Über einer Milliarde Euro Schulden
„Einzige Klub der Welt, der kein Geld hat, aber jeden Spieler kauft“: Barcas waghalsige Wette auf die Zukunft

20.07.2022 | Stand 22.09.2023, 20:57 Uhr

Robert Lewandowski trägt jetzt das Trikot des FC Barcelona - der Klub zahlte rund 50 Millionen Euro Ablöse. −Foto: dpa

Julian Nagelsmann kommt die millionenschwere Transfer-Offensive des FC Barcelona spanisch vor. „Das ist der einzige Klub der Welt, der kein Geld hat, aber jeden Spieler kauft, den er will“, sagte der Trainer von Bayern München spitz und lächelte kopfschüttelnd: „Das ist seltsam und verrückt.“

Und angesichts eines Schuldenstands von weit über einer Milliarde Euro nicht nur für Nagelsmann völlig unerklärlich. Barca habe sich ja nicht nur mit dem Münchner Torgaranten Robert Lewandowski verstärkt, meinte der Coach sichtlich irritiert, „sie kaufen viele Spieler - ich weiß nicht wie. Irgendwie finden sie Lösungen, keine Ahnung. Aber sie haben jetzt auf jeden Fall eine bessere Mannschaft“.

Weltfußballer Lewandowski kam für bis zu 50 Millionen Euro, der Brasilianer Raphinha für 58 Millionen, der im Winter verpflichtete Ferran Torres kostete 55 Millionen. Barca verzeichnet in diesem Sommer das drittgrößte Transferminus in Europa - und ist noch lange nicht fertig: Auch Cesar Azpilicueta (FC Chelsea) und Jules Kounde (FC Sevilla) werden teuer.

Der umtriebige Präsident Joan Laporta träumt von einer Wiederholung der goldenen Ära unter Pep Guardiola, als man mit Weltstar Lionel Messi den Fußball dominierte. „Barca muss wieder führend auf der Welt werden“, sagte er. Dabei verglich Laporta seinen klammen Klub noch im Juni mit einem „Patienten, der in finanzieller Hinsicht praktisch tot“ sei.

Finanzchef Eduard Romeu berichtete blass, es brauche 500 Millionen, um Barca „zu retten“. Um das zu schaffen und zugleich die Mannschaft wieder konkurrenzfähiger zu machen, verpfändet er das Tafelsilber. US-Investor Sixth Street zahlt für zehn Prozent der Einnahmen aus den Liga-TV-Rechten der kommenden 25 Jahre 207,5 Millionen. Weitere 15 Prozent sollen über 300 Millionen einbringen, 49,99 Prozent der „Barca Licensing&Merchandising“ zudem 200 bis 300.

Vorsichtiger als Nagelsmann äußerte sich am Mittwoch Bayerns Klubchef Oliver Kahn. „Keiner von uns kann die Interna aus der Distanz beurteilen. Da Urteile zu fällen, finde ich ein bisschen schwierig. Die werden schon wissen, was die da tun“, sagte Kahn.

Dennoch: Die Katalanen leisten sich Luxus auf Pump - und gehen eine riskante Wette auf die Zukunft ein. Der Umsatz, so die kühle Kalkulation, soll bald wieder auf die Zeit vor Corona steigen und Barca als erster Klub die magische Milliarden-Schallmauer knacken. Parallel soll Trainer Xavi mit Topspielern wie Lewandowski an frühere Erfolgszeiten anknüpfen und mittels Titeln höhere Erlöse einspielen.

Gleichzeitig spart Laporta mit waghalsigen Finanzmodellen bei den Gehältern: Alte Ikonen wie Sergio Busquets oder Gerard Pique stimmten Kürzungen zu, neue Stars verdienen zunächst vergleichsweise wenig, im zweiten oder dritten Vertragsjahr aber umso mehr.

Mithilfe dieser Tricks sollen die Finanzregeln der spanischen Liga erfüllt werden, laut derer Barca für jeden gesparten oder verdienten Euro nur 33 Cent ausgeben darf. Trotzdem durften all die neuen Lewandowskis bislang noch nicht mal bei La Liga registriert werden.

Der Fußball-Finanzblog „Swiss Ramble“ schreibt von einem waghalsigen Spiel mit dem Feuer, die Katalanen hätten „sehr wenig aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt“ - und blicken daher in die Zukunft: Auf die Super League als Lösung aller Probleme. Die Reichenliga lockt mit 270 Millionen Euro Willkommensbonus. Da reibt sich nicht nur Nagelsmann verwundert die Augen.

− dpa