„Das Gefühl ist der Wahnsinn.“ Taekwondo-Kämpferin Lorena Brandl bleibt gewohnt standfest auf der Matte und ließ sich in Belgrad bei der Europameisterschaft im nervenaufreibenden Wettkampf nicht aus der Ruhe bringen. In vier Duellen sicherte sich die 26-Jährige aus Pförring den Titel Europameisterin im Schwergewicht (+73 kg). Auch ihre Teamkollegin Vanessa Körndl stand auf der Matte, verlor allerdings ihren ersten Kampf.
„Es war ultraspannend. Meine Familie zuhause am Livestream hat danach zu mir gesagt: Lorena, was tust du uns eigentlich an“, erzählt Brandl am Telefon nach ihrem Wettkampf. Vier Duelle, vier starke Gegnerinnen standen für die Kämpferin des Teams Tiger & Dragon Altmannstein/Mindelstetten auf dem Programm.
„Ich hab bis zur letzten Sekunde an mich geglaubt“
Den ersten Kampf gegen die Ukrainerin Maria Kuts gewann Brandl sicher, im zweiten Duell stand der Sieg auf Messers Schneide: „Den zweiten Kampf hatte ich eigentlich schon fast verloren. Ich hab aber bis zur letzten Sekunde an mich geglaubt, dass ich das drehen kann. Und so war es dann auch. Ich hab vier Sekunden vor Schluss den entscheidenden Treffer gelandet“, sagt Brandl. Kurz vor knapp konnte sie sich gegen Tania Castinaira Etcheverria (Spanien) im Viertelfinale durchsetzen. Im Halbfinale hatte sich Brandl eigentlich auf eine andere Kontrahentin vorbereitet, traf dann allerdings auf die Russin Kristina Adebaio. „Die Russin kenne ich: Gegen die hab ich schon gewonnen, aber auch verloren.“ Die erste Runde verlor Brandl gegen Adebaio, konnte sich aber die zweite und dritte Runde und somit den Sieg im Halbfinale sichern.
Im Finale traf sie auf die Weltranglistenzweite, die Türkin Nafia Kus. Eine gefürchtete Gegnerin. „Ich hab mich in der Vergangenheit sehr schwer getan gegen sie“, erklärt die 26-Jährige, die ihrerseits auf Rang acht der Weltrangliste platziert ist. Erst einmal – im Jahr 2019 – hatte sich Brandl gegen Kus durchsetzen können. Die Anspannung war spürbar, als beide zum letzten Duell des Tages auf die Matte traten. „Mein Trainerteam hat ihre Kämpfe analysiert und mir gesagt, wie wir den Kampf gestalten – das hat richtig gut funktioniert.“ Schon beim Aufwärmen merkte Brandl, dass sie gute Leistung liefern kann. „Im Finale hab ich die erste Runde verloren. In der zweiten Runde war ich sehr stark mit Kopftreffern und in der dritten Runde stand es 1:0 durch einen Fausttreffer von mir.“ Diesen knappen Vorsprung versuchte Brandl in der letzten Runde des spannenden Kampfes gegen die angriffsstarke Kus zu verteidigen. „Ich hab schon so viele Kämpfe in der letzten Sekunde verloren. Ich wusste: Lorena, du darfst jetzt keinen Fehler machen, sonst gibst du den Titel ab. Und dann stand die Zeit auf 0:00 Minuten und ich wusste: Ich bin einfach Europameisterin! Mein ganzes Team hat vor Freude geschrien.“
Mit der Deutschlandfahne in der Hand und mit der Hymne im Hintergrund stand Brandl schließlich auf dem Siegertreppchen. Die frischgebackene Europameisterin ist überglücklich über ihren sportlichen Erfolg: „Es ist wie ein vorzeitiges Geburtstagsgeschenk“, sagt Brandl, die an diesem Mittwoch 27 Jahre alt wird.
Für ihre baldige Olympia-Teilnahme kann die Europameisterschaft als Generalprobe gelten. Neben neuem Selbstvertrauen habe sie zudem weitere Erfahrungen sammeln können. „Ich hab jetzt noch mehr Bock auf Olympia. Ich will den Schwung mitnehmen, verletzungsfrei bleiben und weiterhin mit Spaß und Motivation rangehen“, so Brandl. Für die Athletin steht jetzt Regeneration auf dem Programm, bevor das Training für Olympia in die entscheidende Phase geht.
Körndl feiert Comeback nach Fußverletzung
Erfahrungen auf der Europameisterschaft sammlen konnte auch die Tiger & Dragon Kämpferin Vanessa Körndl. Die ebenfalls 26-Jährige (-67 kg) feierte in Belgrad ihr Comeback nach einer Sehnenverletzung am Fuß − auch wenn sie schon in ihrem ersten Kampf gegen Jolanta Tarvida (Lettland) ausschied. In der zweiten Runde lag Körndl zwischenzeitlich in Führung, musste aber eine umstrittene Kopftreffer-Wertung hinnehmen: „Danach hatte ich nur noch sieben Sekunden zum Aufholen und habe leider richtig knapp verloren.“ Das bedeutete das frühe Aus für Körndl. „Eigentlich hab ich mich sehr gut vorbereitet gefühlt. Aber ein Testturnier davor wäre nicht schlecht gewesen.“
Für die Sportsoldatin steht nun vor allem die Militär-Weltmeisterschaft in Südkorea ab dem 30. Mai im Fokus: „Da bin ich sehr gespannt, weil das ein ganz anderes Feeling ist, im Herkunftsland des Taekwondo“, erklärt Körndl. Wann und gegen welche Gegner sie auf der Matte stehen wird, weiß sie noch nicht.
DK