Als erster Vertreter der Südliga überhaupt

Final-Krimi: TC Pfarrkirchen ist deutscher Meister – nach einem Wahnsinns-Match

17.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:06 Uhr

Die Nervenanspannung ist abgefallen, und sie haben den deutschen Meistertitel und den Pokal: (vorne von links) TCP-Vorsitzender Christoph Schmid, Kapitän Felix Riedel, Marcos Baghdatis und Andreas Seppi sowie (hinten von links) Physiotherapeut Thomas Haberl, Steve Darcis, Dusan Lojda, Andreas Schwarz, Dominik Aigner und Alessandro Giannessi. −Fotos: Wanninger

Von Christian Wanninger

Mehr Spannung geht nicht: In einem Wahnsinns-Match haben die Herren 30 des TC Pfarrkirchen Geschichte geschrieben. Als erster Vertreter der Südliga überhaupt gewannen sie am Samstag im 684 Kilometer entfernten Buschhausen (Oberhausen) die deutsche Meisterschaft. Dabei begann für die Rottaler der Turniertag alles andere als erfreulich.

Der Buschhausener TC als Titelverteidiger und Gewinner der letzten beiden Titelkämpfe sah sich nicht in der Favoritenrolle, hoffte irgendwie auf drei Einzel-Erfolge, um dann seine Doppelstärke ausspielen zu können. Und die Mannschaft aus dem Ruhrgebiet hatte noch einen Trumpf: das Publikum. Rund 750 Besucher feuerten das überaus stark besetzte Team frenetisch an. Es herrschte Daviscup-Stimmung an der Oberhausener Dachsstraße. Die knapp 20 aus dem Rottal angereisten Fans genossen die Atmosphäre und versuchten immer wieder gegenzuhalten. Aber es war auf den Tribünen ebenso fair wie auf dem Platz. Die Final-Partie selbst wurde nicht nur zu einer Werbung für diese Herren-30-Bundesliga, sondern für den gesamten Tennissport. Das Publikum bekam absoluten Spitzensport geboten.

In den drei ersten Einzeln hofften die Pfarrkirchner, möglicherweise für eine kleine Vorentscheidung sorgen und vielleicht mit einem 3:0 starten zu können. Und es sah gut aus. Alessandro Giannessi an Position 2 überzeugte einmal mehr. Grandiose Grundschläge, unglaubliche Passierbälle, auch aus der Bedrängnis. Doch schon vom ersten Ball weg war eines klar: Der Buschhausener TC ist ein völlig anderes Kaliber als all die anderen Gegner in der Südliga. Giannessi dominierte dennoch Franko Skugor aus Kroatien und gewann klar in zwei Sätzen. Dann die Nachricht, die die Mannschaft schockte.

Marcos Baghdatis, der gerade Steve Darcis coachte, und Kapitän Felix Riedel konnten es nicht fassen. An Nummer 6 beherrschte der für Pfarrkirchen spielende Spanier Pere Riba-Madrid seinen Gegner Stefan Wauters aus Belgien nach Belieben. 5:2 führte er schnell. Dann ein Schritt, und Riba-Madrid fasste sich an den Oberschenkel. Nichts ging mehr. Er musste aufgeben. Ein fest eingeplanter Punkt war weg. Der Spanier selbst am Boden zerstört. Der Trost seiner Teamkollegen half nur wenig.

Steve Darcis versuchte dies auszublenden. Der Belgier in Diensten des TCP hatte es mit dem sehr guten Antonio Sancic aus Kroatien zu tun. 6:3 holte sich Darcis Satz eins. Im zweiten musste er in den Tie-Break, gewann aber mit 7:6 dieses so wichtige Match.

Die zweite Runde der Einzel hatte es noch mehr in sich. In der Spitzenpartie standen sich mit dem Südtiroler Andreas Seppi und Viktor Troicki aus Serbien zwei Weltklasse-Akteure gegenüber. Seppi begann stark, holte sich ein Break, das er aber gegen Satzende wieder abgeben musste. Doch bei 5:4 nahm er Troicki erneut den Aufschlag ab und sicherte sich und dem TCP Satz 1. Dann aber riss der Faden. Er verlor sein Service und konnte nicht mehr an sein druckvolles Tennis anknüpfen, das ihn auszeichnet. Troicki hingegen wurde immer besser. Er gewann Durchgang 2 und auch den Match-Tiebreak mit 10:7.

