Hungrige Raben im Anflug
Münchens spannendstes Sportprojekt muss man in Unterhaching suchen: die Munich Ravens aus der ELF

10.05.2023 | Stand 16.09.2023, 22:27 Uhr

Das Budget für die Debütsaison liegt im siebenstelligen Bereich. Die Munich Ravens um ihren erfahrenen Spielmacher Chad Jeffries (mit Ball) wollen in ihrer ersten Spielzeit in der European League of Football (ELF) in die Play-offs. Seine Heimspiele trägt der Klub in Unterhaching aus. Foto: Stäbler

Das derzeit wohl spannendste Sportprojekt in München, das bayernweit hohe Wellen geschlagen und auch für Unmut gesorgt hat, ist nicht eben leicht zu finden.



Zunächst einmal muss man das Stadtgebiet verlassen und in Unterhaching – das ja eher für Fußball bekannt ist – hinter einem Discounter in eine Seitenstraße einbiegen. Dort geht es an Baracken und Containern vorbei, ehe man vor einem Sportplatz steht, auf dem sich hünenhafte Gestalten in schwarzen Trikots und mit schwarzen Helmen gerade aufwärmen. Es sind dies die Footballer der Munich Ravens, dem neu gegründeten Team in der European League of Football (ELF).

Diese semiprofessionelle Liga wurde 2021 aus der Taufe gehoben – nach dem Vorbild der National Football League (NFL). Diese hat in den vergangenen Jahren hierzulande einen Football-Boom ausgelöst. Jüngster Höhepunkt war im November das Ligaspiel von Seattle gegen Tampa Bay in München, für das sich 750000 Menschen um Tickets bemühten. Laut NFL hat Deutschland inzwischen Großbritannien als größten europäischen Markt überholt. Allein die hiesige German Football League (GFL), in der die Ingolstadt Dukes und die Munich Cowboys antreten, konnte von dem Boom kaum profitieren. Und in diese Lücke will die EFL stoßen, deren Chef Patrick Esume – bekannt auch als TV-Experte – den deutschen Verband mehrfach dafür kritisiert hat, das Fanpotenzial nicht auszuschöpfen.

Von den Oakland Raiders zu den Munich Ravens


2021 startete die ELF mit acht Teams – eines davon hätten die „Ingolstadt Praetorians“ sein sollen; im Folgejahr waren es dann schon zwölf – sieben davon aus Deutschland. Heuer soll die Saison mit 17 Klubs über die Bühne gehen, darunter der Neuling aus München, dessen Einstieg im August publik wurde. Gesellschafter der Franchise, wie das im Football heißt, sind der Sportunternehmer Thomas Krohne und Finanzinvestor Christian Binder. Als Manager haben sie Sebastian Stolz verpflichtet, der zuletzt beim Eishockeyteam von Red Bull Salzburg und davor jahrelang für den NFL-Klub Oakland Raiders gearbeitet hat.

Der 45-Jährige steht an diesem regnerischen Abend in Unterhaching am Seitenrand und beobachtet das Training. Ob ihm einen Monat vor Saisonstart die sportlichen oder die organisatorischen Herausforderungen mehr Schweißperlen auf die Stirn treiben? Bei dieser Frage lächelt Stolz – schwarzer Vollbart, schwarze Daunenjacke, schwarzer Kapuzenpulli. Dann sagt er: „Ich bin generell ein sehr ruhiger Mensch.“ Aber ja, organisatorisch gebe es noch viel zu tun, zumal man erst vor einigen Wochen final geklärt habe, dass die Ravens ihre sechs Heimspiele im Sportpark Unterhaching austragen. Dort hoffe man auf mehrere tausend Zuschauer pro Partie, sagt Stolz. „Der Ligaschnitt lag letzte Saison bei 3500. Und das ist das, was wir auch gerne hätten.“

Aus sportlicher Sicht mache er sich ungleich weniger Gedanken, sagt der Manager. „Sehen Sie diesen Trainer?“, fragt Stolz und zeigt auf Chefcoach John Shoop, der seinen Schützlingen auf dem Rasen gerade einen Spielzug erläutert. „Er hat 30 Jahre in der NFL und bei Top-Colleges gearbeitet. Und natürlich hat er auch hier den Anspruch, vorne mitzuspielen.“ Sprich: Die Ravens wollen in ihrer Debütsaison direkt in die Play-offs.

Die Munich Ravens als „bayerisches All-Star-Team“



Schaffen soll das ein Kader, der – ergänzt um zehn ausländische Spieler – laut Stolz ein „bayerisches All-Star-Team“ ist. Tatsächlich haben die Ravens ihre Mannschaft vornehmlich von den umliegenden GFL-Vereinen rekrutiert – aus Ingolstadt, von den Straubing Spiders und allen voran den Munich Cowboys, die ganze 15 Spieler an den Stadtrivalen verloren haben. Entsprechend erbost ist man dort über das Agieren des Neulings, was er ein Stück weit auch verstehen könne, sagt Sebastian Stolz – einerseits. Andererseits sei es für die Spieler nun mal verlockend, „auf einem anderen Level zu spielen“. Zudem klingen Duelle gegen Barcelona oder Mailand deutlich reizvoller als Auswärtsfahrten nach Ravensburg oder Schwäbisch Hall. Und nicht zuletzt gibt’s bei den Ravens – wenngleich sie kein reines Profi-Team sind – auch mehr Geld zu verdienen: Stolz zufolge liegt das Budget des Klubs in seiner Debütsaison im siebenstelligen Bereich.

Ravens wollen „gute Beziehung“ zu Munich Cowboys



Mit Blick auf den Verband und die GFL sagt der Manager: „Der deutsche Football hat in den vergangenen Jahren viele Chancen vergeben. Ich verstehe deshalb, wenn man sagt: Die EFL ist besser, weil...“ Diesen Satz lässt Stolz unbeendet und betont stattdessen sogleich, dass seine Ravens mittelfristig eine „gute Beziehung“ zu den Nachbarklubs aufbauen wollten. Aktuell jedoch stehen erst mal die Vorbereitungen auf den Saisonstart im Vordergrund. Los geht’s am 4. Juni mit einem Heimspiel gegen die Raiders Tirol aus Innsbruck.

DK