120 Triathlons in Folge
Jonas Deichmann: Der „Verrückte“ hat’s geschafft – So geht es jetzt weiter

06.09.2024 | Stand 06.09.2024, 19:35 Uhr |

Aus der Vogelperspektive ist zu sehen: Deichmanns großes Finale wurde zum großen Happening.  − Fotos: Tom Meyer/Guntram Rudolph

Ein letztes Mal war Jonas Deichmann unterwegs. Ein letztes Mal war er „back in black“, wie es aus der Lautsprecherbox des als Teufel verkleideten Triathlon-Edelfans Matthias Pfitzinger dröhnte. In seinem schwarzen Rennradanzug strampelte Deichmann an diesem Donnerstag in Richtung Ziel, das er um genau 21.02 Uhr erreichte. Die „Challenge 120“ ist erfüllt.



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„Übermenschliches“ Projekt: Nichts kann Deichmann stoppen

Der Titel des Projekts war von Beginn an Understatement: Täglich einen Langdistanz-Triathlon zu bewältigen, also 3,8 Kilometer zu schwimmen, 180 Kilometer Rad zu fahren und 42,2 Kilometer zu laufen, ist weniger eine schlichte Herausforderung als „übermenschlich“, erkannte bereits Sportwissenschaftler Ingo Froböse.

Grenzen auszutesten, als Inspiration zu dienen: das war Deichmanns Intention, als er am 9. Mai in den kühlen, nebelumwobenen Rothsee sprang. Schon nach vier Tagen war der 37-Jährige sichtlich gezeichnet vom Programm. Aber er machte einfach weiter, überstand die schwere Anpassungsphase. Auch die Unwetter im Juni („Ich bin schon durch einen Monsun gelaufen“), ein schwerer Sturz seines Bruders Siddharta, geschwollene Füße oder eine Infektion nach dem Challenge Roth konnten Deichmann nicht stoppen. Er beendet sein Projekt putzmunter.

Tag 120: Jonas Deichmann sorgt für Ekstase – „In Roth mindestens so wie in Mexiko“

Also nochmal rein in den Rothsee an diesem Tag 120. Und es war klar, dass der gebürtige Stuttgarter das fränkische Gewässer nicht ohne Paukenschlag verlässt. Eigens für das große Finale kam Timo Bracht, neunmaliger Ironman-Sieger und Challenge-Gewinner 2014. Er bestimmte die Pace beim Schwimmen, Deichmann stellte mit 1:04:26 Stunden eine neue persönliche Bestzeit auf. „Was man halt so macht, am letzten Tag“, scherzte der Weltrekordler. Der Globetrotter wird den Rothsee in guter Erinnerung behalten: „Schwimmen ist das, was mir am meisten Spaß macht mittlerweile. Früher war es meine unliebsamste Disziplin.“

Auf dem Fahrrad macht Deichmann sowieso niemand etwas vor. Aber 180 Kilometer einfach nach Schema F abspulen – das wäre nicht im Sinne eines Abenteuers. Und deswegen freut er sich über Kindergartenkinder in Heideck, die ihm zum Abschied zujubeln, über Plakate („geil war‘s“), Luftballone, Kuhglocken und Spaliere. Ein Arbeiter ließ zu Ehren des Extremsportlers seine Motorsäge röhren. Der Zuspruch zeigte Wirkung: „Sentimental“ wurde Deichmann, als er ein letztes Mal den Kalvarienberg bei Greding erklomm.

Doch die ganze große Abschiedsshow sollte noch kommen. Beim abschließenden Marathon nämlich. Laut Polizeischätzung begleiteten Deichmann 500 Sportler, wohl noch mal so viele, empfingen ihn am neuralgischen Kilometer 30 mit Essen, Sekt und Konfetti. Eine spontane Straßenparty, wie man sie nur selten sieht. „Der absolute Wahnsinn. Ich wollte die Menschen bewegen, mehr Sport zu machen und über die eigenen Grenzen hinauszugehen. Wenn ich mich umschaue, habe ich das geschafft“, sagte Deichmann.

