Im Dauereinsatz fürs runde Leder: Fußball-Boss Haase treibt die Gewalt gegen Schiedsrichter um

15.06.2019 | Stand 15.06.2019, 6:00 Uhr

Energisch aber kein Lautsprecher: Harald Haase ist permanent im Dialog für "unseren geliebten Amateur-Fußball und für unsere Vereine in ganz Niederbayern". −Foto: Mike Sigl

Seit über einem Jahr steht der Zwieseler Harald Haase (46) an der Spitze des niederbayerischen Fußballs und gleich in seiner ersten Saison rollte der Ball nach den Vorgaben der Kreis-Reform. Doch die Folgen des neuen Systems bereiten dem niederbayerischen Fußball-Chef kaum ernste Sorgen, vielmehr treibt Haase die Gewalt gegen Schiedsrichter um. Ein Gespräch mit dem 46-Jährigen über die schönste Nebensache der Welt und deren Zukunft in Niederbayern.

Harald Haase, Vereinsdialog in Loiching, Organisationsgespräch zur Fußballiade – so richtig Fußball-frei war die erste Woche der vermeintlich Fußball-freien Zeit noch nicht so richtig für Sie…
Haase: Von einer Fußball-freien Zeit kann man mit Sicherheit nicht sprechen. Bekanntlich ist ja nach der Saison vor der Saison und hier liegt der Fokus dann schon wieder bei der Ligen-Einteilung, Toto-Pokal, Fußballiade in Landshut, Erdinger Meistercup usw. Auch haben wir in diesem Jahr sehr viele Vereinsjubiläen, wo ich als Bezirksvorsitzender gerne den BFV repräsentiere und den Jubel-Vereinen meine Wertschätzung ihrer Arbeit zurückgeben möchte.

Wann hat denn der Bezirksvorsitzende mal Fußball-frei?
Haase: So richtig "frei" hat man als Bezirksvorsitzender eigentlich das ganze Jahr über nicht. Doch gerade das macht es ja aus, Tag für Tag für unseren geliebten Amateur-Fußball und für unsere Vereine in ganz Niederbayern arbeiten zu dürfen und den geliebten Fußballsport, mit all’ seinen Problemen, die wir zweifelsohne haben, fit für die Zukunft zu machen.
Was war denn für Sie das Highlight der vergangenen Saison im niederbayerischen Fußball?
Haase: Das ist natürlich eine schwierige Frage, auf die man mehrere Antworten geben kann. Gerade die Relegation ist natürlich immer ein besonderes Highlight, zumal wir in diesem Jahr die Relegations-Auslosung live im TV bei DonauTV in Deggendorf präsentieren konnten. Für den Herrenfußball in Niederbayern hat es mich besonders gefreut, dass der TV Aiglsbach in der 95. Minute beim Rückspiel in Freilassing noch den Sprung in die Landesliga geschafft hat. Erfreulich waren aber auch der souveräne Ligenerhalt unseres niederbayerischen Aushängeschildes, des SV Schalding, in der Regionalliga und der "Last-Minute-Klassenerhalt" der Spvgg Hankofen-Hailing in der Bayernliga.
Und das, worauf Sie gern verzichtet hätten?
Haase: Verzichten hätte ich gern auf die teils übertriebenen und nicht nachvollziehbaren Übergriffe auf unsere Schiedsrichter. Wenn das Auto eines Schiedsrichters mut- und böswillig zerkratzt wird oder einem Schiedsrichter die Polizei zur Alkoholkontrolle in die Schiedsrichterkabine geschickt wird, dann fehlt mir jegliches Verständnis. Hier müssen wir in Zukunft gemeinschaftlich – sprich: Schiedsrichter, Vereine, Zuschauer und Verband – daran arbeiten, dass solche Vorfälle nicht mehr passieren.

