Vor dem Ligastart
„Die Regeln sind nicht so einfach“: Die Schiedsrichter rechnen wieder mit Ärger

04.08.2022 | Stand 04.08.2022, 18:14 Uhr

Der deutsche Vorzeigeschiedsrichter Felix Brych geht in seine wahrscheinlich letzte Bundesliga-Spielzeit. −Foto: Imago Images

Die Schiris haben in ihrer Vorbereitung ähnlich viel geschwitzt wie die Profis. Zwei praktische und zwei theoretische Einheiten standen beim knapp einwöchigen Trainingslager in Herzogenaurach täglich auf dem Programm. Doch trotz der ganzen Schufterei wissen die Unparteiischen schon vor dem Start der Fußball-Bundesliga, dass es auch in der bevorstehenden Saison wieder Ärger geben wird.

„Die allgemeine Sehnsucht nach Schwarz-Weiß-Szenen werden wir nie erfüllen können“, sagte Videoschiedsrichter-Chef Jochen Drees mit Blick auf die unvermeidlich erscheinenden Diskussionen der kommenden Monate: „Die Regeln sind nicht so einfach, wie wir sie haben wollen. In den Details ist es eben doch komplex und kompliziert.“

Die beim Workshop in Frankfurt/Main besprochenen Szenen lassen keinen Zweifel daran, dass vor allem die Auslegungen und Ermessensspielräume bei der Handelfmeter-Frage erneut für zahlreiche Debatten sorgen werden - obwohl die Schiedsrichter noch bis Ende August zu den Klubs tingeln, um allen Beteiligten die Regeln genau zu erklären.

Bei den bereits durchgeführten Schulungen erfuhren die Profis, was ihnen zukünftig blüht. Die wesentlichste Neuerung ist, dass es bei groben Fouls härtere Strafen geben soll. Mehr Platzverweise sind programmiert. „Das liegt aber nicht am Schiedsrichter, sondern am Verhalten der Spieler“, äußerte Peter Sippel, der sportliche Leiter der Bundesliga-Referees: „Grundsätzlich kennen die Spieler überwiegend ihren Grenzen. Wir hatten in der vergangenen Saison die wenigsten Roten Karten in Europa.“

„Nur“ gelb droht den Profis bei Spielverzögerungen - aber auch diese Farbe werden die Spieler aufgrund einer konsequenteren Regelauslegung wohl häufiger sehen. Das gilt ebenfalls bei zu heftigem Reklamieren oder übermäßigen Emotions-Ausbrüchen an der Seitenlinie - beides soll von den 24 vorgesehenen Erstliga-Referees strenger geahndet werden.

Wer als Folge des Trubels rund um die Schiedsrichter-Leistungen bei den Partien zwischen Bayern München und Borussia Dortmund in der vergangenen Spielzeit zukünftig bei Topspielen eingesetzt wird, steht dagegen noch nicht endgültig fest. „Das kommt auch auf die Entwicklung in der Saison an“, sagte Sippel, dessen Vorzeige-Schützlinge Felix Brych in seine mutmaßlich letzte Saison geht: „Der Kreis der Topspiel-Schiedsrichter wird sich erweitern mit denen, die sich bewährt haben.“

Bewähren würde sich nach Ansicht der Schiedsrichter auch, wenn die Fans in den Stadien bei den VAR-Entscheidungen dieselben Bilder wie die TV-Zuschauer zu sehen bekämen. „Diesen Wunsch haben wir seit zwei, drei Jahren hinterlegt. Ich hoffe, da kommt jetzt Zug rein“, äußerte Drees, der Druck auf die Klubs und die Deutsche Fußball Liga (DFL) macht: „Die visuelle Info ist die entscheidende.“

Auf zusätzliche visuelle Hilfe werden die Unparteiischen vielleicht schon in der übernächsten Spielzeit zurückgreifen können. Die vom Weltverband FIFA für die WM-Endrunde in Katar beschlossene Einführung der halbautomatischen Abseitserkennung wird mittelfristig auch in der Bundesliga zum Einsatz kommen.

„Wenn die Technik einwandfrei funktioniert, glaube ich nicht, dass man sich ihr verschließen kann“, sagte Drees. Als Zeitpunkt einer möglichen Einführung nannte Drees die Saison 2023/24, „vielleicht auch einen Tick später, denn es ist auch eine Kostenfrage“.

− sid