Zobel auf dem Podest
Deutsche Biathleten mit riskantem Systemwechsel – und zum Start gibt‘s gleich eine Sensation

29.11.2022 | Stand 30.11.2022, 10:34 Uhr

Kann es selbst kaum fassen: David Zobel lief zum Weltcup-Auftakt auf Rang 3. −Foto: Imago Images

David Zobel hat den deutschen Biathleten einen traumhaften Saisoneinstand beschert.

Der 26-Jährige lief beim Weltcup-Auftakt im finnischen Kontiolahti im Einzel über 20 km sensationell auf Rang drei und damit erstmals in seiner Karriere aufs Podest. Dank einer fehlerfreien Schießleistung musste sich der Starnberger nur Überraschungssieger Martin Ponsiluoma (Schweden) und dem Schweizer Niklas Hartweg, der ebenfalls erstmals die Top Drei erreichte, geschlagen geben.

„Ich kann es noch gar nicht richtig glauben. Ich bin überfordert“, sagte Zobel am ARD-Mikrofon: „Ich bin nicht mit diesen Erwartungen ins Rennen gegangen.“ Nur 1,6 Sekunden hinter ihm komplettierte der viertplatzierte Roman Rees mit einem Fehlschuss das hervorragende Ergebnis des Deutschen Skiverbandes (DSV).

Justus Strelow (2/+2:57,6) und Philipp Nawrath (2/+3:00,1) überzeugten mit den Plätzen 17 und 18, Ex-Weltmeister Benedikt Doll (3/+3:04,0) landete knapp dahinter auf Rang 20. Auch Johannes Kühn (4/+3:3:42,4) schaffte es als 26. noch in die Top 30.

Für die Frauen um Olympiasiegerin Denise Herrmann-Wick beginnt die Saison an gleicher Stelle mit dem Einzel über 15 km am Mittwoch (13.15 Uhr). Am Donnerstag geht es um 11.00 Uhr mit der Männer-Staffel weiter, die Frauen folgen ab 13.35 Uhr (jeweils ARD und Eurosport).

Die Vorschau auf die Saison

International aufgestellt wie nie starten die deutschen Biathleten in den Winter. Dieser wird mit der Heim-WM in Oberhof ein ganz besonderer – und für manche vielleicht der letzte ihrer Karriere.

Der riskante Systemwechsel ist genau nach Mark Kirchners Geschmack. „Es ist mal ein bisschen was Neues“, sagt der Bundestrainer. Mit dem Slowenen Uros Velepec und dem Norweger Sverre Olsbu Röiseland bringen erstmals zwei ausländische Trainer in Kirchners Stab ganz frische Impulse. Velepec ist der neue Assistent für die Männer, Röiseland, Ehemann von Dreifach-Olympiasiegerin Marte Olsbu Röiseland, neuer Co-Trainer des Frauenteams von Coach Kristian Mehringer. „Es war seit geraumer Zeit der Wunsch der Athleten, ins Ausland zu schauen, ob etwas Passendes dabei ist. Das haben wir gefunden und umgesetzt“, sagt Kirchner. Es gehe auch um neue Reize und das Verlassen alter Muster, ohne „alles über den Haufen zu werfen“.

Tatsächlich sorgen die neuen Trainer nebenbei für eine wesentliche Veränderung. Bei den deutschen Skijägern wird seit dem Frühjahr fast nur noch Englisch geredet. „Wenn man nicht in der Muttersprache spricht, muss man mehr überlegen und kommt nicht so ins Sabbeln“, sagte Kirchner. „Für die Objektivität und das konzentrierte Arbeiten ist das gar nicht so schlecht.“

Mit den neuen Trainern wurde an der Technik gefeilt, am Schießstand und auf Ski. „Ein Blick über den Tellerrand ist nie schlecht“, sagt Denise Herrmann-Wick. Die Olympiasiegerin geht an diesem Mittwoch im Frauen-Einzel mit neuer Waffe an den Start, sie hat viel getüftelt vor ihrer vielleicht letzten Saison.

Herrmann-Wick bleibt der Star der Mannschaft. Bei den Männern ist Benedikt Doll nach den Rücktritten von Erik Lesser, Simon Schempp und Arnd Peiffer der letzte verbliebene Star einer goldenen Generation. Auch der 32-Jährige könnte nach der Oberhof-WM aufhören. „Das werde ich Ende dieses Winters entscheiden. Aber ich werde ziemlich sicher nicht mehr bei den Olympischen Spielen 2026 mitmachen“, sagt Doll.

Vor allem wegen des anstehenden Generationswechsels wird bei den Skijägern einiges Neues versucht. Neben neuen Trainern wurde auch das Wachsteam international verstärkt, andere Nationen setzen seit Jahren erfolgreich auf ausländisches Wissen. „Wenn das richtig gut werden soll, dann braucht das ein, zwei Jahre“, sagt Felix Bitterling, der ebenfalls neu ist. Als Sportdirektor löste er Bernd Eisenbichler ab. Bitterling arbeitete zuvor beim Weltverband Ibu und ist einer der Treiber der Internationalisierung. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagt der Bayer und gibt das neue Motto vor: „Mut braucht’s immer.“

Deutschland ist längst nicht mehr die Nummer eins im Biathlon. Vor allem Norweger und Franzosen, aber auch die Schweden mit ihrem deutschen Cheftrainer Johannes Lukas, legen bei der Entwicklung mittlerweile ein Tempo vor, das ohne Innovationen nicht mitzugehen ist.

Für die Zukunft der Sportart sei deshalb dieser Winter mit der Heim-WM in Oberhof (8. bis 19. Februar 2023) enorm wichtig. „Wenn da 20000 bis 25000 Fans stehen, die in erster Linie uns anfeuern, kann das wahnsinnig pushen“, sagt Bitterling. „Wenn wir da gut sind, können wir einen kleinen Biathlon-Boom auslösen. Das ist unser Ziel.“

Regeländerungen in der neuen Saison

Die neue Biathlon-Saison startet mit einigen Regeländerungen. So fließen nach einem Beschluss des Weltverbandes die Ergebnisse der Weltmeisterschaften künftig nicht mehr in die Weltcup-Gesamtwertung ein, heißt ein WM-Sieg ist nicht mehr gleichzeitig auch ein Weltcupsieg. Somit wird es in Zukunft deutlich schwerer, die Bestmarke von Norwegens Rekord-Weltmeister Ole Einar Björndalen von 94 Weltcup-Erfolgen zu knacken - denn elf davon waren WM-Einzeltitel und vier Olympiasiege. Triumphe bei Winterspielen werden schon seit Sotschi 2014 nicht mehr als Weltcup-Erfolge mitgezählt.

Zudem gibt es ab der neuen Saison keine Streichresultate mehr, bisher wurden die zwei schlechtesten gestrichen. Damit werden im Kampf um die Große Kristallkugel alle Rennen berücksichtigt. Dafür wird das Punktesystem für die Gesamtwertung und die Disziplinenwertung angepasst, um den Abstand zwischen den Top-Ergebnissen zu vergrößern und sicherzustellen, dass Athleten, die krankheitsbedingt Rennen auslassen müssen, immer noch um die Kristallkugeln mitkämpfen können. Für einen Sieg gibt es nun statt bisher 60 Punkten 90, die weiteren Punkte werden dementsprechend neu gestaffelt.

Außerdem wurden die Preisgelder angepasst. In der ersten Phase bis 2024 sollen im Weltcup und IBU-Cup mehr Athleten Preisgelder bekommen. In einer zweiten Phase von 2024 bis 2026 sollen sie dann erhöht werden.

− dpa/red