Interview in Deggendorf

Dahlmeier und die neue Freiheit: Olympiasiegerin spricht über Lauf-Leidenschaft und Zukunft des Biathlons

03.08.2022 | Stand 22.09.2023, 20:22 Uhr

Immer voraus: Laura Dahlmeier eröffnete die Station der „Heimat Trails Trophy“ auf der Rusel im Landkreis Deggendorf. Vorher nahm sie sich Zeit für ein Interview mit der Heimatzeitung. −Foto: Helmut Müller

Von Alexander Augustin

Sie kann nicht ohne den Sport: Biathlon-Olympiasiegerin Laura Dahlmeier (28) ist nach ihrem Karriereende als Trailläuferin und Bergsteigerin aktiv. Im Interview spricht sie über ihre neue Leidenschaft, die eigene Zukunft – und die des deutschen Biathlons.

Laura, Sie haben die Strecke der „Heimat Trails Trophy“ auf der Rusel eröffnen dürfen. Was macht für Sie die Faszination Traillauf aus?
Laura Dahlmeier: Ich liebe es, zu Fuß eine Landschaft, eine neue Welt zu erkunden. Und ich finde es spannend herauszufinden, wie weit ich mit meinem eigenen Körper kommen kann und welche neuen Dimensionen sich vielleicht auch auftun.

Ihr Leben als Leistungssportlerin war streng durchgetaktet. Rührt Ihre Leidenschaft fürs Querfeldein-Laufen auch daher, weil es dafür eben keinen festen Plan, kein Korsett gibt?
Dahlmeier: Das ist definitiv ein Grund. Ich habe unheimlich gerne Biathlon betrieben. Es war eine tolle Zeit und das Trainieren im Biathlon ist auch durchaus frei. Wir sind nicht so strikt gebunden, wie das beispielsweise Schwimmer in der Halle sind. Trotzdem: Für den Skilanglauf und das Schießen brauchst du eben eine Loipe und einen Schießstand.

Beim Laufen ist die Natur Ihre Loipe...
Dahlmeier: Genau. Ich bin jetzt das erste Mal in Deggendorf, kenne die Gegend nicht und trotzdem weiß ich, dass ich eine coole Strecke entdecken werde. Ich brauche nur meine Turnschuhe und mich selber – und schon geht es los.

„Ich bin einfach dafür gemacht, mich zu bewegen“



Wenn man Sie auf den sozialen Netzwerken so verfolgt, dann sind Sie gefühlt ständig unterwegs und in der Natur. Eine Laura Dahlmeier zuhause auf der Couch gibt es eher selten, oder?
Dahlmeier: Ich studiere ja gerade noch Sportwissenschaften in München, bin im 6. Semester und muss noch ein paar Dinge zu Ende bringen. Gestern bin ich zum Beispiel schon sehr viel am Schreibtisch gesessen. Aber das fällt mir schon schwer. Ich bin einfach am liebsten draußen und mache etwas. Inzwischen muss ich schon schauen, wie ich das am besten in den Alltag integriere. Momentan sind es vielleicht nicht mehr die vier oder fünf Stunden, in denen ich was mache, sondern vielleicht nur noch eine. Aber ich bin dankbar für jede Minute. Ich denke, ich bin einfach dafür gemacht, mich zu bewegen und nicht nur zu sitzen oder zu stehen. Da fühle ich mich nicht wohl, da geht es mir nicht gut. Es ist ein wichtiger Schritt, das zu erkennen und dann auch ins Leben zu integrieren.

Ein Acht-Stunden-Bürojob kommt für Sie nach dem Studium also eher nicht in Frage.
Dahlmeier: Schwierig (lacht).

Seit drei Jahren sind Sie nun raus aus dem Profisport, haben mit 25 Jahren ganz früh Schluss gemacht. Wie oft haben Sie sich in der Zwischenzeit ins alte Biathlon-Leben zurückgesehnt?
Dahlmeier: Wie überall im Leben haben die Dinge ihre positiven und negativen Seiten. Ich bin dankbar für die Zeit, habe so viel erleben und sehen dürfen. Es haben sich Freundschaften entwickelt, daran erinnere ich mich gern zurück. Und manchmal sehne ich mich auch danach. Wenn ich zum Beispiel daran denke, 14 Tage ins Trainingslager auf die Seiser Alm zu fahren, wo es nur die Kollegen, das Training, die Natur und mich gibt. So etwas habe ich jetzt nicht mehr. Allerdings weiß ich eben auch, was dazugehört, um ganz oben stehen zu können. Es ist ein enorme Belastung und manchmal, wie Sie vorhin schon gesagt haben, ein Korsett. Du weißt im April schon, was das restliche Jahr mit dir vorhat. Ich genieße es, jetzt deutlich freier zu sein.

Biathlon-Rückkehr als Trainerin? „Sag niemals nie“



Im deutschen Biathlon findet ein Generationswechsel statt. Siegläufer wie Arnd Peiffer oder Erik Lesser haben ihre Karriere beendet, der Nachwuchs kann die Lücke noch nicht füllen. Wie blicken Sie in die Zukunft?
Dahlmeier: Man merkt gerade schon, dass die Jungen ganz schön Gas geben. Aber das deutsche Biathlon hängt in einer Zwischenphase, gerade bei den Damen. Es gibt einige Arrivierte, die ihre Leistung bringen, und von unten kommt noch nicht der ganz große Druck nach. Die Situation muss man annehmen und versuchen, den Nachwuchs über die nächsten Jahre Schritt für Schritt heranzuführen. Man darf keine Wunderdinge erwarten. Einen Top-Athleten kann man nicht aus dem Hut zaubern, aber wenn er da ist, muss man ihn sehen und fördern. Insgesamt wird es aber nicht leicht, weil international ganz schön die Post abgeht.
In den vergangenen 20 Jahren war das deutsche Biathlon ein Erfolgsgarant, es gab praktisch durchgehend Siegläuferinnen und -läufer wie Sie. Leidet das deutsche Biathlon derzeit auch an der eigenen Vergangenheit?
Dahlmeier: Natürlich wirst du an vergangenen Erfolgen gemessen. Das macht es für die nachfolgenden Generationen nicht einfacher. Das ist ein großer Rucksack, hat aber auch gewisse Vorteile. Wenn die Erfolge da waren, weiß man ja auch, wie es funktioniert und hat einen gewissen Erfahrungsschatz. Trotzdem liegt es auch an den Leuten drumherum, diesen zu vermitteln.

Ist es in absehbarer Zeit für Sie denkbar, Ihren Erfahrungsschatz direkt weiterzugeben an junge Athletinnen und Athleten – als Trainerin oder in anderer Funktion im Verband?
Dahlmeier: Ich glaube, grundsätzlich es ist schon schön, Erfahrungen weitergeben zu können und sie nicht im Keller verschwinden zu lassen. Aktuell bin ich noch dabei, meinen Weg zu finden. Ich habe verschiedene Projekte, deswegen glaube ich nicht, dass ich jetzt sofort wieder zurückgehe. Aber: Sag niemals nie.


Das ganze Gespräch mit Laura Dahlmeier lesen Sie kostenlos nach kurzer Anmeldung bei PNP Plus.

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