320 Kilometer an einem Tag
Martin Giermeier 2.0: Ex-Profi hat sich vom Fußball verabschiedet – und fährt jetzt Rennrad

17.04.2020 | Stand 17.09.2023, 22:02 Uhr

Die neue Freiheit: Martin Giermeier genießt die Radfahrten auf dem Rennrad und das deutlich geringere Verletzungsrisiko. Vor knapp zwei Wochen bewältigte er eine 320 Kilometer lange Tour, es war ein Test der Grenzen seines Körpers. 7000 Kalorien verbrannte er dabei. −Foto: Giermeier

Sie fahren zehntausend Kilometer pro Jahr oder laufen Halbmarathons vor dem Frühstück: In loser Abfolge präsentiert die Sportredaktion die "Strava-Stories": In der Serie stellen wir Hobbysportler/innen aus der Region vor, die Beeindruckendes leisten – oder sich, wie Martin Giermeier, zuvor in anderen Sportarten einen Namen machten. Strava ist ein soziales Netzwerk, das sportliche Leistungen vergleichbar macht.

"Ich hab’ mir geschworen, nie wieder gegen einen Ball zu treten", sagt Martin Giermeier (28). Der Passauer spielte Fußball für den Hamburger SV, Greuther Fürth und den 1.FC Passau, und vor allem spielte er richtig gut. Martin Giermeier schaffte es öfter als andere seines Talents, sich im richtigen Moment vom Ball zu trennen, in den Hintergrund zu treten und Mitspieler glänzen zu lassen. Nach heftigen Verletzungen an den Knien – vom Knorpelschaden über drei Kreuzbandrisse war viel zu viel dabei – trennte er sich im Juli 2019 dann auf ewig vom Ball – und tritt seitdem in die Rennrad-Pedale. Sportliche Ziele verfolgt er hier nicht mehr. Es geht ihm rein um die ganz persönliche Freude an der Sache.

"Ich hätte nicht gedacht, dass mir ein reiner Ausdauersport so viel Spaß machen kann", sagt Giermeier. Ein bekanntes Fußballer-Phänomen: "Ich kannte früher ehrlich gesagt nichts anderes, es gab für mich nur Fußball." Weil der Körper aber nicht mehr wollte, weitete sich sein Blick zwangsläufig – und landete eher zufällig beim Radsport. "Ein Freund, der ähnliche Verletzungen hat und bei dem es mit dem Fußball auch nicht mehr so hingehauen hat, hatte sich ein Rennrad gekauft und meinte, ich soll mir das mal anschauen." Naja, und dann hat Martin Giermeier sich das mal angeschaut.

Wie schnell die Faszination durchschlug, lässt sich dank der Smartphone-App "Strava"* nachvollziehen. Genutzt wird die App von der Radfahrerin nebenan genauso wie von Tour de France-Profis. Rekorde auf einzelnen Strecken-Segmenten sind für alle Nutzer sicht- und schlagbar. "Es imponiert mir, welche Leistungen die Menschen hier in der Region bringen. Das spornt einen schon an", sagt Giermeier.

Auf seinem Cube, einem leichtgewichtiger Renner für ambitionierte Hobbysportler, hat Giermeier seit 1. Januar 2020 exakt 2723 Kilometer abgespult, in 36 Radfahrten saß Giermeier insgesamt 107.5 Stunden auf dem Rad. Kennzahl für echte Anstrengung sind aber die Höhenmeter – mit 37335 hat Giermeier daran wahrlich nicht gespart. Gekauft hat Giermeier das gebrauchte Rennrad schon vor zwei Jahren, da war es noch als reiner Ausgleich zu König Fußball gedacht. Seitdem hat sich viel geändert. Am 5. April dieses Jahres setzte Giermeier dem ganzen die Krone auf, mit einer 320 Kilometer langen Etappe durch Niederbayern und die Oberpfalz, gestartet um 6.53 Uhr und beendet nach zehneinhalb Stunden.

"Diese Freiheit auf dem Rad ist extrem. Wenn man davor eine Route erarbeitet, die einen dann durch Dörfer führt, von denen ich noch nie gehört hatte, macht das einfach Spaß. Außerdem kommt man in eineinhalb Stunden immer 40 bis 50 Kilometer, wenn man ein bisschen rein tritt: Du kommst einfach schnell weit rum", sagt Giermeier, der am Fußball am ehesten den Teamgedanken vermisst. Die Knieprobleme sind weg, gesundheitlich geht’s ihm "wunderbar". Sein Ziel für dieses Jahr ist es, die 8000 km-Marke zu knacken, aber erneut betont Giermeier: "Es ist nur ein Hobby: Ich will Spaß haben und meine Grenzen austesten."

Hintergrund-Info
Martin Giermeier lehnte die Anfrage von heimatsport.de anfangs dankend ab. Er wolle sich als Ex-Fußballer nicht in den Vordergrund spielen, wo so viele Radfahrer/innen und Läufer/innen aus der Region doch weitaus beeindruckendere Leistungen als er abliefern würden. Gerade an seiner Geschichte lässt sich jedoch nachvollziehen, wie Sportler neue Wege finden können, wenn andere sich verschließen.