In den vergangenen Wochen wurden bei Audi einige essenzielle Personalien für das Formel-1-Projekt geklärt. Doch noch konnte ein entscheidender Punkt auf der To-do-Liste der Ingolstädter nicht abgehakt werden: Wer besetzt im kommenden Jahr das zweite Sauber-Cockpit? Zeit, sich durch das Dickicht der teils wilden Spekulationen zu kämpfen.
Die Aussicht, ab 2026 den Boliden im Werksteam eines der größten Autobauer um die Formel-1-Strecken der Welt zu lenken, ist verlockend. Finanzielle Anreize gibt es bei Audi ebenfalls. Doch Hoffnung ist keine Strategie. Denn die schwache Form des Sauber-Teams, das Audi zwar bereits komplett übernommen hat, aber erst 2026 in ein Werksteam umwandelt, schmälert die Attraktivität für die Piloten – zumindest kurzfristig – erheblich. Aktuell hat Sauber im Durchschnitt das langsamste Auto und ist der einzige Rennstall in der Königsklasse des Motorsports, der in dieser Saison bislang noch keinen Punkt geholt hat. Die Ungewissheit, ob Audi ab 2026 ein siegreiches Team stellen kann, macht die Ingolstädter ebenfalls nicht zur ersten Wahl unter den Top-Fahrern.
Dass Nico Hülkenberg ab 2025 für Sauber an den Start geht, steht bereits seit einigen Monaten fest. Doch wer sein Teamkollege wird, ist noch immer unklar. Wunschkandidat Carlos Sainz junior hat die monatelangen Avancen der Ingolstädter abgewehrt und gab dem Williams-Rennstall den Vorzug, der ähnlich weit von der Spitze entfernt steht wie Sauber, aber mit seinem Mercedes-Motor punktet. Esteban Ocon setzt sich ebenfalls lieber hinter das Lenkrad eines Privatteams und hofft darauf, dass Haas im kommenden Jahr seinen Aufschwung fortsetzt. Die Auswahl für Audi ist damit derart überschaubar geworden, dass sogar wilde Gerüchte aufkamen.
Sebastian Vettel
Für Motorsport-Romantiker klingt die Konstellation wie ein kleines Märchen: Audi holt den viermaligen Weltmeister Sebastian Vettel zurück in die Formel1 und besetzt seine beiden Cockpits mit zwei deutschen Fahrern. Seit Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko, Vettels ehemaliger Förderer, im Formel-1-Sommerloch erzählt hat, dass der Heppenheimer über eine Rückkehr in die Formel 1 nachdenkt und bei Audi eine Option sein könnte, fingen einige Fans schon an zu träumen. Doch bei einem Traum dürfte es auch bleiben. Vettel ist zwar erst 37 und damit genauso alt wie Hülkenberg, aber bereits seit zwei Jahren raus aus der Formel 1. Zudem wurde Vettel bei Ferrari einst von Teamchef Mattia Binotto abserviert – also ausgerechnet von dem Mann, der seit Kurzem als Formel-1-Projektleiter und Technikdirektor bei Audi fungiert. Andererseits wäre da aber der neue Teamchef Jonathan Wheatley, mit dem Vettel bei Red Bull seine großen Erfolge feierte. Und die Ingolstädter würden von der enormen Popularität und dem Wissen des viermaligen Weltmeisters profitieren.
Mick Schumacher
Eine deutsch-deutsche Fahrerpaarung wäre auch mit der Verpflichtung Mick Schumachers möglich – und auch die Euphorie unter den Formel-1-Fans wäre ähnlich groß, würde Audi den Sohn von Rekordweltmeister Michael Schumacher zurück in die Formel 1 holen. Binotto kennt der 25-Jährige, der zwei Jahre für Haas in der Formel 1 fuhr und inzwischen als Ersatzfahrer bei Mercedes angestellt ist, noch aus seiner Zeit in der Ferrari-Akademie. Doch in den vergangenen beiden Jahren hat sich kaum ein Formel-1-Team ernsthaft um Schumacher bemüht – unwahrscheinlich, dass es Audi nun tut.
Valtteri Bottas
Die simpelste Lösung wäre eine Weiterbeschäftigung von Valtteri Bottas. Der erfahrene Finne fährt bereits in der dritten Saison für Sauber und kennt das Team. Bei Bottas, der einst bei Mercedes als Wingman von Lewis Hamilton zweimal Vizeweltmeister wurde und zehn Grands Prix gewann, weiß man, was man hat – nur ist das inzwischen nicht mehr viel: Zusammen mit seinem Teamkollegen Guanyu Zhou und Williams-Pilot Logan Sargeant liegt Bottas punktlos am Ende der Fahrerwertung. Immerhin hat er Zhou bei den Qualifyings deutlich im Griff (13:1). Dass Bottas nicht schon längst für die kommende Saison unterschrieben hat, spricht nicht für den Finnen – dennoch bleibt er für Audi eine Art luxuriöse Reserveoption. Zwei Routiniers, die konstruktiv zusammenarbeiten, können für das Team im Aufbau sehr wertvoll sein.
Rookies
Audi könnte aber auch auf die Jugend setzen und in die Zukunft investieren – mit der Verpflichtung Hülkenbergs haben die Ingolstädter schließlich bereits einen erfahrenen Piloten im Team, und die Erwartungen an den Fahrer sind in der kommenden Saison ohnehin nicht groß. Zur Auswahl stünde beispielsweise der Franzose Théo Pourchaire, aktueller Test- und Ersatzfahrer bei Sauber und amtierender Formel-2-Meister. Der 21-Jährige durfte in dieser Saison zudem einige Rennen in der IndyCar-Serie für McLaren bestreiten. Zweite Option wäre Zane Maloney aus Barbados. Der 20-Jährige ist seit Januar Teil des Talente-Pools von Sauber, seit er aus dem Nachwuchsprogramm von Red Bull geflogen ist. In der Formel-2-Meisterschaft gewann er in dieser Saison das Auftaktrennen in Bahrain. Sollte sich Racing Bull zudem für Daniel Ricciardo entscheiden, könnte Audi Liam Lawson unter Vertrag nehmen. Der 22 Jahre alte Neuseeländer überzeugte in der vergangenen Saison bereits bei fünf Formel-1-Rennen für AlphaTauri und wartet als Ersatzfahrer bei Red Bull sehnsüchtig auf seine Chance.
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