Er zog sogar einen Vergleich zu seinem zuvor spektakulärsten Projekt, dem Triathlon rund um die Welt, als er als „deutscher Forrest Gump“ in Mexiko gefeiert wurde. Ekstase hat Deichmann nun aber auch in Mittelfranken, in Roth, Hilpoltstein, Thalmässing, Greding und in vielen anderen Orten entfacht. „Ich habe immer gedacht, eine Begeisterung wie in Mexiko lässt sich nicht wiederholen. Hier in Roth ist es mindestens so wie in Mexiko.“

Deichmann im Ziel – Ehrfurcht und Faszination

Eigentlich hätte schon hier an Kilometer 30 Schluss sein können. Menschen lagen sich in den Armen, es lief „Tage wie diese“ von den Toten Hosen, der Sekt floss. Aber nicht mit Deichmann. 456 Kilometer ist er geschwommen, 21600 Kilometer Rad gefahren, jetzt warteten die letzten zwölf von insgesamt 5064 Kilometern in den Laufschuhen.

Um den Zieleinlauf auf dem Rother Festplatz bildete sich eine Traube.Kinder zündeten Wunderkerzen, das Stadtorchester spielte auf, Fotografen und Kameramänner brachten sich in Position. Und dann war er da: Deichmann überschritt die Ziellinie, vollendete damit die „Challenge 120“ und schraubte den Weltrekord für die meisten Triathlon-Langdistanzen auf genau jene Zahl. „Ich wollte einmal wissen, was geht“, sagte er über sein „reines Hochleistungsprojekt“.

Jetzt wissen alle, „was geht“. Dank Deichmann. Vier Monate im Sommer 2024 konnte passieren was wolle – der „Verrückte“, wie er liebevoll genannt wird, war immer da. Eine Konstante, die auf Schritt und Tritt transparent per Tracker im Internet verfolgt werden konnte. Durch seinen Weltrekord im Landkreis Roth hat sich Deichmann zum Helden einer Ausdauersport-verrückten Region aufgeschwungen. Allein ein „Servus“ Deichmanns entlockte seinen Fans Jubelschreie, im Ziel pendelte die Stimmung zwischen Ehrfurcht und Faszination.

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So geht’s weiter: Arzt, Urlaub, Medientermine

Nun gibt es einen Abschied auf Raten: Am Freitag absolvierte Deichmann eine sportmedizinische Untersuchung in Nürnberg, am Samstag folgt die Ehrung in den Rother Ratsstuben. Nach einem Kurzurlaub beginnt der Medienmarathon, eine Dokumentation erscheint sowie sein Buch „Weil ich es kann“ (Veröffentlichung am 1. November). Auch ein Podcast ist geplant, während sich Deichmann parallel dazu abtrainiert. 120 Tage lang dauerte das Weltrekord-Projekt von Jonas Deichmann. Pro Tag war er in etwa 14 Stunden unterwegs. Das ergibt ein Wochen-Sportpensum von etwa 100 Stunden – im Hochleistungsbereich wohlgemerkt.

„Von einem extrem hohen Niveau auf null herunterzufahren wäre unphysiologisch und würde Risiken bergen“, erläutert Bernd Langenstein vom Sportmedizinischen Klinikum Nürnberg. Er betreute den Abenteurer während seines Projekts. Unmittelbare Folgen wären Herz-Rhythmus-Störungen, mittelfristig gäbe es Risiken für die Muskulatur, wenn nach einer Pause das Pensum wieder hochgefahren wird. „Deswegen ist es oft einfacher, im Flow zu bleiben“, sagt Langenstein.

Das macht Deichmann nun mit einem Wochenpensum von etwa 40 bis 50 Stunden – so sieht ein Regenerations-Pensum für einen Extremsport-Weltrekordler aus

Ein Wiedersehen gibt es spätestens am 6. Juli 2025. Dann steigt der nächste Challenge Roth. Deichmann hat angekündigt, dabei sein zu wollen. „Back in black“ wäre er dann, der neue Rother Rockstar.

− mbg



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