Saisonunterbrechung macht Dilemma deutlich
Dingolfinger Feierabend-Profis: Im Siegeszug gestoppt – und stinksauer auf den Verband

25.12.2020 | Stand 17.09.2023, 22:06 Uhr
Jonas Kraus

Sie waren so gut drauf: Sonja Schweiger (rechts) und Kolleginnen. Eine kurzfristig verordnete Corona-Pause stoppte den eigentlich als Profi-Sport eingeordneten Spielbetrieb in der 2. Volleyball-Bundesliga – und den Siegeszug der "Dingos". −Foto: Kerscher

Das Ende dieses komischen Sportjahres hat sich Toni Kiebler anders vorgestellt. "Wir sind stinksauer", gibt der erste Vorstand des TV Dingolfing unumwunden zu. Seit zehn Tagen sind seine Zweitliga-Volleyballerinnen in einer verfrühten Winterpause, bis mindestens 10. Januar ruht der Spielbetrieb. "Das hat uns schon sehr überrascht", sagt Kiebler.

Eigentlich waren die Dingolfinger davon ausgegangen, die Saison wie geplant fortsetzen zu können. Zwei Spiele hätten sie vor der Weihnachtspause noch bestreiten müssen. Eigentlich kein Problem, meint Kiebler. Die Hygienekonzepte hätten funktioniert, die Spielerinnen wollten weitermachen, ebenso laut Kiebler die meisten Verantwortlichen der anderen Klubs. Und auch aus sportlichen Gründen hätte Kiebler gerne weitergespielt. Bis auf Platz vier hatten sich die "Dingos" zuletzt vorgearbeitet.

Dabei bleibt es erstmal. Die Saisonunterbrechung macht das Dilemma deutlich, in denen die Volleyballerinnen stecken. Denn eigentlich gelten die zweiten Ligen als Profiligen, sind also vom Amateursport-Verbot ausgenommen. Dennoch hat die Volleyball-Bundesliga nun die Notbremse gezogen. Für viele zwar überraschend, für die meisten aber auch nachvollziehbar. Denn vom Sport leben können die wenigsten in der zweiten Liga. "Ich bezeichne unsere Spielerinnen immer als Feierabend-Profis", sagt Vorstand Kiebler.

Dreimal pro Woche bittet Trainer Jürgen Pfletschinger zum Training, immer abends. Vorher gehen die Spielerinnen arbeiten, drücken die Schulbank oder konzentrieren sich auf ihr Studium. Wie Sonja Schweiger. Die 22-Jährige studiert Business Management in München. Zurzeit findet keine Präsenz-Lehre statt, in normalen Zeiten aber muss sie natürlich an die Uni. "Das ist dann oft sehr stressig", gibt Schweiger zu. Raus dem Hörsaal, rein ins Auto und dann ab nach Dingolfing zum Training. Dazu am Wochenende neben Lernstress teils lange Auswärtsfahrten.

Nicht alle Teams in der zweiten Liga haben diese Doppelbelastung. Die Erstliga-Reserven wie Wiesbaden II oder die Profis aus Neuwied hätten schon andere, deutlich bessere Voraussetzungen, gibt Vorstand Kiebler zu. Aber ist er deshalb neidisch? "Nein", behauptet Kiebler. "Das ist eine Bereicherung, gegen solche Teams spielen zu können." Auch Zuspielerin Schweiger fiebert den Spielen gegen Profiteams immer entgegen. "Die sind körperlich natürlich besser drauf, wenn die zweimal am Tag trainieren", sagt Schweiger, "aber umso schöner ist es, wenn wir sie mal ärgern können."

Verstecken jedenfalls mussten sich die "Dingos" bislang vor keinem Gegner. Nur gegen die absoluten Topteams tun sich die Dingolfingerinnen oft noch schwer. Dennoch: Drei Pleiten stehen starke sieben Siege gegenüber. "Wir finden als Team immer besser zusammen", sagt Schweiger. Das offizielle Ziel Klassenerhalt dürfte leicht zu erreichen sein.

Fans in der Halle konnten den Aufschwung zuletzt nicht miterleben. Äußerst ärgerlich, findet Schweiger. "Ich glaube, mit Zuschauern im Rücken hätten wir noch den einen oder anderen Satz mehr geholt." Statt Fans aus Fleisch und Blut saßen zuletzt Plüschtiere auf der Tribüne. Das erste hat Kapitänin Natascha Niemczyk mitgebracht. "Wir fanden das eine coole Sache", sagt Schweiger. Nur Eintritt bezahlen die Plüschtiere keinen. Dennoch gehe es dem Verein finanziell gut, sagt Vorstand Kiebler. Der TV Dingolfing überträgt seine Spiele seit neuestem im Internet, rund 1000 Zuschauer haben den Livestream zuletzt verfolgt. Vor allem für die Sponsoren sei das ein wichtiges Zeichen, sagt Kiebler. "Die sehen, dass was vorangeht."

Aber klar, große Ausgaben sind nicht drin. 2019 gelang der Sprung in die zweite Liga, in der die Dinos auch gleich gut mithalten konnten. Dann aber wurde die Saison im März abgebrochen, wie und wann es wieder losgeht war lange unklar. "Auf große Investitionen haben wir verzichtet", sagt Kiebler. Vier Topspielerinnen aus den USA, wie sie Aufstiegsfavorit Neuwied verpflichtet hat, konnte Dingolfing nicht holen. Stattdessen kamen Loretta und Teresa Piller aus Gotteszell. "Wir haben eine Mannschaft aus der Region", so Kiebler. Eine, die wirklich gut miteinander auskommt, sagt Schweiger. An einen Wechsel verschwendet sie keinen Gedanken. "Ich mag es, wie familiär es bei uns ist." Zurzeit aber verzichten Schweiger und ihre Teamkolleginnen auf persönliche Treffen. Trainiert wird aber trotzdem, zusammen mit einem Athletik-Trainer über Zoom. Cyber-Training in der "staden Zeit". Und danach? "Geht’s hoffentlich schnell weiter", sagt Schweiger.