NFL am Feiertag live Fernsehen
Detroit Lions spielen immer an Thanksgiving – und ihr deutscher Fanklub fiebert mit

28.11.2024 | Stand 28.11.2024, 13:23 Uhr |

Seit Sommer gibt es einen deutschen Fanklub um Präsident Marius Dell und dessen Freundin, die vor knapp zwei Wochen das bislang letzte Heimspiel der Detroit Lions besuchten. Die Mutter des deutschen Starspielers Amon-Ra St. Brown ist Mitglied. Foto: Rehberger

Thanksgiving am heutigen Donnerstag ist in den USA auch ein Football-Feiertag. Immer spielen die Detroit Lions, die über Jahre die Lachnummer der NFL waren. Doch nicht zuletzt wegen des Deutschen Amon-Ra St. Brown ist das Team aus der „Motorcity“ nun Titelfavorit und begeistert Fans, auch hierzulande. Die lange gebeutelte Autostadt steht Kopf – wie ein Besuch zeigt.

  

Zischend ziehen Rauchschwaden aus der Maschine in die Höhe. Aus dem dunklen Maul des Spielertunnels hopsen Cheerleader mit wehender Haarmähne und einem blauen Löwen auf ihren Kleidchen aufs Feld. In immer dichterem Kunstnebel folgen einzeln die Gladiatoren des Tages, Männer breit wie Kühlschränke tänzeln zu krachender Musik durch das Fan-Spalier, das Granulat im Kunstrasen unter ihren Füßen spritzt auf. Ein startender Düsenjet wäre jetzt nicht lauter als die Geräuschkulisse in dieser riesigen Halle, dem Football-Dom(e) von Detroit. Und mitten im Spalier stehen Marius Dell und seine Freundin vom ersten deutschen Lions-Fanklub. Unvergessliche Momente bei ihrem Lieblings-NFL-Team ziehen vorüber. „Ich kann immer noch nicht sagen, wie krass dieses Erlebnis war“, sagt Fanklub-Präsident Dell später.

Detroit Lions gegen Chicago Bears heute auf Nitro

So in etwa wird das auch am heutigen Donnerstag aussehen, wenn am US-Feiertag Thanksgiving der Tradition folgend die Detroit Lions wie immer ein Heimspiel austragen. Dieses Mal den Rivalen Chicago Bears empfangen (18.30 Uhr/RTL+, RTL Nitro und DAZN) – statt wie beim Besuch der deutschen Fans vor knapp zwei Wochen die Jacksonville Jaguars – und ihre Anhängerschar mit der Einlaufshow anheizen; obwohl das aktuell kaum noch nötig ist.

Lions waren nie im Super Bowl



„This Is Our Year“, steht auf einem Schild geschrieben, das Fans in der ersten Sitzreihe im Ford Field in die Kameras der TV-Stationen und Fotografen halten. Dieses Mal sind sie dran! Seit 1934 gibt es das Team in Detroit. In der Super-Bowl-Ära der National Football League, also seit Mitte der 1960er, standen die Lions nie im Finale. Als einzige Mannschaft, mal abgesehen von den ganz jungen Expansionsteams (wie Jacksonville), die erst ein paar Jahre mitspielen.

Die Lachnummer der ganzen Liga

Die Lions waren nicht nur deshalb die Lachnummer des ganzen Landes. 2008 schafften sie sogar das Kunststück, kein einziges Saisonspiel zu gewinnen. 0:16! Eine Premiere in der NFL, die so auf den Ausgleich bedacht ist, den schlechtesten Mannschaften die besten Nachwuchsspieler zur Verfügung stellt. Die Lions waren trotz der Ford-Familie als Eigentümer das Sinnbild für Missmanagement. Jahrhunderttalente wie Running Back Barry Sanders oder Wide Receiver Calvin Johnson beendeten verfrüht ihre Karriere, auch weil sie das Verlieren mit den Lions nicht mehr ertrugen. Und viele Fans wiederum trugen Papiertüten über dem Kopf.

Fanvertreter per Live-Schalte aus dem Stadion bei RTL

Und jetzt? Inzwischen reißen sich Detroiter um Eintrittskarten. Die Lions sind das heißeste Ticket der aufblühenden Autostadt, der ganzen NFL. 150 Dollar aufwärts wird mindestens für einen Platz im Ford Field gezahlt. Wer durch Detroit läuft, an den frisch sanierten Hochhäusern in Downtown vorbei, sieht vor allem blau. Auf Caps, T-Shirts, Jacken der Menschen. Keine der anderen drei Profimannschaften (Tigers, Red Wings, Pistons). „Lions Pride“, sagen sie hier. Der Stolz auf das Team ist allgegenwärtig. Diese Stadt steckt im (Football-)Fieber. Auch andere Stadien fluten Lions-Fans als Rudel, schaffen Heimspiel-Atmosphäre. Und daheim ist sowieso die Hölle los.

Fans buhen Jacksonville Jaguars im Spielertunnel aus



Das hat sich auch bis Deutschland herumgesprochen, wo Marius Dell, der aus dem Raum Heilbronn stammt, und Mitstreiter im Sommer den ersten deutschen Fanklub aus der Taufe hoben. „Lions Pride Germany“, heißt er passend. Das dazugehörige Banner ist im Ford Field ebenso ein begehrtes Motiv – so wie Marius Dell selbst, den der TV-Sender RTL während der NFL-Übertragung in Deutschland mal schnell aus Detroit mit Live-Schalte ins Programm nimmt. Im Spielertunnel dürfen sich die weit gereisten Gäste auch noch aufhalten – und mit den anderen Lions-Fans, den Gegner aus Jacksonville beim Gang in die Kabine ausbuhen.