Das gleiche Bild an Position 5. Dusan Lojda holte Satz 1 für die Pfarrkirchner im Tie-Break. Und er nahm dem teilweise unglaublich aufschlagenden Belgier Boy Westerhof erneut das Service ab. Doch sofort kassierte er das Re-Break und die Partie kippte. Westerhof gab den Takt vor und siegte deutlich 6:2 und im Match-Tiebreak 10:2.

Das Ziel der Pfarrkirchner, vier Einzel zu holen, war nicht mehr zu erreichen. Und Marcos Baghdatis? Er erwischte gegen den für Buschhausen aufschlagenden Antonio Veic aus Kroatien einen schlechten Start. Schnell lag er Break zurück, kämpfte sich jedoch heran. Doch bei 5:5 verlor er den Aufschlag erneut und Veic servierte zum Satzgewinn aus. Aber Baghdatis kämpfte und wurde immer stärker. Folglich ging Satz 2 mit 6:2 an ihn, und auch der Match-Tiebreak war mit 10:5 eine klare Sache für den Zyprioten.

Mit dem Stand von 3:3 nach den Einzeln ging es in die Doppel. Und hier kam eher den Buschhausenern die Favoritenrolle zu. Schnell entschieden Veic/Sancic das Match gegen Dusan Lojda und den für Riba-Madrid spielenden Dominik Aigner für sich. Doch ebenso schnell gewannen Seppi/Giannessi gegen Troicki und den nur im Doppel eingesetzten Niederländer Thimo van der Lecq. Die deutsche Meisterschaft wurde also im allerletzten Match entschieden. Und das hatte es in sich.

Famos spielten die Routiniers Baghdatis/Darcis in Satz 1 gegen das eingespielte und enorm starke Duo Skugor/Westerhof auf. Zwei Breaks lagen sie voran, ehe es noch einmal eng wurde. Doch mit 6:4 gewann das Pfarrkirchner Doppel Satz eins. Und auch in Durchgang zwei sah es lange gut aus. Wieder schafften sie ein frühes Break und führten 5:3. Doch dann kamen Skugor/Westerhof, angepeitscht vom Publikum, zurück. Sie holten vier Spiele in Folge und gewannen Durchgang zwei mit 7:5.

Im Match-Tiebreak hielt es dann die Zuschauer nicht mehr auf den Sitzen. Es ging hin und her. Bei 10:9 hatten die Pfarrkirchner den ersten Matchball. Doch sowohl diesen als auch den bei 11:10 wehrten die Buschhausener ab. Bei 11:11 gelang Steve Darcis eine Weltklassevorhand, die er an dem Gegner am Netz vorbei ins Feld knallte. Und dann, um kurz vor 21 Uhr, mehr als sieben Stunden nach Beginn des Finales, die Entscheidung: Baghdatis und Darcis verwandelten den dritten Matchball zum 13:11 und der Jubel bei den Herren 30 des TCP kannte keine Grenzen mehr. Alle lagen sich in den Armen. „Campione, Campione, ole ole ole“, sang das Team zusammen mit Kapitän Felix Riedel, Vorsitzendem Christoph Schmid und den mitgereisten Fans. Der TCP hatte es geschafft. Wenige Minuten später hielten alle den Pokal in der Hand, den ihnen die Vertreter des Deutschen Tennisbundes überreicht hatte.

Eine überglücklicher Kapitän Felix Riedel rang nach Worten: „Unfassbar. Dass es nach dem Beginn mit der Verletzung von Pere noch geklappt hat und wie eng das alles war. Ich bin fertig, ich kann nicht mehr. Wir wussten, wie stark Buschhausen ist, und wir wussten, dass wir eigentlich vier Einzel brauchten, da sie unfassbar Doppel spielen können. Aber unsere Jungs haben alles rausgeholt und als Mannschaft gewonnen. Der Zusammenhalt im Team ist unglaublich. Wir sind so glücklich und auch stolz auf diesen Erfolg.“

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