Das Tischtuch ist zerschnitten
Privilegien, Streitereien, Nebenjobs: Wie Sascha Mölders seinen Status als "Fußballgott" bei 1860 ruiniert hat

08.12.2021 | Stand 19.09.2023, 2:24 Uhr

Im Abseits: Sascha Mölders ist bei 1860 München bis auf Weiteres nicht Teil der Mannschaft. −F.: imago images

Der TSV 1860 München hat seinen Star-Stürmer Sascha Mölders vor die Tür gesetzt. Für viele kam der Schritt überraschend. Neue Erkenntnisse zeigen: Die Suspendierung war die Eskalation eines lange schwelenden Konflikt. Kapitän Mölders hatte mit seinem Verhalten nicht nur die sportliche Leitung gegen sich aufgebracht, sondern auch einen Großteil der Mannschaft.

Ist er nun suspendiert oder nicht? Klar ist: Kapitän Sascha Mölders wird in diesem Jahr nicht mehr für den Fußball-Drittligisten 1860 München auflaufen. Wortklauberei also. Für Günther Gorenzel, Sechzigs Sportchef, nicht: "Sascha ist nicht suspendiert", wiederholte er bei einer Presserunde am Dienstagnachmittag am Trainingsgelände gebetsmühlenartig. Sehr wohl habe man ihm aber mitgeteilt, dass er in den beiden noch verbleibenden Spielen des Jahres 2021 gegen Dortmund II und Würzburg nicht im Kader stehen werde. Und trainieren solle er doch bitte individuell. Nennen wir es eine De-facto-Suspendierung.

Es war ein Instagram-Post, der die ohnehin tektonisch fragile Löwen-Welt zum Beben gebracht hatte: Man habe ihm mitgeteilt, nicht mehr zum Training zu erscheinen, "weil es der Trainer so will", schrieb Mölders auf seinem Kanal. Es folgte ein veritabler Shitstorm samt Solidaritätsbekundungen mit dem 36-jährigen Sturm-Oldie. Tenor: Dem Verein ist nicht mehr zu helfen, wenn er sein Idol einfach so vor die Tür setzt. Doch so einfach ist die Lage doch nicht.

Mölders gilt intern als beratungsresistent

Nach PNP-Informationen ist nach dem desaströsen 2:5 gegen Magdeburg ein Konflikt eskaliert, der schon länger schwelte. Mölders blieb als Kapitän und Torschützenkönig der vergangenen Saison am Samstag wie mehrfach in dieser Spielzeit schon hinter den Erwartungen zurück, verschuldete ein Gegentor mit äußerst unmotiviertem Abwehrverhalten. Für die Verantwortlichen der Grund, ihn zur Seite zu nehmen – und das offenbar nicht zum ersten Mal.

Dem Verein sind Mölders’ zahlreiche Nebentätigkeiten schon seit längerem ein Dorn im Auge. Bis zum Sommer hatte der Stürmer sportlich nie Zweifel aufkommen lassen, er würde sich nicht mehr genug auf 1860 konzentrieren. Fünf Tore und vier Vorlagen in der laufenden Saison sind dem Verein aber nicht mehr Argument genug.

Mölders ist als Kolumnist für den "Kicker" tätig, co-kommentiert vereinzelt Spiele für den Streamingdienst "DAZN". Als "Wampe von Giesing" hat er sich seinen eigenen Online-Shop aufgebaut. Zudem betreut er eine Jugendmannschaft seines Heimatvereins SV Mering.

Die Löwen-Verantwortlichen haben Mölders bereits mehrmals darum gebeten, einen Teil seiner Tätigkeiten ruhen zu lassen und sich mehr um seine Fitness zu kümmern. Doch inzwischen gilt der Stürmer intern als beratungsresistent. Ihn vorerst individuell trainieren zu lassen – man könnte es auch Suspendierung nennen – war die letzte Lösung.

Gorenzel sprach bei der Presserunde davon, dass das Gespräch zwischen Trainer Michael Köllner und Sascha Mölders "sehr emotional" abgelaufen sei. Der Übungsleiter aus der Oberpfalz habe seinem Kapitän nahegelegt, "dass er sich mit individuellen Programmen wieder in die Verfassung bringt, in der wir ihn brauchen", erzählte Gorenzel. Er selbst als sportlicher und Marc-Nicolai Pfeifer als kaufmännischer Geschäftsführer hätten ihm dann mitgeteilt, es "würde ihm gut zu Gesicht stehen – als Kapitän und Führungsspieler – seine Nebentätigkeiten niederzulegen".

Vorzüge belasteten das Betriebsklima

Doch auch Mölders’ Rolle innerhalb der Mannschaft geriet offenbar immer mehr zum Problem. Der von Fans als "Fußballgott" verehrte Stürmer habe sich immer mehr selbst in diesem Status gesehen. Trotz Formkrise anderen den Vortritt zu lassen, mal von der Bank zu kommen, kam für ihn nach PNP-Informationen nicht in Frage. In der Kabine stieß das Aushebeln des Leistungsprinzips gerade bei jüngeren Akteuren auf Unverständnis. Das Betriebsklima drohte zu vergiften.

"Sascha ist 36, manche sind 17. Dass gewisse Aussagen unterschiedlich bewertet werden, ist ganz normal", antwortete Gorenzel vielsagend, als er am Dienstag vom Bayerischen Rundfunk auf das Thema angesprochen wurde.

Mölders fasste die Konfrontation mit diesen Themen offenbar als Affront gegen sich auf, verließ das Trainingsgelände und stieß den Verein mit seinem Social-Media-Alleingang zusätzlich vor den Kopf. Seither herrscht Funkstille.

Sportchef Günther Gorenzel betonte, er stehe im Kontakt mit Mölders’ Berater. "Ich bin dabei, Lösungen zu suchen." Die Frage ist, ob alle Seiten an einer Lösung interessiert sind. Ob der emotionale Ruhrpottler sich noch einmal an einen Tisch mit Köllner, Gorenzel und Co. setzen wird, ist fraglich. Momentan ist eher das Gegenteil wahrscheinlich. Nach PNP-Informationen bereitet sein engstes familiäres Umfeld einen öffentlichen Gegenschlag vor.