65-Jähriger in der Hall of Fame
Aus der Nähe von Green Bay: Ingolstadt Dukes bekommen Hilfe von Trainerfuchs Ron Ernst

21.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:42 Uhr

In zwei Jahre ungeschlagen von der Regionalliga in die GFL1 durchmarschiert: die Footballer der Ingolstadt Dukes, die über Lane Barnes (43, Mitte) dessen ehemaligen College-Coach Ron Ernst an die Donau gelotst haben. Foto: Lüger

Im Aaron-Rodgers-Staat Wisconsin ist er in der Hall of Fame der Trainer: Mit 65 Jahren wagt Ron Ernst aus der Nähe von Green Bay noch einmal den großen Schritt nach Europa und hilft den American Footballern der Ingolstadt Dukes bei deren Rückkehr in die GFL1 auf die Sprünge.

„Ich bin nicht der Typ, der jeden Tag im Garten arbeitet, sondern ich bin dem Football noch immer ganz eng verbunden.“ Ron Ernst, der inzwischen längst sein Leben als Rentner genießen könnte, hat eine einfache Erklärung, warum er mit 65 Jahren noch einmal beim Football-Erstligisten Ingolstadt Dukes anheuerte und dort den Posten als Defense Coordinator übernommen hat. „Ein absoluter Glücksgriff für uns, weil wir normalerweise keine Chance haben, einen Mann mit solchen Erfolgen und Erfahrungen zu bekommen“, zeigt sich Dukes-Headcoach Eugen Haaf überglücklich.

Ron Ernst „war sofort Feuer und Flamme“ für die Ingolstadt Dukes

Und wie kam es dazu, dass der mehrfach ausgezeichnete Trainer aus dem beschaulichen US-Bundesstaat Wisconsin ausgerechnet in Ingolstadt landete? „Mein ehemaliger Spieler Lane Barnes hat mal mit mir telefoniert und mich auf die Situation in Ingolstadt aufmerksam gemacht. Damit hat er mein Interesse geweckt, und ich habe ich etliche Gespräche mit Headcoach Haaf geführt“, berichtet Ron Ernst, als er jetzt das Team der „Herzöge“ erstmals leibhaftig zu Gesicht bekommen hat – darunter Barnes, der für Ingolstadt auch in der GFL1 wieder die Shoulder Pads überstreift. „Je mehr ich über die Bedingungen und Voraussetzungen erfahren habe, umso mehr hat mich diese Aufgabe gereizt“, erzählt der 65-Jährige mit strahlenden Augen. Auch Haaf bestätigt, dass er nicht viel Überzeugungskraft brauchte, um den in Nebraska geborenen Coach über den Großen Teich an die Donau zu holen: „Er war sofort Feuer und Flamme.“

Trainer-Fuchs Ernst war in den USA über 45 Jahre als Coach auf verschiedenen Ebenen tätig. Die meiste Zeit davon in dem Kleinstädtchen Ripon, das gut eine Autostunde entfernt von Green Bay liegt, das mit seinem legendären NFL-Team Packers weltweit Anhänger hat, viele auch in Deutschland. Dass Coach Ernst vom Umgang mit seinen (neuen) Spielern begeistert ist, merkt man ihm in jeder Sekunde an. Obwohl er den Jetlag noch nicht ganz abgeschüttelt hat, begrüßt er jeden der Dukes überaus herzlich, stellt sich artig vor und drückt seine Freude über die bevorstehende Zusammenarbeit aus. Ganz unbekannt sind ihm die Akteure nicht mehr, da er seit Januar mit den meisten schon über Zoom in Kontakt stand und sich über sie erkundigt hat.

