Studium statt Olympia
"Es sind mehrere Faktoren zusammengekommen": Eisprinzessin Ann-Christin Marold hört auf

02.07.2021 | Stand 25.10.2023, 10:55 Uhr

Der Ausdruck – große Stärke von Ann-Christin Marold. Und ihr Ehrgeiz; der allerdings ist ihr während Corona abhanden gekommen. −F.: imago

Sie spricht mit leiser Stimme, doch hörbarer Enttäuschung. "Ja, ich habe aufgehört mit dem Sport", sagt Ann-Christin Marold am Telefon. Mit gerade erst 18. Das größte Eiskunstlauf-Talent der Region – deutsche Spitze im frühen Teenager-Alter, 2018/19 gar Dritte bei der Erwachsenen-Meisterschaft. Und die – keineswegs unrealistischen – großen Ziele Weltmeisterschaft und Olympia vor Augen. Jetzt der abrupte Schnitt.

"Es ist schwierig. Ich weiß momentan nicht, wie’s weitergeht", sagt die Hauzenbergerin. "Es sind mehrere Faktoren zusammen gekommen, ich habe mich entschieden, erstmal nicht eiszulaufen." Die wichtigsten Faktoren, die zu dieser bemerkenswerten Entscheidung geführt haben, erklärt die Abiturientin, sind die Corona-Situation, die Schule, Verletzungen und nicht zuletzt die Haltung der Deutschen Eislauf-Union (DEU).

Die Pandemie hat, so ist aus ihren Worten zu deuten, doppelt an Ann-Christin Marold genagt. Harte Arbeit, Tag für Tag, ist eine Grundvoraussetzung im Eislauf, will man höchste Weihen erhalten. Ständiges Training war aber unter den strikten Covid19-Verordnungen, zumal in Hallen, nicht möglich. Auch nicht in Linz, wo die Hauzenbergerin ihre Matura "baute", weil in der Nähe auch Vater Reinhold Marold beruflich tätig ist.

Vor gut eineinviertel Jahren noch hatte die damals 16-Jährige optimistisch geklungen, die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking ganz fest ins Visier genommen, auch wenn in dieser Phase eine Knieverletzung noch nicht vollends abgeklungen war. Die Erfüllung der Qualifikationskriterien, glaubte die Familie Marold, sollten einen Platz im Nationalkader rechtfertigen. Der Ehrgeiz sowieso, und darüber hinaus "ihr größtes Pfand, das enorme Talent", wie der Papa formulierte. Der im übrigen die große Unterstützung und den Zuspruch der Verbandsverantwortlichen heraus stellte.

Geblieben ist von alledem nur das Talent – ein zwar großer Mosaikstein im Erfolgsbild, aber halbwertig, wenn Körper und Kopf nicht mitspielen. Der hatte in den letzten Monaten andere Inhalte. "Ich habe immer gesagt, dass mir die Schule wichtig ist und ich einen gescheiten Abschluss machen will", sagt sie. "Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass der Verband da hinter mir steht und sagt, wir halten an dir fest. Ich fühlte mich fallen gelassen. Die Motivation ist momentan weg und ich sehe keinen Sinn, weiter einen hohen Aufwand zu betreiben." Der Eindruck habe sich verstärkt, als übers Jahr eine Rückenverletzung hinzu kam, auch wenn sie versichert, dass es an der finanziellen Unterstützung durch die Deutsche Eislauf-Union nicht mangelte und sie durchaus Zuspruch vom neuen Bundestrainer Robert Dierking wahrnahm. Aber es kam mehr zusammen. Auch den Sport an sich nimmt sie zunehmend kritisch wahr. "In den letzten Jahren heißt es hauptsächlich springen, springen, springen. Am besten vierfach. Ohne dies kannst du fast nichts mehr gewinnen." Sie vermisst die Ästhetik, die Umsetzung des Eis-Kunst-Laufs. "Der Ausdruck verliert seinen Wert."

Den Sport hat Ann-Christin Marold jetzt erstmal hinten angestellt. Eben hat sie die Maturaprüfungen zu Ende geschrieben und wartet auf die Ergebnisse. Sie geht davon aus, dass sie bestanden hat. Und strebt dann ein Studium an.