Franchise im Besitz der Familie Ford



Applaus brandet dafür in diesem Moment in den Stadion-Katakomben für Martha Firestone Ford auf. Im Golfwägelchen zuckelt sie, 99, schneeweißes Haar, schwarze Sonnenbrille, in Richtung Loge der Autodynastie. Bis 2020 gehörte ihr das Team, davor ihrem Mann William Clay Ford, jüngster Enkel des legendären Autopioniers Henry Ford, dem Detroit den noch immer klingenden Namen als „Motorcity“ verdankt. Als ihre Tochter Sheila Hamp Ford vor vier Jahren die Lions übernimmt, krempelt sie alles um. Neues Management, neuer Trainer. Dan Campbell, ein Ex-Spieler, ein Mann wie ein Baum, bläut der Mannschaft als Hauptübungsleiter die Arbeitsmoral der hart schuftenden Menschen in der „Motorcity“ ein, die im Strukturwandel der Branche viele Krisen durchgestanden haben: beißen, kratzen, immer wieder aufstehen, nach jedem Niederschlag. „And on the way up, we bite a kneecap off“, beschwor er vor der Presse. Im In-Fight muss auch mal die Kniescheibe des sportlichen Gegners dran glauben. Diesen schon legendären Spruch Campbells tragen die Detroiter mit Stolz auf ihren T-Shirts.

Für Coach Campbell rennen die Spieler durch Betonwand

Campbell war selbst Teil der 0:16-Versager. Das prägte, das gibt er weiter. Für ihn laufen seine Spieler sprichwörtlich durch Betonwände. Jeder hat was zu beweisen. Beides gilt auch für den deutschstämmigen Star-Spieler im Team, dessen Trikot mit der Nummer 14 unter den Top Ten der meistverkauften Fanartikel in der NFL rangiert: Amon-Ra St. Brown. Vater John, einst Mr. Universum, aus Amerika, Mutter Miriam aus Leverkusen. St. Brown wurde in der vierten Runde als 112. Spieler aus dem Talente-Pool des College-Footballs von Detroit ausgewählt. Die anderen Teams wählten 16 Passempfänger vor ihm aus. St. Brown, 25, kann jeden einzelnen davon aufzählen. Inzwischen hat er sie so gut wie alle weit überflügelt. Das ist den Lions einen Vertrag über 120 Millionen Dollar wert.

Amon-Ra St. Brown soll 120 Millionen Dollar verdienen



Beim Besuch der deutschen Gäste fängt der Deutsch-Amerikaner zwei Touchdowns, feiert sie wie gewohnt mit einem Sprung in die Fankurve. Es ist sein achtes Spiel in Serie mit Punkten, das ist Klubrekord. Marius Dell schwenkt seine Fanklub-Fahne mit St. Browns Unterschrift darauf besonders intensiv. Gegen die Jaguars gelingt dem Team an diesem Tag ein weiterer Meilenstein: Die Offensive legt 644 Yards zurück. Detroit überrollt seine Gegner aktuell regelrecht. 52:6 gegen ein überfordertes Jacksonville, 47:9 gegen die (einst) großen Dallas Cowboys, 42:29 gegen die Seattle Seahawks. Bilanz 10:1 nach elf von 17 Hauptrundenspielen, damit bestes Team der Liga, Super-Bowl-Favorit. Beim Sportwettenanbieter Bwin stehen die Lions bei der Quote 3,60, Titelverteidiger Kansas City liegt bei 5,50.

Die Detroit Lions spielen bald in Deutschland

Ist das wirklich das Jahr des Löwen? Endlich aus Fansicht? Sogar die schwere Verletzung ihres besten Defensivspielers Aidan Hutchinson (Schienbeinbruch) machen die Lions bisher vergessen. Mit Veteran Za’Darius Smith haben sie zumindest nominell einen Ersatz verpflichtet. Gegen Jacksonville steckt der 32-Jährige erstmals in „Honolulu Blue“, wie die Lions-Farben heißen. Zerquetscht zwei Plastikflaschen, als er durch den Kunstnebel aufs Spielfeld einläuft und gießt sich das Wasser über Gesicht und Trikot: mit allen Wassern gewaschen – oder so heiß auf den Titel, dass er Abkühlung braucht, soll das wohl heißen. Smith wird am meisten bejubelt. Auch von Marius Dell in der ersten Reihe.

Party beim „Munich Game“ in der Landeshauptstadt



Nächstes Jahr oder spätestens 2026 werden die Lions in Deutschland spielen. „Wir haben uns beworben“, bestätigen Lions-Offizielle am Rande des Jacksonville-Spiels. Die Franchise besitzt in der streng geregelten NFL die Marketingrechte für den deutschen Markt, warf schon eine Fan-Party beim „Munich Game“ Anfang des Monats in der bayerischen Landeshauptstadt. Auch Dell und sein Fanklub waren natürlich dabei, nahmen neue Mitglieder auf. St. Browns Mutter Miriam Steyer ist auch schon dabei. Sie wird nicht der letzte Neuzugang aus Deutschland gewesen sein, sollte den Lions tatsächlich der große Coup gelingen.

mgb