Mit den kommenden Gegnern im deutschen Football-Oberhaus in der GFL1-Saison hat er sich erwartungsgemäß noch kaum beschäftigt, für ihn liegt der Fokus bei den Dukes, die in diese Spielklasse zurückkehren. „Ich möchte mein Wissen an die Spieler weitergeben und will Teil eines großartigen Programms sein“, ist er von seinem neuen Team überzeugt. „Eugen ist ein ausgezeichneter Headcoach, ich habe sehr viel Respekt vor ihm und freue mich sehr auf die Zusammenarbeit.“

Auf Rhein und Donau schon mit dem Schiff unterwegs

Ernst will soweit wie möglich auch die Zeit in Deutschland genießen, ganz unbekannt ist ihm das Land nicht. Vor sechs Jahren machte er mit seiner Frau, die noch bis Juni als Lehrerin in Wisconsin arbeitet und dann nachkommt, eine Kreuzfahrt über Donau und Rhein von Budapest bis Amsterdam, wobei er auch einige Aufenthalte mit Ausflügen in Deutschland hatte. „Das hat uns hervorragend gefallen und spielte auch eine Rolle, bei den Dukes einzusteigen“, freut er sich auf die bevorstehende Zeit. Auch wenn es gerade in den nächsten Wochen und Monaten bis zum Saisonstart im Mai und dann im Sommer nur wenig Gelegenheiten geben dürfte, Land und Leute weitergehend zu studieren. Erst einmal steht die harte Arbeit auf dem Trainingsplatz im Vordergrund, und wer den ehrgeizigen Coach trifft, der weiß, wie ernst es ihm ist, den Ingolstädter Erstligisten auf Erfolgskurs zu bringen.

Hochtrabende Ziele gibt der Defense-Chef aber zunächst nicht aus: „Wir müssen erst einmal das erste Spiel gewinnen und dann wachsam bleiben“, fordert Ernst gleich von seinen Spielern den vollen Einsatz. „Für mich ist es wichtig, hier eine funktionierende Defense zu installieren. Damit hatte ich schon großer Erfolge, und das soll sich hier auch fortsetzen.“

Sprach’s und machte sich mit schwungvollen Schritten auf zum Trainingsgelände beim Dukes-Stammverein TV 1861 im Ingolstädter Nordwesten, wo ihn und die Spieler ein eisiger Wind erwartete. Der mag den Dukes auch in der GFL1 entgegenwehen, doch vielleicht erweist sich Ron Ernst als Schutzschild für die Herzöge. Die besten Voraussetzungen dazu bringt er mit.

DIE KARRIERE VON RON ERNST

Von 1982 bis 1985 war Ron Ernst, Jahrgang 1957, der Headcoach an der Fort Calhoun High School in seinem US-Heimatstaat Nebraska. Er übernahm ein Team, das bis dahin keine Erfolge aufzuweisen hatte. In seiner dritten Saison gewannen die Pioneers die Konferenzmeisterschaft und qualifizierten sich für die staatlichen Play-offs.

1986 übernahm Coach Ernst das Team der Greeley Central High School in Colorado. Die seit mehr als 20 Jahren erfolglosen Wildcats machte er bereits in der zweiten Saison zum Meister der Northern Conference. Dafür wurde er 1987 zum Colorado AAA Coach of the Year ernannt.
In der Saison 1989/90 arbeitete Ernst als Defensive Line Coach an der University of Northern Colorado unter dem renommierten Headcoach Joe Glenn, der später mit den Teams Wyoming und South Dakota in der höchsten College-Liga Erfolge feiern sollte. Die UNC Bears qualifizierten sich dabei für die Play-offs der NCAA-Division II Football Championship.
1991 wechselte Coach Ernst an das Ripon College in Wisconsin – einer der bekanntesten Absolventen: „Indiana Jones“ Harrison Ford –, wo Ernst dann bis zum Eintritt ins Rentenalter im vergangenen Herbst von Erfolg zu Erfolg eilte. 2006 gewann er sein 100. Karrierespiel mit der nur rund 800 Studierende zählenden Hochschule und wurde danach in die Ripon College Hall of Fame aufgenommen, drei Jahre später folgte die Aufnahme in die Wisconsin Football Coaches Association Hall of Fame. 2015 wurde Ernst zum erfolgreichsten Trainer aller Zeiten in der Geschichte der Midwest Conference (MWC) und des Ripon College. Ernst hat die Red Hawks zu 26 Saisons mit positiver Bilanz, drei Divisionstiteln in der inzwischen aufgelösten North Division und drei MWC-Titeln in der Division III des College-Systems geführt.