Folgen der Corona-Krise
Ganze Sportarten hängen in der Schwebe: Athleten stehen vor existenziellen Problemen

16.03.2020 | Stand 16.03.2020, 14:38 Uhr

Thomas Röhler verließ etwas überstürzt das Trainingslager in der Türkei – allerdings ohne seine Wurfgeräte, die erst einmal in Belek blieben −Foto: Oliver Weiken/dpa

Keine Trainingsmöglichkeiten, keine Olympiaqualifikationen – und auch kein Geld? Die Corona-Pandemie stellt die deutschen Olympiahoffnungen zunehmend vor gravierende Probleme. Und über allem schwebt die alles entscheidende Frage: Finden die Sommerspiele in Tokio wirklich wie geplant statt? Denn eine mögliche Absage könnte für einige Athleten weitreichende finanzielle Folgen haben.

"Wie viele Freiberufler und Selbstständige können auch einige Sportler in existenzbedrohende Situationen kommen. Es fehlen Preisgelder als Einnahmequelle. Vereine und Sponsoren - meist kleinere und mittlere Betriebe -, die Sportler finanzieren, sind selbst in der Bredouille", sagte Max Hartung, Präsident der Vereinigung Athleten Deutschland, dem SID. "Die Sportler, mit denen ich gesprochen habe, haben Olympia noch nicht abgeschrieben, deshalb stehen mögliche finanzielle Auswirkungen noch nicht im Vordergrund. Sobald es bei ersten Sportlern aber finanzielle Engpässe gibt, wird sich das ändern."

Der zweimalige Fecht-Europameister hat selbst gerade erst die Qualifikation für die Olympischen Spiele geschafft, doch wann der Säbelfechter wieder wie gewohnt trainieren kann, ist ungewiss: Die Trainingshalle ist geschlossen. Ein Problem, das auch andere Sportler haben. "Ich bin momentan in einigen Gesprächen, was die Nutzung diverser Anlagen allein betrifft und hoffe, schnellstmöglich eine Lösung zu finden", sagte Deutschlands Sprintstar Gina Lückenkemper bei leichtathletik.de. Die EM-Zweite über 100 m hat zudem ein weiteres Problem: Wegen des Einreisestopps in die USA kann sie nicht mehr bei ihrem neuen Coach in Florida trainieren.

Keine Trainingsmöglichkeiten mehr

Schwimm-Weltmeister Florian Wellbrock hat unterdessen bei der Stadt Magdeburg einen Sonderantrag gestellt, mit seiner Trainingsgruppe die Elbschwimmhalle nutzen zu dürfen. "Es geht nicht einmal darum, ob Olympia stattfindet, sondern wie die Athleten dafür trainieren können", sagte die griechische Stabhochsprung-Olympiasiegerin Ekaterini Stefanidi - denn Athleten auf der ganzen Welt geht es ähnlich. Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler verließ etwas überstürzt das Trainingslager in der Türkei – allerdings ohne seine Wurfgeräte, die erst einmal in Belek blieben. Die sollten zwar bald nachkommen, doch Röhler macht sich keine Illusionen: "Wir dürfen nicht die Augen vor der Realität verschließen. Nicht nur wir Sportler werden uns auf weitere Einschränkungen gefasst machen müssen."

Ganze Sportarten hängen derzeit in der Schwebe. Die komplette Restsaison der Ruderer wurde beispielsweise abgesagt - inklusive der Olympiaqualifikation. Wie es weitergeht? Ungewiss. Genauso wie bei den Marathonläufern, die nach der Vielzahl von Rennabsagen derzeit keine Chance haben, die Normzeiten zu erfüllen. Die dreimalige Grand-Slam-Siegerin Angelique Kerber braucht eigentlich noch einen Einsatz im Fed Cup für ihr Ticket nach Tokio, doch das Finalturnier wurde in der vergangenen Woche gecancelt. Vor vier Jahren in Rio holte Kerber Silber. Die Handballer haben zumindest ein grobe Richtschnur. Ihr abgesagtes Qualiturnier soll im Juni nachgeholt werden. Dennoch befand Bundestrainer Alfred Gislason im NDR: "Es ist beruflich sehr eigenartig, wenn man nicht weiß, wann die nächsten Aufgaben kommen. Wir hängen alle in der Luft."

"Motivation und Moral sind weggebrochen"

IOC-Präsident Thomas Bach kündigte bereits an, bei der Qualifikation "flexibel" reagieren zu wollen. Am Dienstag soll es eine Telefonkonferenz des Internationalen Olympischen Komitees mit den Fachverbänden geben. Die Motivation bei einigen Sportler ist allerdings durch die vielen Wettkampfabsagen schon in Mitleidenschaft gezogen worden. "Motivation und Moral sind bei mir komplett weggebrochen, ich konnte in den vergangenen vier, fünf Tagen gar nicht trainieren", sagte Christopher Linke, WM-Vierter im Gehen: "Jetzt kommt es mir vor, als würden wir in eine ungewisse Zukunft reisen. Die Gefahr durch das Coronavirus ist mir bewusst, und trotzdem ist es für uns alle der absolute Ausnahmezustand."

− sid