Regel spaltet nach wie vor
Ein halbes Jahr Amateurfußball mit der Zeitstrafe – eine Zwischenbilanz

28.11.2022 | Stand 19.09.2023, 3:21 Uhr

Zehn Minuten müssen Spieler das Spielfeld verlassen, wenn sie – wie hier durch Schiedsrichter Felix Kainz aus Niederalteich – mit einer Zeitstrafe bedacht werden. −Foto: Michael Sigl

Seit Saisonbeginn gibt es im bayerischen Amateurfußball die Zeitstrafe wieder. Sie soll Schiedsrichter unterstützen und den Sport fairer machen. Geht der Plan auf? Die Heimatzeitung hat bei Unparteiischen und Spielern nachgefragt.

Zur Erinnerung: Der Startschuss fiel zu Beginn der laufenden Saison 2022/23. Bis zur Landesliga sollten Unparteiische mit der Zehn-Minuten-Zeitstrafe ein neues Instrument erhalten, das hilft, jede Szene so gerecht wie möglich ahnden zu können. War ein Vergehen „zu hart“ für Gelb, aber „zu wenig“ für Rot, ist die Zeitstrafe die richtige Wahl. So bringt es Bezirksschiedsrichterobmann Robert Fischer im Gespräch mit der PNP auf den Punkt. „Ich sehe die Zeitstrafe als ideale Zwischenlösung für die Schiedsrichter. Sie können dadurch gerechter urteilen“, sagt Fischer. Und verweist auf einen weiteren Gedanken: Gegen Spielende nähmen Unsportlichkeiten gegenüber den Referees zu. Mit der Zeitstrafe könnten diese eingedämmt werden: „Ein Spieler, der noch keine Karte hat, überlegt es sich dann zweimal, ob er sich eine unsportliche Bemerkung erlauben kann“, ist Fischer überzeugt.

Gerade in den ersten Wochen sei die Auslegung unter den Schiedsrichtern nicht klar und einheitlich gewesen, gibt Fischer zu. Doch inzwischen habe der BFV genug Videos und Informationen zu Referenzfällen an die Referees verteilt, so dass die Urteilsfindung einfacher geworden sei. „Meine Zwischenbilanz fällt positiv aus“, betont Fischer, der die Zeitstrafe als Bereicherung sieht.

Alex Geiger hält die Zeitstrafe für überflüssig

Alexander Geiger ist anderer Meinung. Der Spielertrainer des Landesligisten FC Sturm Hauzenberg erinnert sich an die Einführung: „Damals haben wir die Hände über den Kopf geschlagen.“ An seiner Einstellung hat sich bis heute nichts geändert. Geiger hält die Zeitstrafe für überflüssig, sie mache das Spiel nicht gerechter, sondern komplizierter. „Man lädt noch mehr Verantwortung auf die Schiedsrichter ab. Sie bekommen ein weiteres Strafmittel, das jeder unterschiedlich auslegt.“ Dabei wäre es für Spieler und Trainer wichtig, dass Schiedsrichter eine klare Linie verfolgen. „Wenn ein Referee eine klare Linie durchzieht, kann man sich als Spieler darauf einstellen. Das macht das Spiel meistens ansehnlicher und flüssiger.“ Mit der Zeitstrafe sei das Reglement undurchsichtiger geworden.

Geiger macht ausdrücklich nicht den Schiedsrichtern einen Vorwurf, er sieht das Problem beim Verband. Die Notwendigkeit der Zeitstrafe müsse überdacht werden. Viele Trainerkollegen und sogar Schiedsrichter sehen die Maßnahme ebenfalls kritisch, weiß Geiger.

Schiedsrichter Kilger wünscht sich Anpassungen

Nikola Vasic gehört nicht dazu. „Ich finde es gut, dass es eine Stufe zwischen Gelb und Rot gibt“, sagt der Spielertrainer der DJK Eber-hardsberg. Seine Mannschaft hat in der Kreisliga Passau die meisten Zeitstrafen kassiert (fünf). Vasic nennt ein Beispiel: „Wenn ein Spieler nach 15 Minuten ein gröberes Foul begeht, fliegt er nicht gleich vom Platz. Das Spiel wird also nicht kaputt gemacht und der Spieler ist trotzdem gewarnt.“ Auch in hitzigen Schlussphasen hätten sich die Zeitstrafen bewährt: „Dann sendet der Schiedsrichter ein klares Zeichen, die Gemüter beruhigen sich. Bei einer roten Karte kann die Stimmung kippen“, meint Vasic.

Ein geteiltes Urteil fällt Fabian Kilger. Der stellvertretende Obmann der Schiedsrichtergruppe Wolfstein und Spielleiter bis in die Bayernliga begrüßt die Grundidee – doch er wünscht sich Anpassungen. Zum einen sollte die Regel über die Landesliga hinaus in allen bayerischen Ligen gelten, fordert Kilger. Zum anderen sieht der erfahrene Schiedsrichter ein Problem im Regelwerk. Das sieht vor, dass ein bereits verwarnter Spieler für ein weiteres Vergehen eine Zeitstrafe kassieren kann, bevor er schlussendlich mit Gelb-Rot vom Platz fliegt – nach dem dritten härteren Vergehen also. „Diese ‚extra‘ Möglichkeit sollten die Spieler eigentlich nicht bekommen“, moniert Kilger. Er hofft, dass die Zeitstrafe ihren Feinschliff erhält.


Der Artikel ist am Samstag, 26. November, im Heimatsport erschienen. Die Folgen der Zeitstrafe am konkreten Beispiel Kreisliga Passau lesen Sie hier als registrierter Abonnent.