Keine Ruhe in München
Nagelsmann sieht sich nicht als Zündler – und richtet klare Worte Richtung Manuel Neuer

06.02.2023 | Stand 17.09.2023, 3:46 Uhr

Julian Nagelsmann. −Foto: dpa

Warm eingepackt mit Wollmütze und Handschuhen stand Julian Nagelsmann am Morgen nach dem „ganz wichtigen Sieg“ beim VfL Wolfsburg gleich wieder in München auf dem Fußballplatz und beobachtete entspannt das Training der Ersatzspieler – und die Fortschritte bei der Comeback-Arbeit von Stürmerstar Sadio Mané. Das anfangs meisterliche, später wilde und zeitweise sogar noch wacklige 4:2 (3:1) am Sonntagabend führte zu etwas Lage-Beruhigung beim FC Bayern München nach dem Wochenend-Wirbel um Manuel Neuer.

In der Wolfsburger Arena war natürlich auch Nagelsmann der Causa Neuer nicht entkommen, weder vor noch nach dem Spiel. Zumal das bestenfalls professionelle Verhältnis zwischen Trainer und Kapitän medial in den Fokus rückt. „Von 17 Fragen muss ich 16 zu diesem Thema beantworten“, meinte der Trainer des FC Bayern angefressen und schmallippig. Neuers krasse Verbal-Reaktion auf die von Nagelsmann betriebene Trennung von Torwarttrainer Toni Tapalovic erhöht den Druck auf den Chefcoach. Dessen wirkungsvollste Antwort bleiben weiterhin Siege. Die beendete Remis-Serie in der Bundesliga führte dazu, dass die Bayern weiter als Liga-Primus grüßen.

„Ich hätte das Interview nicht gegeben“

Wie zuvor Vorstandschef Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic missbilligte auch Nagelsmann den von Neuer gewählten Weg in die Öffentlichkeit. „Ich hätte das Interview nicht gegeben“, sagte der Trainer. Er zeigte Verständnis, dass die Tapalovic-Trennung Neuer „verletzt“ habe. Nagelsmann verteidigte sie aber als normalen Prozess im Arbeitsleben: „Du bist als Führungsperson in einem Verein auch manchmal beauftragt, Entscheidungen zu treffen, nicht aus persönlichen Befindlichkeiten, sondern im Sinne der Sache.“

Neuer sei sie sowohl in größerer Runde als auch von ihm „in einem extrem ehrlichen Vier-Augen-Gespräch“ erklärt worden. „Ich bin nicht an die Öffentlichkeit gegangen“, betonte Nagelsmann. Gegenüber Neuer sehe er „nicht, dass ich in einer Bringschuld bin“. Ob Neuer sein Kapitän bleibe, beantwortete er nicht: „Ich weiß, dass das eine spannende Frage ist.“

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Nagelsmann sieht sich in unruhigen Bayern-Wochen nicht als Zündler. Er braucht Ruhe vor ganz wichtigen Saisonwochen, die auch über seinen Trainer-Status in München entscheiden werden. „Ich zünde nix an“, beteuerte er in Wolfsburg. Neuers öffentlicher Aufschrei ist für den 35-Jährigen darum auch „nicht zuträglich für den Club gewesen, was Ruhe angeht“.

Speziell die Wortwahl Neuers, der von einem „rausgerissenen Herzen“ sprach, halten nicht wenige im Dunstkreis der Säbener Straße für komplett überzogen. Auch Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus äußerte sich in seiner Sky-Kolumne in diese Richtung: „Es ist niemand gestorben, es ist kein Kind schwer krank. Es ist die Trennung eines Mitarbeiters, dem er sehr nahe stand.“

Neuer denkt offenbar nicht an Abschied



Nagelsmann ist es offenbar nicht gelungen, dem Weltmeister von 2014 diese Personalentscheidung des Vereins plausibel zu erklären. Der 35-Jährige bestätigte ein „extrem offenes Gespräch“ mit Neuer vor dem Interview, machte aber für die nahe Zukunft auch sehr deutlich: „Meine Tür ist immer offen, ich bin ein Freund von Harmonie. Jetzt sind andere in der Bringschuld.“

Neuer selbst denkt offenbar nicht an einen vorzeitigen Abschied. Das berichtete der kicker am Montag. Demnach wolle der 36-Jährige seinen bis 2024 laufenden Vertrag erfüllen. Neuer werde sich nach der Genesung von seinem Beinbruch dem Konkurrenzkampf stellen, heißt es - notfalls gegen Yann Sommer und den möglichen Rückkehrer Alexander Nübel, der aktuell an Monaco verliehen ist.

Die Bosse kündigten interne Gespräche mit Neuer an. Möglich scheint eine Geldstrafe oder auch, dass er das Kapitänsamt abgeben muss. Was meint Nagelsmann? „Ich habe schon oft betont: Er ist der beste Torwart der Welt“, sagte er: „Ich hoffe, dass er gesund zurückkommt, alles andere ist Zukunftsmusik.“

Müller gelassen: „Gut,wenn sich was rührt“

Immerhin gelang es Trainer und Spielern in Wolfsburg, den Fokus während der 90 Minuten auf den Fußball zu richten. „Der Sieg steht über allem, mit allem, was so war und ist“, sagte Nagelsmann erleichtert. Es sei gelungen, „unsere Arbeit zu machen auf dem Platz“, betonte Leon Goretzka am Vorabend seines 28. Geburtstages am Montag. „Am Ende des Tages müssen wir uns auf das Sportliche konzentrieren“, äußerte auch Joshua Kimmich.

„Ich finde es immer gut, wenn sich um den FC Bayern etwas rührt“, sagte Thomas Müller in typischer Thomas-Müller-Art. Der Ur-Bayer kennt Unruhe beim Rekordmeister seit mehr als einem Jahrzehnt. Aber selbst für den 33-Jährigen war „der Jahresstart bei den Themen, die nicht das Sportliche betreffen, schon ein bisschen zu viel“. Entscheidend ist für Müller der Umgang des Teams damit. „Man hat gesehen, dass uns das als Fußball-Mannschaft nicht beeinflussen darf und nicht beeinflusst.“