Diskussionen gab es zu der Reform des Kinder-Fußballs, die ja vom BFV ausgeht: Spiel ohne Torwart, dafür Drei-gegen-drei auf vier Mini-Tore. Wie ist denn der Rücklauf von den niederbayerischen Vereinen?
Haase: Hier sprechen wir ja von der neuen Spielform Funinio, die vorangetrieben durch unseren neuen Verbands-Jugendleiter Florian Weißmann bayernweit im F-Jugendbereich als zusätzliches Angebot für die Vereine gemacht wird. Der Rücklauf hierzu ist in Niederbayern soweit ok, wenngleich ich mir persönlich etwas mehr erwartet habe. Dies liegt vermutlich daran, dass man etwas Neuem gegenüber zunächst etwas skeptisch gegenübersteht. Als Bayerischer Fußball-Verband sehen wir uns in der Verantwortung, neue Wege zu gehen. Funinio kann hier eine richtungsweisende Möglichkeit darstellen. Für mich persönlich geht der Konkurrenzkampf gerade bei unseren Kleinsten und Jüngsten viel zu früh los. Zu Beginn einer Fußball-Laufbahn sollte der Spaß viel stärker im Mittelpunkt stehen als der Blick auf die Tabelle. Es gibt mittlerweile sehr viele Spieler, die in der A-Jugend schon 1000 Spiele und mehr bestritten haben und sich dann vom Fußball abwenden, dem wollen wir dadurch auch entgegenwirken.

Im Junioren-Fußball sind heuer nicht mehr alle Kreisliga-Meister aufgestiegen – eine Folge der Kreis-Reform oder hat das andere Gründe?Haase: Dies ist ganz einfach erklärt: Wir haben in Niederbayern auch im Jugendbereich, so wie bei den Herren, pro Kreis zwei Kreisligen, um die Fahrtstrecken so kurz wie möglich zu halten. Laut Jugend-Spielordnung kann aus einem Kreis jedoch nur eine Mannschaft in die Bezirks-Oberliga aufsteigen. Daher spielen im Jugendbereich die beiden Meister der Kreisligen nach Abschluss der Saison den sogenannten Kreismeister aus und dieser steigt dann in die Bezirks-Oberliga auf.

Auf zurückliegenden Tagungen haben Spielleiter angedeutet, dass ein Playoff-Modus im Fußball, sowohl bei Erwachsenen als auch im Nachwuchs, eine Option für die Zukunft sein könnte. Wie waren die Reaktionen der Vereine darauf und ist dieser veränderte Modus realistisch?
Haase: In den vergangenen Monaten erhielten wir von Vereinsseite hin und wieder die Anregung, dass wir uns über eine Attraktivitätssteigerung unseres Amateurfußballs Gedanken machen sollen. Nach reiflicher Überlegung kam man zu dem Ergebnis, dass dies am besten mit einer Veränderung des Modi möglich wäre. Deshalb haben wir im Rahmen der Herren-Tagungen einen Play-off-Modus in der Frühjahrsrunde zur Diskussion gestellt. Dies war für alle Teilnehmer relativ überraschend, da sie sich selbst noch keine Gedanken hierüber gemacht hatten. Die erste Reaktion der überwiegenden Mehrheit war erst einmal ablehnend. Die Gründe liegen darin, dass man so einen Modus noch nie gespielt habe und dass die Zuschauerzahlen und somit die Attraktivität aufgrund der Neuzusammenstellung der Ligen in der abgelaufenen Saison gestiegen waren. Somit bestünde diese Notwendigkeit aktuell nicht. Es gab jedoch auch einige Stimmen, die solch’ eine Veränderung mittelfristig notwendig sehen. Im Laufe der Diskussion kamen auch die Optionen einer Meisterrunde und einer Abstiegsrunde zur Sprache. Abschließend kam man zur Erkenntnis, dass ein neuer Modus aktuell nicht notwendig sei, aber mittelfristig wieder zur Sprache kommen soll. Die Teilnehmer wurden aufgefordert, sich selbst auch Gedanken über diese Thematik zu machen. Vielleicht findet einer der Vereinsverantwortlichen die goldene Lösung.

Bei der Jugend gab es eine Online-Umfrage der Vereine zu einem neuen Aufstiegsmodus für die C- bis A-Jugend im Kreis Niederbayern West. Diese läuft aktuell noch. Derzeit sprechen sich rund 70 Prozent für den neuen Modus aus, der in der Saison 2020/2021 eingeführt werden soll. Hierbei wird in den Kreisligen und in regionalen Gruppen eine Art Qualifikationsrunde gespielt. Auf den drei regionalen Sommer-Tagungen Ende Juli stimmen die Vereine dann endgültig über den neuen Modus ab. Hier wollen wir nichts ohne eine große Mehrheit der Vereine beschließen oder bestimmen.

