Platz einreihte. Es war der Beginn seiner Liebe zum Berglaufen, insbesondere zum Langstrecken-Trailrunning, die ihn bis heute nicht mehr losgelassen hat. 2022 schrammte er dann beim „Chiemgauer100“, bei dem er wieder die 100-Kilometer-Distanz absolvierte, als Zweiter nur knapp am ersten Sieg vorbei. Zudem stellte sich Kühn im Team mit Stephan Niermann der Herausforderung Transalpine Run . Nach acht Etappen mit 285 Gesamtkilometern wurde das Duo hervorragender Gesamtdritter.
Auch auf flacherem Terrain gut unterwegs
Dass Kühn auch auf flacherem Terrain und kürzeren Strecken gute Zeiten laufen kann, bewies er im selben Jahr bei seiner Traunsteiner-Halbmarathon-Premiere. Der Traunwalchner meisterte die 21,1 Kilometer in beachtlichen 1:18:09,64 Stunden, was ihm Position 2 zwischen den heimischen Topläufern Florian Wiesholler und Thomas Einsiedler einbrachte. Anfang März 2023 überzeugte Kühn als Dritter beim Mountainman-Wintertrail (L-Strecke) in Reit im Winkl – hinter Profi Benedikt Hoffmann und einem gewissen Benedikt Huber aus Palling, der sich in seiner erfolgreichen Karriere dreimal den Deutschen Meistertitel über 800 Meter geholt hatte. Seine offizielle Läuferkarriere auf der Bahn hat Huber zwar 2021 beendet, doch dann hat er neben dem Paragliding auch das Trailrunning für sich entdeckt und mit Kühn einen idealen Trainingspartner gefunden.
Mittlerweile haben die beiden auch schon mehrere Wettkämpfe gemeinsam bestritten. Im Juni 2023 setzte Kühn ein weiteres dickes sportliches Ausrufezeichen in „seinen“ Bergen. Bei seinem ersten UTMB-Rennen, dem „Mozart100“ in Salzburg, wurde er auf Anhieb Vierter. Bei diesem international topbesetzten Ultra-Rennen mussten auf 82 Kilometern mehr als 4300 Höhenmeter bewältigt werden. Am 16. September 2023 stand Kühn dann erstmals ganz oben auf dem Podest. Keiner war beim 54 Kilometer langen und mit rund 3000 Höhenmetern versehenen Mountainman Großarl XL schneller. So ganz nebenbei stellte er mit einer Laufzeit von fünf Stunden und 51 Minuten auch noch einen neuen Streckenrekord auf. Zweiter wurde Kumpel Timon Günther, und Kühns kleine Schwester Tanja war bei ihrem ersten L-Strecken-Rennen zweitschnellste Frau. Zu verdanken hat der Traunwalchner seine Erfolge nicht zuletzt seiner Lauftrainerin Pamela Gutsch aus Traunstein. Unterstützt wird er zudem vom Vorsitzenden seines Heimatvereins Johann Huber, dem Sponsor Sport Schneider, seinem Fanclub und ganz besonders von seiner Familie, seinen Eltern, Schwestern und seiner Freundin Micha, die regelmäßig seine Rennen besuchen, anfeuern und mitfiebern.
Seine Partnerin begleitete Kühn heuer auch zum siebentägigen Transalpine Run, den er mit Trainingspartner Huber als Duo in Angriff nahm. Zusammen waren sie im Sommer auch schon den Großglockner Trail gelaufen. Zu bewältigen galt es von Garmisch-Partenkirchen bis zum Reschensee rund 250 Kilometer und circa 16 000 Höhenmeter. Kühn und Huber, die für den Tourismusverband Samnaun an den Start gingen, schafften die sieben Etappen in 31:15:19 Stunden – und das unter erschwerten äußeren Bedingungen, denn die Wetterkapriolen mit Hitze, Regen, Kälte und Schnee verlangten ihnen alles ab. Einige Läufer mussten den Strapazen auch Tribut zollen und entkräftet aufgeben.
Chiemgauer belohnen sich
Die beiden Chiemgauer hielten hingegen durch und belohnten sich hinter zwei herausragenden Trailläufern aus der Schweiz, denen sie sich an den ersten beiden Tagen nur knapp geschlagen geben, mit Gesamtrang 2. Man habe sich gerade an den ersten Tagen kaum regenerieren können und viel zu wenig Schlaf gehabt, erinnert sich der 33-jährige Kühn und fügt an: „Der dritte Tag war besonders hart, denn wir mussten, nachdem wir nach der Siegerehrung erst um 23.30 Uhr ins Bett gekommen waren, schon um 6 Uhr starten und dann bei miesem Wetter eine 50 Kilometer lange Strecke zurücklegen.“
An Tag vier hat ihnen die Kälte besonders zu schaffen gemacht, sodass sie nicht auf Biegen und Brechen liefen, sondern mit ihren Kräften haushielten. Eine kluge Entscheidung, denn so konnten sie zu guter Letzt wieder alles aus sich herausholen und ihren 2. Platz nach hinten absichern.
Die Energiespeicher waren nach dem Transalpine Run offenbar schnell wieder gefüllt, denn bereits Anfang Oktober stand der Traunwalchner beim hochklassig besetzten Nice Côte d’Azur, einem UTMB-Rennen über 100 Meilen, im französischen Nizza am Start – eine Distanz, die er im Oktober 2023 auch schon auf La Réunion versucht hatte zu laufen. „Damals musste ich wegen einer Corona-Erkrankung nach 84 Kilometern abbrechen und konnte erst Anfang März wieder richtig mit dem Lauftraining beginnen“, so Kühn. Die 100-Meilen-Rennen seien nochmal ein ganz anderer Sport, viel mehr Höhen und Tiefen, nicht nur körperlich ungemein anstrengend, sondern auch mental. Umso größer war die Freude, als er sich in Nizza nach 159 Kilometern und rund 8200 Höhemetern für den 11. Gesamtrang und Platz 5 in seiner Altersklasse feiern lassen konnte. Dass er nach dem über 24-stündigen Dauerlauf (nachts mit Stirnlampe) fast zwei Tage nicht mehr gehen konnte, war nach dem großartigen Erfolg zu verschmerzen.
Im kommenden Jahr näher an die Besten heranrücken
Heuer werde er wohl keine Rennen mehr bestreiten, so der 33-Jährige, und wenn dann vielleicht beim Trostberger Alzauenlauf am 9. November ganz locker mitlaufen, wo auch Huber regelmäßig teilnimmt und schon viermal gewonnen hat. „Zehn Kilometer sind mir ja eigentlich viel zu kurz, und es fehlen die Höhenmeter“, so Kühn. 2025 will er natürlich die Trailrunner-Szene wieder ordentlich aufmischen und noch näher an die Besten heranrücken. „Ich werde meine Lose für die großen Rennen einschmeißen, UTMB-Finale und Hardrock 100, ansonsten läuft die Planung noch, da es so viele schöne Rennen gibt wie den Matterhorn Ultraks oder Chiemgau Trail. Eigene Projekte und auch die Diagonale des Fous in La Réunion müssen noch abgehakt werden“, umschreibt der Oberbayer seine ziemlich ambitionierten Ziele.