Champions League
Kein Handy-Verbot: Union will Real-Highlight genießen

19.09.2023 | Stand 20.09.2023, 20:54 Uhr |

Fischer und Trimmel - Union-Trainer Urs Fischer (l) und Kapitän Christopher Trimmel bei der Pressekonferenz in Madrid. - Foto: Matthias Koch/dpa

Die Premiere in der Champions League ist vorläufiger Gipfel der Fußball-Saga von Union Berlin. Trainer Urs Fischer steht vor einer riesigen Herausforderung. Und zeigt sich in einem Punkt doch milde.

Union Berlins Kapitän Christopher Trimmel lächelte so breit, wie es seine Mundwinkel irgendwie hergaben. Champions League. Bei Real Madrid. Im Estadio Santiago Bernabéu. Das klingt immer noch unwirklich.

Wie eine gute Laune des Fußball-Gottes, der den Eisernen schon so lange wohlgesonnen ist. Und so blickte Trimmel vor dem Spiel am Mittwoch (18.45 Uhr/DAZN) vom mächtigen Pressepodium in Madrid hinab und machte den Eindruck, als wolle er fortan jeden Moment einfach nur genießen.

«Wir versuchen, uns wie immer vorzubereiten. Und jetzt ist Real dran», sagte Trimmel. Das klang dann wie ein Versuch, den größten Moment der Geschichte des Fußball-Bundesligisten emotional ein bisschen herunter zu dimmen. Auch Trainer Urs Fischer war anzumerken, dass er natürlich das Königsklassen-Kribbeln spürte, spätestens als der Mannschaftsbus auf den prächtigen Paseo de la Castellana eingebogen war.

«Zuerst glaube ich, dass das eine Belohnung ist für eine tolle letzte Saison. Wir haben viel aufgewendet und verdienen die Belohnung», sagte Fischer zu der Partie gegen Real. Eine Einschätzung die auch sein ungleich berühmterer Real-Kollege Carlo Ancelotti teilt. «Sie sind eine neue Mannschaft in der Champions League, aber das bedeutet, dass sie es im letzten Jahr sehr gut gemacht haben», sagte der 64 Jahre alte Italiener.

Einen Eindruck wollte Fischer unbedingt verwischen, dass die Premiere in der Königsklasse einen Hauch von Klassenreise habe. Trimmel betonte auch: Man wolle mit einem «positiven Erlebnis nach Hause fliegen» von dem man «eines Tages seinen Kindern erzählen» könne.

Ehrfurcht und Angst nicht erwünscht

Handy-Fotos als Souvenirs wollte Fischer in der riesigen Silberschüssel im Herzen der spanischen Hauptstadt seinen Spielern nicht verbieten, auch wenn er selbst da ein «bisschen Old school» sei. Aber: Alle Sentimentalitäten müssen ausgeblendet sein. «Ehrfurcht und Angst sind genau die beiden Sachen, die wir nicht brauchen», sagte Robin Gosens.

Mit Inter Mailand griff der Nationalspieler im Mai nach dem riesigen Pokal, die 0:1-Niederlage im Finale gegen Manchester City schmerzte. Der 29-Jährige wurde von Union Berlins Wunder-Einkäufer Oliver Ruhnert wie auch Leonardo Bonucci genau für diese großen Auftritte nun nach Berlin geholt. Italiens Europameister steht vor seinem Union-Debüt auf der größtmöglichen Bühne, denn Abwehrchef Robin Knoche fällt verletzt aus, wie Fischer berichtete.

Union bei Real. Viel mehr Gegensatz ist jedenfalls kaum möglich im europäischen Spitzen-Fußball. Hier der sich beharrlich als Underdog stilisierende Arbeiterverein aus Berlin-Köpenick, dort der sich an galaktischem Glamour orientierende Trophäensammler-Club. Unions einziger Titel, der FDGB-Pokalsieg 1968 verschwindet im Schatten von allein 14 Henkel-Pötten der Königlichen.

Unions Dauer-Wunder

Doch warum soll Unions Dauer-Wunder seit dem Bundesliga-Aufstieg vor gut vier Jahren nicht im Bernabéu weitergehen? «90 Minuten Fußball, in denen der kleine Gegner dem großen Gegner auch mal wehtun kann. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele im Fußball», sagte Gosens. Man dürfe sich halt keine Schludrigkeit leisten, wie zuletzt in der Liga gegen RB Leipzig (0:3) und den VfL Wolfsburg (1:2). «Aber es ist auch eine schöne Erfahrung, gegen so eine Mannschaft zu spielen, wir versuchen, unser Bestes zu geben, kämpfen als Team und vielleicht ist etwas möglich», sagte Verteidiger Danilho Doekhi.

In der Bundesliga und auch im Vorjahr in der Europa League half oft die Unkenntnis der Gegner. Union ist aber nicht mehr so klein, um unterschätzt zu werden, auch nicht international. Und dann ist da auch noch Toni Kroos, der große Bruder von Felix Kroos, dem einstigen Union-Kapitän. «Ich durfte schon ein wenig warnen vor Union», berichtete er kurz nach der Auslosung im Podcast «Einfach mal Luppen» mit seinem Bruder über die Neugierde seiner Real-Kollegen an dem ungewöhnlichen Kontrahenten aus dem Osten Berlins. «Das Gute ist, heutzutage kann man alles über den Gegner wissen im Fußball. Wir haben sie sehr gut studiert», sagte Ancelotti.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

Real Madrid: Kepa - Lucas, Rüdiger, Alaba, Fran Garcia - Modric - Camavinga, Bellingham, Kroos - Rodrygo, Joselu

1. FC Union Berlin: Rönnow - Doekhi, Bonucci, Leite - Juranovic, Kral, Gosens - Laidouni, Tousart - Becker, Behrens

Schiedsrichter: Espen Eskås (Norwegen) 

© dpa-infocom, dpa:230919-99-248200/5

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