Japan und IOC zögern in Corona-Krise
"Olympia ohne Athleten": Para-Tischtennisspieler Schmidberger würde nicht nach Tokio fahren

24.03.2020 | Stand 17.09.2023, 22:02 Uhr

Zurück zu den Anfängen: Thomas Schmidberger muss derzeit mit improvisiertem Training im Keller Vorlieb nehmen. −Foto: Schmidberger

Thomas Schmidberger hat sich sozusagen im Keller seines Hauses am Stadtrand von Viechtach (Lkr. Regen) verschanzt. Sein Tischtennis-Training dort lässt sich durchaus als extreme Form der häuslichen Quarantäne betrachten. Die Tischtennisplatte in diesem fensterlosen Raum ist die derzeit einzige Trainingsmöglichkeit des 28-Jährigen. Ein blaues, rechteckiges Stück Normalität in diesen besonderen Tagen.

"Es geht derzeit drunter und drüber", sagt er am Telefon. "Eigentlich sind derzeit andere Dinge wichtiger als der Sport." Doch der vierfache Paralympics-Medaillengewinner muss weitermachen. Entgegen aller Corona-Prognosen hält das Internationale Olympische Komitee (IOC), rechtlich eine Non-Profit-Organisation, an den Olympischen und Paralympischen Spielen in Tokio (Juli und August) fest. "Klarheit wird es auch da so schnell nicht geben", sagt Schmidberger. "Das IOC ist ein Wirtschaftsunternehmen, eine Absage wäre eine finanzielle Katastrophe." So muss Schmidberger derzeit von "Woche zu Woche" planen, wie er sagt. "Das Schlimmste ist die Ungewissheit."

Eigentlich sollte gerade die heiße Phase der knapp zweijährigen Vorbereitung auf die Paralympics beginnen. Nun findet er sich im kalten Neonlicht seines Kellers wieder. So wie damals, als er als Schüler mit dem Tischtennis angefangen hatte.

Bis zu drei Trainingseinheiten am Tag

Vormittags, nachmittags und jeden zweiten Tag auch nach dem Abendessen schlägt der Bayerwäldler seinem Trainer Michael Fuchs Bälle um die Ohren. "Im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten ist das ein fast optimales Training", sagt Schmidberger. Ausdauer- oder Krafttraining gibt’s derzeit nicht. Schläger, Ball, Platte, das muss reichen. "Andere können derzeit gar nicht trainieren, weil sie zuhause nicht die Räumlichkeiten dazu haben."

Fuchs, der auch Co-Trainer der Nationalmannschaft ist, begab sich schon Tage zuvor in seiner Münchner Wohnung vorsorglich in Quarantäne und fuhr dann ohne Stopp mit dem Auto nach Viechtach, um keine Viren mitzubringen. Er wohnt nun bei seinem Schützling. Das Aushängeschild des deutschen Rollstuhl-Tischtennis soll auch die bestmögliche Vorbereitung bekommen. Für ein Turnier, das wahrscheinlich gar nicht stattfinden kann.

Schmidbergers Keller-Training ist auch eine Wette auf die Zukunft

Nur das IOC und Japan haben das noch nicht eingesehen. "Was Japan macht, ist grob fahrlässig", sagt Schmidberger. 50000 Menschen pilgerten am Samstag zum Olympischen Feuer. Der asiatische Inselstaat täuscht trotz massiv steigender Corona-Infektionen Normalität vor – aus Angst, die Olympischen Spiele zu verlieren. Würde Schmidberger unter den aktuellen Voraussetzungen teilnehmen? "Nein, das käme nicht infrage. Und es würde auch überhaupt keinen Sinn machen, weil wir dann ein Olympia ohne Teilnehmer hätten. Niemand würde hinfahren, denke ich." Zwei Jahre Vorbereitung umsonst. "Für einen Athleten wäre das eine Katastrophe, aber in diesem Fall muss der Sport hinten anstehen."

Schmidbergers Keller-Training ist derzeit eine Wette auf die Zukunft. Es spricht wenig dafür, dass Olympia durchgezogen werden kann. "Leider läuft das, was beim IOC diskutiert wird, an uns Athleten vorbei", kritisiert der Bayerwäldler, der für Borussia Düsseldorf spielt. Sein Vorschlag: Die olympischen und paralympischen Spiele vorerst in den Winter verschieben. "Man würde sich Zeit verschaffen, das Klima in Tokio wäre im November oder Dezember ohnehin angenehmer." Ob sich die Lage bis dahin bessert, ist ungewiss. Aber es wäre zumindest eine offizielle Ansage, auf die alle olympischen Athleten derzeit sehnsüchtig warten. Und Schmidberger hätte die Aussicht auf ein paar Härtetests bei Tageslicht.
Die Corona-Krise fesselt viele von uns an Zuhause. Der Einfallsreichtum jedes Einzelnen ist jetzt gefragt – gegen Langeweile, aber auch, um sich sportlich fit zu halten. Die Heimatzeitung möchte daher wissen, wie Sie mit der Pandemie umgehen. Was machen Sie, um ihren Körper in Form zu halten? Welche besonderen oder ausgefallenen Maßnahmen haben Sie ergriffen? Wie trainieren Sie weiter für Ihre Sportart? Schicken Sie uns ein Foto (jpeg-Format) an sport@pnp.de mit ein paar Zeilen dazu. Darin sollten der Name der Person und der Wohnort enthalten sein. Und – wenn Sie wollen – gern eine kurze persönliche Nachricht an uns alle. Nach dem Motto: "Corona ist da – das Leben muss weitergehen". Die besten Fotos und Sprüche werden veröffentlicht.