Seit 20 Jahren steht Cannabis auf der Dopingliste der Welt-Anti-Doping-Agentur. Das wird sich mit der am Montag in Kraft getretenen Legalisierung vorerst nicht ändern. Allerdings wird es – auch für Hobbysportler – künftig leichter, an die Droge zu kommen. Ob man seine Leistung tatsächlich durch die Einnahme von Cannabis steigern kann, weiß Norbert Wodarz, Chefarzt des Zentrums für Suchtmedizin am medbo Bezirksklinikum Regensburg.
Herr Wodarz, warum steht Cannabis seit über 20 Jahren auf der Dopingliste?
Norbert Wodarz: Damals, als man es draufgenommen hat, gab es nur vereinzelt Untersuchungen zu Cannabis. Es gab erste Hinweise, dass es bei manchen Sportarten die Leistung minimal steigern könnte. Da wurden Sachen beobachtet wie vergrößertes Lungenvolumen und längeres Durchhalten bei Dauerbelastung.
Es gibt in der Zwischenzeit mehr Untersuchungen, die das auch wieder in Frage stellen. Das heißt: Ob es wirklich einen leistungssteigernden Effekt hat und wenn ja, bei welchen Sportarten, ist im Moment noch sehr umstritten. Auch der Punkt, dass Cannabis auf der Dopingliste steht, ist sehr umstritten.
Warum steht es dann auf der Liste?
Wodarz: Es gibt drei Kriterien, nach denen etwas auf die Anti-Doping Liste kommt. Das eine ist die potenziell leistungssteigernde Wirkung. Das andere ist, wenn etwas gegen den Geist des Sports verstößt – was auch immer das bedeutet – und das dritte Kriterium ist das Gesundheitsrisiko. Dafür, dass Cannabis das Gesundheitsrisiko – auch bei Konkurrenten – erhöht, gibt es viele Belege. Gerade bei Kontaktsportarten ist das der Fall.
Was genau macht den Konsum von Cannabis für sportliche Kontrahenten in Kontaktsportarten gefährlich?
Wodarz: Cannabis vermindert Reaktionsfähigkeit und die Koordination. Wenn man beispielsweise vor einem Fußballspiel Cannabis geraucht hat, ist die Koordination auf jeden Fall schlechter als ohne. Das bedeutet, dass man in einem Zweikampf auch eine schlechtere Koordination hat. Dadurch gefährdet man seinen Gegenspieler und sich selber mehr als es notwendig wäre. Ab einer gewissen Menge hat es ähnlich negative Folgen wie Alkohol. Man würde auch keinen alkoholisierten Gegenspieler im Fußball haben wollen.
Gibt es für Sportler denn überhaupt keine positiven Effekte durch Cannabis-Konsum?
Wodarz: Es gibt ein paar Punkte, die man auch immer wieder landläufig hört. Zum Beispiel besserer Schlaf. Das kann für aufgeregte Menschen vor einem Wettkampf von Vorteil sein. Man kauft sich damit aber den Nachteil ein, dass, wenn man am nächsten Tag in der Früh starten muss, immer noch etwas von der Wirkung übrig ist. Ein anderer Punkt ist folgender: Es gibt Hinweise darauf, dass Cannabis in der Erholungsphase, zum Beispiel nach einem Wettkampf, schmerzlindernd wirkt. Da stellt sich dann aber die Frage, ob Cannabis tatsächlich das beste Mittel ist.
Sie würden Sportlern also nicht empfehlen, Cannabis in Verbindung mit Wettkampfsport rauchen?
Wodarz: Meine Empfehlung an den Sportler ist: Cannabis stört eher, als dass es hilft.
Was macht es so schwierig, die Effekte von Cannabis auf Sportler zu erforschen?
Wodarz: Weil es von vielen Faktoren abhängt. Wie es zugeführt wird, welches Cannabis es überhaupt ist und wie hoch der Gehalt vom psychoaktiven Teil – dem THC – ist. Bei den ersten Untersuchungen war der THC-Gehalt zum Beispiel noch sehr niedrig. Er lag meistens deutlich unter zehn Prozent. Mittlerweile liegt er normalerweise bei über 20 Prozent. Dieser psychoaktive Teil ist definitiv nicht leistungsfördernd.
Nehmen wir an, ein Leistungssportler ist überzeugt davon, dass er durch das Rauchen von Cannabis leistungsfähiger ist, und er nimmt es vor dem Wettkampf ein. Wie schwer ist es, diesen Sportler zu überführen?
Wodarz: Ganz leicht. Es gibt den einfachen Urintest. Der wird allerdings bei den Leistungssportlern nicht mehr verwendet, weil man das Cannabis damit deutlich länger nachweisen kann als es tatsächlich wirkt. Deswegen verwendet man bei den Athleten Bluttests. Mit einem Grenzwert kann man hier die akute Wirkung nachweisen. Als Sportler ist es fast unmöglich, hier zu tricksen.