Mit der beschlossenen Verlängerung der kommenden Saison hat der Verband Spielraum geschaffen für Spielverlegungen. Weitere Verlängerungen würden noch mehr Spielraum schaffen. Am Ende könnte eine, schon oft geforderte, Saison stehen, die erst im Juni oder gar Juli endet und sich die schönste Jahreszeit zu Nutze macht. Ist daran gedacht?
Haase: Dies ist natürlich ein schwieriges Thema. Mit dem Saisonende Mitte Mai sind wir auch nicht gerade glücklich. Man muss bei dieser Problemstellung jedoch beachten, dass hier die Abhängigkeit zu den Profi-Ligen mit ausschlaggebend ist – und hier legt die DFL das Saisonende nun einmal fest. Gerade mit der neuen Spielzeit 2019/2020 ist es gelungen, das Saisonende im Mai um eine Woche zu verlängern, was für alle Beteiligten eine gewisse Entspannung verursacht. Die andere Möglichkeit wäre, die Relegation zum Bezirk und in den Kreisen von den Verbandsligen abzukoppeln. Dies hätte jedoch zu Folge, dass Vereine eine oder zwei Wochen Pause hätten, bis die Relegation starten könnte. Hier sind wir der Meinung, dass dies eher zu einer kontraproduktiven Lösung des Problems beiträgt. Ich bin davon überzeugt, dass es auf Dauer gesehen schwer sein wird, hier eine Lösung zu finden, die allen Beteiligten gerecht wird. Fairerweise muss aber in dieser Diskussion bedacht werden, dass pro Liga höchstens drei Mannschaften von der Relegation betroffen sind.
Eine bemerkenswerte Aktion war die Spende aus der Sozialstiftung an Schiedsrichter Christoph Gastinger, dessen Auto bei einem Einsatz zerkratzt wurde. Was bezweckt der Verband mit dieser Art von öffentlicher Scheck-Übergabe?
Haase: Grundsätzlich finde ich die Einrichtung der BFV-Sozialstiftung eine hervorragende Sache. Ein wichtiges Anliegen der BFV-Sozialstiftung ist die Unterstützung der Fußballfamilie im Bereich des Sports und vor allem in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Integration. Dies ist aller Ehren wert. Wenn man bedenkt, welche Summen nach der Hochwasserkatastrophe 2013 gerade nach Niederbayern geflossen sind und Vereinen finanziell unter die Arme gegriffen wurde, die fast vor dem Nichts standen, so denke ich, brauchen wir hier nicht weiter zu diskutieren. Zum konkreten Fall des Schiedsrichter Gastingers kann ich persönlich nur anmerken, dass ich dies total unterstützt habe und den Scheck als sinnvoll investiertes Geld sehe. Ein Schiedsrichter, der wie alle im Amateurfußball ehrenamtlich seinem Hobby nachgeht, darf nicht durch eine hirnlose Aktion noch persönlich zur Kasse gebeten werden. Hier werbe ich auch um ein gewisses Verständnis. Der Weg, sich an die Sozialstiftung zu wenden, steht jedem Verein und jedem Fußballer in ganz Bayern offen, wenn er unverschuldet in eine Notlage geraten ist. Dann ist es unsere Pflicht und Aufgabe zu helfen, wenngleich man oft durch eine monetäre Zuwendung bestimmtes Leid nur etwas mildern kann. Und nach dem Motto: Tue Gutes und rede auch darüber, gehen wir bewusst auch den Weg über die Medien und die Öffentlichkeit.
Worauf freuen Sie sich an den wenigen Tagen ohne Fußball am meisten?
Haase: Wie eingangs schon erwähnt, bleiben nicht viele Fußballfreie Tage. Doch an Tagen, an denen der Fußball nicht die schönste Nebensache der Welt für mich ist, freue ich mich natürlich auf die gemeinsamen Stunden mit meiner Familie und meinen Freunden. Wenn Zeit bleibt, dann gehe ich auch gerne meinen beiden großen Hobbys Tennis und Tauchen nach. Ich freue mich aber schon wieder auf die Zeit, wenn das runde Leder wieder rollt und die Vereine von den A-Klassen bis zur Bezirksliga wieder um Tore und Punkte kämpfen.
Das Gespräch führte Martin Freund.