Vor Bundesliga-Derby mit Straubing: Raben-Chef über die Volleyball-Hochburg Niederbayern

16.11.2019 | Stand 17.09.2023, 21:59 Uhr

Bis zu 1000 Zuschauer werden am Samstag wieder in der Volleyballarena "Am Peterswöhrd" in Straubing erwartet, wo sich die beiden Erstligisten Vilsbiburg und Straubing ab 19.30 Uhr duellieren. −Foto: Harald Schindler

Nur in einer Ballsportart hat Niederbayern Deutsche Mannschaftsmeister hervorgebracht: Volleyball. 1982 wurden die Herren des TV Passau nationaler Pokalsieger, die Frauen der Roten Raben Vilsbiburg feierten zwei nationale Meisterschaften (2008, 2010) und zwei Pokaltriumphe (2009, 2014). Volleyball hat im Bezirk eine erfolgreiche Geschichte – und eine aufsehenerregende Gegenwart, die nicht nur die Erstliga-Teams Vilsbiburg und Nawaro Straubing prägen. Vor dem Bundesliga-Derby zwischen den beiden Aushängeschildern (Samstag, 19.30 Uhr) hat heimatsport.de mit André Wehnert (38), dem Raben-Geschäftsführer, gesprochen:

Herr Wehnert, was ist heuer für die Roten Raben in der 1.Bundesliga drin? Der Start war vielversprechend, Ihre Mannschaft hat in jedem der bisherigen fünf Spiele gepunktet.
André Wehnert: Ziel ist das Erreichen des Halbfinals. Die Saison ist gut angelaufen. Anders als im vergangenen Jahr, als wir einen schwierigen Start mit Verletzungen hatten (Endstation Viertelfinale, Anm.d.Red.). Heuer hat sich die Mannschaft gut gefunden und schon jetzt mehr Vertrauen in sich. Zunächst brauchen wir aber eine gute Ausgangsposition fürs Viertelfinale.

2014 sind die Raben Vizemeister und Pokalsieger geworden, seither war in der Bundesliga jeweils im Viertelfinale Schluss – wo sehen Sie Ihren Verein aktuell im nationalen Vergleich?
Wehnert: Hinter Meister Stuttgart, Schwerin und auch Dresden kloppen sich die anderen Mannschaften um die beste Ausgangsposition für die K.o.-Runde. In diesem Reigen führen wir uns ein. Das erste Duell mit Schwerin hat gezeigt, dass wir auch mit den oberen Teams mithalten können. Da lagen wir 0:2 zurück und hatten Matchball gegen uns und trotzdem haben wir einen Punkt geholt. Insgesamt denke ich, dass keine Mannschaft so dominieren wird wie in den vergangenen Jahren – das bringt Spannung und ist gut für den Sport und die Fans.

In welchen Bereichen muss sich ihr Verein weiterentwickeln?
Wehnert: Wir sind ganz gut aufgestellt, in einer Region, der es gut geht und die uns stark unterstützt. Die Herausforderung ist das Bestehende auszubauen: in allen Bereichen. Sponsoring genauso wie Nachwuchsförderung.

Stichwort Talentförderung. Aktuell stehen nur drei deutsche Spielerinnen im Kader der Raben – keine davon aus Bayern. Wie schwer ist es, eigene Talente für die 1. Bundesliga aufzubauen?
Wehnert: Wir haben eine 2. Mannschaft in der 2. Bundesliga, deren Schwerpunkt ist, junge Talente zu entwickeln. Dass aus einer 11500- Einwohner-Stadt wie Vilsbiburg nicht jedes Jahr die besten Volleyballerinnen Deutschlands hervorgehen, kann jeder nachvollziehen. Wir haben seit 2009 ein Internat – keine Eliteschule wie etwa in Stuttgart, Schwerin oder Dresden – mit dem Ziel, Talente heimatnah zu fördern und entwickeln. Nationalspielerinnen wie Anna Pogany oder Lena Stigrot sind diesen Weg gegangen. Aktuell haben wir mit Elisabeth Kerscher aus Vilsbiburg und Juniorennationalspielerin Amelie Busch (aus Wasserburg am Inn, d.Red.) zwei große Talente. Ich hätte gerne fünf weitere aus Bayern an unserem Standort. Da haben wir, da hat Niederbayern noch großes Potenzial.

In welchem Alter verpflichten die Raben denn talentierte Spielerinnen?
Wehnert: Das kann mit 14 oder 15 sein, wenn man merkt, dass eine Spielerin mehr Förderung braucht, als es ihr Heimatverein geben kann. Dann ist viel Überzeugungsarbeit notwendig.

Inwiefern?
Wehnert: Es ist ein schwieriger Weg in die Bundesliga. Es braucht eine hohe Bereitschaft von Mädels und ihren Familien und den Willen, vielleicht mit 22, 23 Jahren mit Volleyball sein Geld zu verdienen. Da kämpft man schon immer auch mit Vorurteilen einer Randsportart und dass andere wie der Fußball viel Geld ziehen. Wir müssen Perspektiven aufzeigen. Das heißt: Förderung mit Augenmaß. Ein ordentlicher Schulabschluss steht an erster Stelle. Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen schaffen.

Wie viele Scouts beschäftigen die Raben?
Wehnert: (lacht) Keinen. Ein aktives Sichtungssystem mit bezahlten Beobachtern gibt es nicht. Wir sind im Austausch mit Landes- und Vereinstrainern und bei Jugendwettkämpfen muss man halt ins Gespräch kommen, wenn einem jemand ins Auge sticht. Ein Modell wie im Fußball gibt es nicht. Wie gesagt, bei Talenten geht es für uns nicht darum, Geld auf den Tisch zu legen, sondern sie vom Profigeschäft Volleyball zu überzeugen.

Zwei Erstliga-Teams mit Vilsbiburg und Straubing, dazu zwei Frauen-Mannschaften in der 2. Bundesliga (Vilsbiburg II und TV Dingolfing) und die Deggendorfer Herren in der 3. Liga – Niederbayern steht im Volleyball ordentlich da.
Wehnert: Ein schöner Moment, aber... Das kann die Region auch hergeben, dennoch gibt es schon Verbesserungspotenzial in Bayern beziehungsweise Niederbayern. Der Schulterschluss zwischen Verband, nachwuchsfördernden Vereinen und Vereinen mit Leistungssport muss enger werden. Wir müssen uns stärker austauschen im Hinblick auf Talente in der Region, dazu gehört auch das Berufsbild des Trainers. Es muss für junge, engagierte Trainer attraktiver werden, immerhin haben sie viel Verantwortung und Zeitaufwand und wenn man dann seine Familie davon nicht ernähren kann, dann muss was passieren.

Noch ein Blick auf das Derby am Samstag in Straubing: Da zählt für Vilsbiburg nur ein Sieg, oder?
Wehnert: Natürlich haben wir den Anspruch zu gewinnen und Straubing wird uns die Favoritenrolle zuschieben. Aber Nawaro ist eine Art Wundertüte. Dazu kommen eine relativ niedrige Halle und die Zuschauer, die eng am Spielfeld sind. Das ist dann immer eine spannungsvolle Atmosphäre und da müssen wir uns erst einmal zurechtfinden.

Eine Volleyball-Themenseite mit allen höherklassigen Vereinen der Region finden Sie in der Freitagsausgabe (15. November) Ihrer Passauer Neuen Presse.