Wenn Christian Reitz durch Regensburg schlendert, bleibt er unerkannt. Dabei ist der 37-jährige Sportschütze eine Koryphäe, egal, mit welcher Sportpistole er auf Scheiben zielt. Und geht es nach der Statistik, könnte es diesmal bei Olympia in Paris wie schon zweimal zuvor noch ein Stück mehr allgemeiner Aufmerksamkeit rausspringen: Mit Medaillen rücken ja selbst Schützen in den öffentlichen Fokus.
Christian Reitz hat zwei davon: eine in Bronze vom Debüt in Peking 2008, eine in Gold aus Rio de Janeiro 2016. Das waren seine Teilnahmen eins und drei: In Frankreich ist’s wieder ungerade und Reitz ein fünftes Mal bei Olympia dabei. Zwischendrin in London 2012 und zuletzt in Tokio 2021 reichte es für Topplatzierungen, aber nicht für einen Platz auf dem Treppchen.
Frau Reitz wird Trainerin
Im Vorfeld musste Christian Reitz abhaken, dass auch seine Frau Sandra als Aktive dabei sein darf. Wie bei Monika Karsch, der Sportpistolen-Silbermedaillengewinnerin von 2016 in Rio, klappte es auch bei Sandra Reitz nicht mit der Qualifikation. „Das ist ärgerlich, sie wäre natürlich gerne mitgekommen und wir hätten vielleicht auch Mixed miteinander schießen können.“ Die bald 40-Jährig wird nun aus der Nationalmannschaft ausscheiden, aber weiter in Bundeswehr-Diensten als Trainerin im Schießsport tätig sein und ein Studium an der Trainerakademie aufnehmen.
Für Christian Reitz dagegen sind die Aufträge durch die deutsche Qualifikationslage für Paris noch gewachsen: Obwohl er sich in diesem Jahr auf sein Spezialgebiet Schnellfeuerpistole konzentrierte, wo er in der Weltrangliste aktuell Fünfter ist, sie aber auch schon anführte, ergaben sich zwei weitere Chancen im Druckluftbereich. Jetzt startet Reitz eben auch im Luftpistolen-Einzel und im Mixed mit Josefin Eder und fährt deswegen schon früher ab 23. Juli zum Vorbereitungslehrgang nach Suhl. „Irgendwie bin ich schon ein Sonderfall“, weiß Reitz, der auch schon Luftpistolen-Europameister war, mit einem Lächeln auf den Lippen um seine Pistolen-Vielseitigkeit. „50:50 habe ich das nicht trainiert, das war auch so abgesprochen. Aber durch den entzerrten Zeitplan lässt sich das diesmal anders als in Rio zum Beispiel auch realisieren.“
Der Zeitplan der Sportschützen ist nicht nur entzerrter: Reitz und Co. werden von der Olympia-Atmosphäre kaum etwas mitbekommen, weil sie fernab vom Schuss in Chatearoux, einem 43000-Einwohnerstädtchen, drei Stunden von Paris entfernt ihre Wettkämpfe absolvieren. „Meine Standardantwort ist momentan, dass das eine Art elitäre Weltmeisterschaft wird“, sagt Reitz mit Blick darauf, dass alle Länder, auch die großen Nationen wie China oder Indien, nur zwei Starter schicken können. „Der Vorteil ist: Es gibt gar keine Möglichkeit, abgelenkt zu werden. Aber der DOSB versucht für uns zumindest zu organisieren, dass wir an der Abschlussfeier teilnehmen können.“
Sprachrohr aller Schützen
Den Mann, der stets wie die Ruhe selbst wirkt („Innerlich sieht das aber immer anders aus“), stört auch das nicht. Sein Erfahrungsschatz ist einer seiner großen Trümpfe. „Ich bin jetzt im 21. Jahr im Nationalkader“, sagt der Routinier, der als Mitglied der Sportfördergruppe in Hessen schießtechnisch gar nicht in Bayern zuhause ist und obendrein noch ein Halb-Funktionär, weil er seit 2022 zwar nicht mehr im internationalen Gremium ist, aber national seit Jahren Gesamtaktivensprecher des Deutschen Schützen-Bundes (DSB) ist.
Dennoch: Wer seit zwei Jahrzehnten auf Topniveau schießt, denkt langsam auch mal daran, wie es wäre, nicht mehr am Stand zu stehen. „Natürlich ist Los Angeles 2028 nicht soweit weg, aber vielleicht sind andere nach zwei Jahren ja besser. Die eigenen Fähigkeiten müssen immer stimmen.“
Wie eng es werden kann, hatte Christian Reitz auch heuer in der deutschen Qualifikation gesehen. „Bei drei aus zwei hätte es auch mich treffen können“, sagt er mit Blick auf den dank einer 591er-Serie gewonnenen Zweikampf mit dem langjährigen Mitstreiter Oliver Geis, der auf der Strecke blieb.
Übrigens: Dass er öffentlich so gut wie nie und unlängst sogar auch bei den bayerischen Meisterschaften unerkannt bleibt, stört Christian Reitz wenig. „Es hat alles seine Vor- und Nachteile. Bei uns ist zumindest gesichert, dass das bei uns keiner für Geld, Ruhm oder Ehre macht“, sieht er pragmatisch, dass selbst Olympiasiege wie seiner 2016 die Bekanntheit eines Schützen eben immer nur kurzzeitig erhöhen.