"Für mich schnell, für ihn Regeneration": Die Schreindls und ihr Leben als schnellstes Ehepaar Niederbayerns

25.12.2018 | Stand 25.12.2018, 6:00 Uhr

Aufs Bankerl gesetzt wird sich nur fürs Foto: Susanne und Tobias Schreindl laufen für die LG Passau. −Foto: Süß

Tobias Schreindl nimmt die Schultern nach vorn. Mit entschlossener Miene zieht der Läufer mit der Startnummer 1 den Endspurt an. 32 Minuten zeigt die Uhr im Ziel für den Sieger des Zehn-Kilometer-Laufs an. Drei Minuten wird es dauern, bis der zweitplatzierte Läufer im Ziel ist. Für Tobias Schreindl (30), den erfahrenen Langstreckenläufer, ist der Sieg beim 21. Therme-Geinberg-Lauf einer von vielen in diesem Jahr.

Der deutsche Marathon-Meister von 2014 benötigt nicht viel Regenerationszeit. Anstatt nach Luft zu ringen, lächelt er breit und unterhält sich locker, als hätte er nicht gerade zehn Kilometer mit einer Geschwindigkeit von 19 km/h zurückgelegt. Neben ihm steht Ehefrau Susanne. Beide in Gelb-blau, den Farben der LG Passau. Susanne Schreindl hat ihre blonden Haare zu einem Zopf hochgebunden, die schlanken Arme vor der Brust verschränkt. Es wirkt, als wäre sie jederzeit bereit, ebenfalls einen Wettkampf zu bestreiten. Zweifellos könnte die 27-Jährige das auch. Vier Jahre nach ihrem Ehemann hat Susanne Schreindl heuer ebenfalls den München-Marathon gewonnen, darf sich mit dem Titel der bayerischen Meisterin schmücken. Doch heute ist sie da, um ihren Mann zu unterstützen.

Susanne und Tobias Schreindl sind das Marathon-Paar der regionalen Laufszene. Sie teilen ihr Leben und die Leidenschaft fürs Laufen. Und doch hat die Gemeinsamkeit Grenzen. Denn die beiden trainieren gar nicht zusammen. "Was für mich schnell ist, ist für ihn Regeneration", lacht Susanne Schreindl. Es ist ein eng getaktetes Leben, das das Sportler-Ehepaar führt. Sie arbeitet als Ingenieurin für Umwelttechnik, er ist Maschinenbauer. Die freie Zeit wird vor allem nach dem Laufen ausgerichtet. Das braucht gute Planung und Aufgabenverteilung, auch im Haushalt daheim in Deggendorf. Kleine Fluchten gehören dazu. Wenn der Körper sich nach Entspannung sehnt, verschwindet Tobias gerne im Keller "zum Basteln und Schrauben", wie er sagt. Bei gutem Wetter nimmt er seine selbstgebauten Modellflieger mit zum Sonntagsspaziergang. "Den Ausgleich braucht’s", sagt Tobias. Wer sich Zeit für anderes nimmt, bemerke, dass ein persönlicher Niederschlag nicht das Ende der Welt bedeuten müsse, fügt er an. Laufen ist eben ein Auseinandersetzen mit den eigenen Grenzen – die Möglichkeit des Nicht-Genügens immer mit eingeschlossen.

Tobias Schreindl hat in diesem Jahr nicht an seine 10-Kilometer-Bestleistung von 29:11 Minuten anknüpfen können – das wurmt ihn. "Laufen ist ein Wettkampf mit dir selbst. Du versuchst immer, die zeitlichen Grenzen zu verschieben", erklärt er. Susanne entscheidet sich, einzugreifen. Man solle den Laufsport nicht zu ernst zu nehmen, rät sie. Es gehe darum, sich nicht abhängig von Bestleistungen zu machen. Tobias stimmt zu, dass kleine Rückschläge dazugehören. Wer sich aus einem Tief herausgearbeitet hat, ist meist stärker als vorher, sagt er. Ohnehin gehe es nicht immer um den ersten Platz. "Die meisten meinen, du bist nur gut, wenn du gewinnst", sagt Tobias. "Aber wenn du dich beispielsweise in einem stark besetzten Wettkampf weit vorn behaupten kannst, ist das dein persönlicher Gewinn."

Während er spricht, knetet Tobias sein Stirnband zwischen den Händen. Er hat sich vorgenommen, seine Marathon-Bestzeit von zwei Stunden und 18 Minuten zu verbessern – ein Wettkampf mit den eigenen Erwartungen. Er weiß, dass es möglich ist. Er traut es sich zu, wartet nur auf das richtige Rennen. "Wenn du an der Startlinie nicht von dir überzeugt bist, kannst du es gleich vergessen", sagt Tobias Schreindl. Vor Wettkämpfen spielt er immer alle denkbaren Szenarien im Kopf ab, um vorbereitet zu sein. "Laufen ist 50 Prozent Kopfsache", sagt er.

Schon als Kinder haben Susanne und Tobias an Lauf-Wettkämpfen teilgenommen – im Lauf der Jahre oft genug an den gleichen. Bis aus den Läufern ein Läufer-Paar wurde, dauerte es aber. "Es war Liebe auf den zweiten Blick", sagt Tobias mit einem Augenzwinkern und erzählt, wie er Susanne über die nun schon etwas veraltete Internetplattform ICQ angeschrieben und nach einem Kino-Date gefragt hatte. 2008 wurde aus der Laufbekanntschaft ein Läuferpaar und 2017 das Läuferehepaar. Sie schätzen die gegenseitige Unterstützung, die Gewissheit, einen Partner an der Seite zu haben, einen Gleichgesinnten mit Gespür für die mitunter sensible Läuferseele.

Vielleicht war es gerade diese Unterstützung, die Susanne gebraucht hat, um im Oktober als Siegerin aus dem München-Marathon hervorzugehen. Mit ihrem Tobi an der Seite, der sie 40 Kilometer lang begleitet hat. Vermutlich ist es genau das, was einen erfolgreichen Lauf ausmacht: Nicht nur auf die eigene Stärke zu zählen, sondern darauf zu vertrauen, dass einen der Partner in guten wie in schlechten Tagen bestärkt und ermutigt. Denn zusammen läuft es eben doch besser als allein.