"Man kann sich das Hirn rausfahren"
Vom Bodybuilder zum Tempo-Bolzer: Martin Sommer (56) und seine Dorothea

13.06.2020 | Stand 17.09.2023, 22:03 Uhr

76 Kilometer, nur 600 Höhenmeter: Die Strecke in St. Johann liegt Martin Sommer. 2019 gewinnt er hier den Radweltpokal − mit einem Tempo-Durchschnitt von 41 km/h. −Foto: Sommer

Sie fahren zehntausend Kilometer pro Jahr oder laufen Halbmarathons vor dem Frühstück: In loser Abfolge präsentiert die Sportredaktion die "Strava-Stories": In der Serie stellen wir Hobbysportler/innen aus der Region vor, die Beeindruckendes leisten – wie in Teil 21 der Passauer Martin Sommer (56).

DER SPORTLER
Manchmal würde Martin Sommer seine Muckis gern abmontieren. Der 56-Jährige war mal Bodybuilder, seit über 30 Jahren sitzt er nun auf Rennrädern – und schleppt ordentlich Muskelmasse mit. "Ich war damals immer im Studio, wurde aber auch immer behäbiger. Dann wollte ich was für die Kondition tun und hab mir das Rennradfahren angeschaut", erzählt Martin Sommer. Ein Kumpel fährt zu der Zeit schon lockere 100-Kilometer-Touren. "Das war für mich ein Übermensch", sagt Sommer, der danach mit großem Ehrgeiz noch größere und schnelle Fortschritte erzielt. Sommer fährt Amateurrennen und Radmarathons wie den Ötztaler oder andere. Zu seinen besten Zeiten fährt Sommer 20000 Kilometer im Jahr, in den letzten Jahren pendelt sich der Wert bei plusminus 11000 ein.

SEIN ZIEL
"Die Wettkämpfe sind in diesem Jahr dahin", bedauert Sommer, der sich als amtierender Vize-Weltmeister schon auf den mittlerweile abgesagten 52. Radweltpokal in Tirol gefreut hatte. Ein Lichtblick sind die Bayerischen Straßenmeisterschaften, die am 4. Oktober vom RSV Passau in Otterskirchen veranstaltet werden. Sommer ist Mitglied des Vereins. Ansonsten wäre ein Segmente-Cup nach dem Vorbild aus Freyung-Grafenau eine schöne Art, sich auszutoben. Allerdings existiert jener Cup bislang nicht.

SEINE MOTIVATION
Radfahren ist für ihn hauptsächlich Spaß, aber auch Ausgleich zum Schichtbetrieb in der ZF. Ganz ohne sportlichen Reiz geht’s nicht wirklich, "ich mag schon auch mal sauber Gas geben", sagt Sommer und bringt das Rennradfahren auf den Punkt: "Man kann das total locker machen. Oder man kann sich das Hirn rausfahren."

SEIN TRAINING
Trainingsplan? Gibt es nicht im Radfahrerleben von Martin Sommer. 70 Prozent seiner Fahrten sind reine Basis- bzw. Ausdauereinheiten mit flottem Tempo. "Ich kenne meinen Körper heute und weiß, was mich weiterbringt", sagt Sommer. Eine Trainingsrunde geht maximal bis zu 200 Kilometer, in der Regel wird knapp zwei Stunden lang gefahren.

SEINE LIEBSTEN ROUTEN
Sauwald, Bayerwald – die Möglichkeiten in Ostbayern sind nahezu unbegrenzt. Besonders gern fährt Sommer über die Grenze in die Tschechische Republik, nach Srní oder Modrava.

SEINE ERNÄHRUNG
Vor Wettkämpfen stehen vier bis sechs Wochen Diät an: kein Zucker, kein Alkohol. "Das brauche ich einfach. Das Renngewicht ist das Entscheidende: Was ich nicht auf den Rippen habe, muss ich nicht den Berg hoch schleppen", sagt Sommer.

STRAVA
"Bergauf habe ich keine Chance bei den KOMs", gibt Martin Sommer freimütig zu und verteilt Lob: "Da ist die Konkurrenz hier bei uns einfach zu gut. Kapfe (Thomas Kapfhammer, Anm.d.Red.) oder (André, d.Red.) Reinlein sind einfach eine andere Liga." KOM steht für King of Mountain und meint Bestzeiten auf bestimmten Streckenabschnitten. Bei flachen Etappen sieht es anders aus: Mit durchschnittlich 46,6 km/h fetzte Sommer in unter 18 Minuten von Obernzell nach Passau. Die Strecke ist 14 km lang, Steigung und Gefälle halten sich die Waage. "Da hatte ich starken Rückenwind, der sauber anschiebt", fügt Martin Sommer hinzu. Strava errechnete eine Leistung von durchschnittlich 437 Watt. Dieser liegt allerdings fernab der Wahrheit, macht Sommer klar. In Hochform liege sein Schwellenbereich bei 340 Watt. "Ich habe durch die Plattform härtere Intervalle trainieren können. Ich kann mir ein Segment suchen und dann sehen, ob ich besser war oder schlechter. Es macht das Radfahren wertiger und man lernt viele Leute kennen", sagt Sommer.

SEINE AUSRÜSTUNG
Wenn Martin Sommer gefragt wird, auf welchem Renner er nun fährt, dann sagt er: auf Dorothea. Der Name entstand im Klamauk mit einem Freund. "Die Rennfahrer geben ihrem Gefährt doch immer ein Namen. Und jetzt ist das Bianchi Oltre XR4 eben die Dorothea", erklärt Martin Sommer und lacht. Namenspatronin ist übrigens Biathletin Dorothea Wierer.
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