Bayern feiert seinen Neuzugang
Brazzo und der Cancelo-Coup: Wie aus dem Buhmann der Transferkönig wurde

02.02.2023 | Stand 17.09.2023, 4:05 Uhr

Hasan Salihamidzic und Joao Cancelo. −Foto: dpa

Hasan Salihamidzic war sichtbar geschmeichelt, als er auf sein gestiegenes Ansehen angesprochen wurde. „Ich bin sehr glücklich, dass die Meinung so ist“, sagte der Sportvorstand des FC Bayern mit einem Lächeln – und seinem neuesten Coup Joao Cancelo an der Seite.

Längst hat sich die Stimmung in München gedreht. War Salihamidzic in den ersten Jahren als Sportdirektor und Nachfolger von Matthias Sammer noch kritisiert und angefeindet, ja sogar bedroht worden, wird er inzwischen für seine (Transfer-)Politik gefeiert. Doch dies, versicherte er am Dienstag brav, sei natürlich „nicht alleine mein Verdienst, wir haben ein richtig gutes Team“.

Seit 2017 steht Salihamidzic in der Verantwortung. Und seitdem geht er trotz aller Widerstände unbeirrt seinen Weg. „Gegenwind musst du beim FC Bayern aushalten können“, sagte der 46-Jährige zuletzt. Man dürfe „keine Angst davor haben, Entscheidungen zu treffen“. Man müsse dabei aber unbedingt darauf achten, „Fehler kein zweites Mal zu machen“.

Und Fehler machte Salihamidzic zunächst genug. Ob Fiete Arp, Michael Cuisance, Marc Roca, Alvaro Odriozola oder aktuell noch Bouna Sarr - sie alle entpuppten sich als Flops. Zudem tat er sich im Machtgerangel zwischen den Vereinspatronen Uli Hoeneß, der als sein Mentor gilt, und Karl-Heinz Rummenigge lange Zeit sehr schwer, „meinen Platz zu finden“. Er habe „Fehler gemacht“ und sich „hier und da die Finger verbrannt“, hatte Salihamidzic im SZ-Gespräch eingeräumt.

Doch inzwischen merke er, „wie sich der Respekt mir gegenüber verändert“. Salihamidzic gilt plötzlich gar als Transferkönig, nachdem er Stars wie Sadio Mane oder Matthijs de Ligt zum Rekordmeister holen konnte.

Auch zuvor wenig bekannte Profis wie Alphonso Davies, Mathys Tel oder Noussair Mazraoui werden Salihamidzic zugerechnet. Im August hatte der FC Bayern ihn deshalb mit einem neuen Vertrag bis 2026 belohnt. In diesem Winter schloss „Brazzo“ die entstandenen Kaderlücken geschickt mit Cancelo, Yann Sommer und Daley Blind.

Salihamidzic, in dessen Amtszeit bisher fünf Meisterschaften, zwei Pokalsiege sowie jeweils ein Champions-League- und ein Weltpokal-Triumph fallen, leiste „hervorragende Arbeit“, lobte Kahn: „Er geht unbeirrt seinen Weg.“

Mit glänzendem Cancelo gegen das Krisengerede

Auch auf dem Platz scheint der FCB wieder auf dem richtigen Weg. Die strauchelnden Stars entdeckten beim Pokalsieg in Mainz ihr „Mia san mia“ wieder und es machten sich fast schon vergessene Glücksgefühle breit. Endlich habe er in den „Gesichtern in der Kabine mal wieder ein Lachen gesehen“, schwärmte Thomas Müller, das Warten auf den ersten Sieg des Jahres muss sich schließlich wie eine Ewigkeit angefühlt haben. Man habe danach „gelechzt“.

Sei es der neue „Flankengott“ Joao Cancelo, die Umstellung auf Dreierkette oder die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor - die Bayern lieferten eine überzeugende Antwort auf das jüngste Krisengerede. Doch taugt der Befreiungsschlag auch als Startschuss für eine neue Erfolgsserie?

Das wäre „super“, betonte Müller nach dem 4:0 (3:0) beim FSV Mainz 05, denn die Münchner seien in der Liga „absolut in der Bringschuld“. Klar sei auch, dass man sich „nicht von einem guten Ergebnis gleich wieder in die Gemütlichkeit singen lassen“ dürfe.

Doch das Selbstverständnis scheint durch den Viertelfinaleinzug im DFB-Pokal zurück – auch dank Cancelo. „Ich hoffe und gehe davon aus, dass wir noch sehr viel Spaß mit ihm haben werden“, sagte Joshua Kimmich über den neuen Portugiesen, der nur etwas mehr als eine Viertelstunde zur Eingewöhnung benötigte. Seine traumhafte Flanke zum 1:0? Gut, aber wie Eric Maxim Choupo-Moting sie vollendet habe, „war nochmal besser“, meinte der Vorlagengeber bescheiden.

Cancelo, den die Bayern wenige Stunden vor Transferschluss von Manchester City ausgeliehen hatten, überzeugte umgehend, mit Läufen in die Tiefe, Ruhe am Ball und messerscharfen Flanken. Selbst Präsident Herbert Hainer schwärmte, Cancelo werde den Bayern „echt guttun“. Insgesamt habe er aber bei der ganzen Mannschaft wieder diese „Begeisterung und Gier“ gespürt.

Auch Vorstandschef Oliver Kahn freute sich, „dass die Mannschaft erstmals in diesem Jahr ihr wahres Gesicht gezeigt hat“. Müller sprach von einem „wichtigen Schritt“. Einer, der für die Zukunft allerdings erst einmal nichts bedeute - auch nicht für die Partie am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) beim formstarken VfL Wolfsburg. „Wenn du als FC Bayern dreimal in Folge nur Unentschieden spielst, ist die Welt nicht in Ordnung“, gab der Routinier zu.

Denn der Vorsprung an der Tabellenspitze schrumpft, einen weiteren Patzer können sich die Münchner in der Bundesliga kaum erlauben. Dass der neue Schwung des Teams von Julian Nagelsmann schnell wieder verpuffen könnte, daran glaubt aber ohnehin fast niemand.

Die Mannschaft wisse, was notwendig sei, „um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden“, meinte der Bayern-Coach, auf den zuletzt ebenfalls Kritik eingeprasselt war - er ergänzte fast schon trotzig, es müsse „von extern keiner etwas labern“. Von einer Krise wollte der 35-Jährige nicht sprechen, das Wort finde er „hart“. Er selbst habe sich „angewöhnt, seit einigen Wochen nichts mehr zu lesen“.

Die Antwort gaben ohnehin Choupo-Moting (17.), Jamal Musiala (30.), Leroy Sane (44.) und Alphonso Davies (83.) mit ihren Treffern. Nun müsse der Rekordmeister auch die Unentschieden in der Liga abstellen, „weil sonst der Vorsprung weg ist“, forderte Nagelsmann - der Blick richtet sich nach vorne. „Wir können einen Tag vielleicht auch mal die leichte Euphorie genießen“, meinte Müller, „aber dann geht der Alltag weiter“.