Miroslav Klose über Talentförderung: Einige Nachwuchstrainer sind das Problem

15.10.2019 | Stand 15.10.2019, 12:00 Uhr

Miroslav Klose. −Foto: dpa

Der frühere Weltklasse-Stürmer Miroslav Klose sieht das persönliche Erfolgsstreben einiger Nachwuchstrainer als Problem in der deutschen Talentförderung an. "Ich habe das Gefühl, dass viele Jugendtrainer selbst nach oben in den Profifußball streben, weil sie wissen, dass sie dort mehr Geld verdienen können", sagte der Trainer der U17-Junioren des FC Bayern München im Interview der Deutschen Presse-Agentur. "Wie gesagt: Das ist nur ein Gefühl. Aber wer im Jugendbereich Titel holt, empfiehlt sich natürlich auch für Höheres."

Für den 41-Jährigen hängt die Talentförderung maßgeblich von der Qualität und der Einstellung der Nachwuchstrainer ab. "Wir brauchen qualitativ hochwertige Jugendtrainer", sagte Klose. Die Talente seien da, aber es gebe Trainer, die zu ergebnisorientiert denken.

Klose arbeitet seit 2018 als Jugendcoach bei den Bayern. Im nächsten Jahr möchte er den Fußball-Lehrer-Schein machen. Ob er anschließend auch mal in der Bundesliga arbeiten möchte, weiß der WM-Rekordtorschütze noch nicht: "Wenn ich den Fußball-Lehrer mache, muss das in gewisser Weise mein Ziel sein. Aber ich bin noch total zufrieden und glücklich mit meiner Jugendmannschaft."

Klose sprach auch über weitere Themen.

Sie haben als Zimmermann gearbeitet, in der Bezirksliga gespielt, und erst mit 22 die ersten Bundesliga-Spiele gemacht. Wieso war diese Laufbahn möglich?
Klose: Es gab damals ja noch nicht diese ganzen Nachwuchsleistungszentren. Außerdem musste ich noch einen Beruf erlernen, weil meine Eltern gesagt hatten, dass ich vorher nicht auf die Profifußball-Karte setzen darf. Irgendwann spielte ich dann in den zweiten Mannschaften von Homburg und Kaiserslautern und habe gemerkt, dass der Schritt nicht mehr so groß ist. Ich habe mich schon früh wie ein Profi ernährt und verhalten, aber da hat es mich dann richtig gepackt. Und ich hatte, Gott sei Dank, Trainer, die auf meinen Spielstil standen.

Glauben Sie, dass eine solche Karriere heutzutage auch noch möglich wäre?
Klose: Ich kann es mir nicht vorstellen. Mittlerweile sind so viele Scouts unterwegs. Ich glaube nicht, dass hochtalentierte Spieler noch durchs Raster fallen. Aber es ist natürlich nach wie vor möglich, dass sich viele erst spät entwickeln, mit 16 oder 17.

Wenn man sich Ihre Biografie durchliest, entsteht schnell der Eindruck, dass Sie immer ein Lernender geblieben sind.
Klose: Ja, das ist eine Charaktereigenschaft von mir, dass ich immer dazu lernen möchte, und dass ich mir Dinge selbst beibringen konnte. Das war früher schon beim Klavierspielen meiner Schwester so. Ich stand daneben, habe ihr auf die Finger geschaut, und danach konnte ich schon ein bisschen selbst spielen. So war das auch beim Tennisspielen oder beim Golf. Mich hat das immer fasziniert, Dinge von anderen abzuschauen. Nur an der Torschusstechnik von Olaf Marschall bin ich verzweifelt, so sehr ich auch geübt habe (lacht).

Das mit dem ständigen Lernen passt ja auch zu Ihrer Trainerlaufbahn.
Klose: Stimmt. Es wäre zwar ohnehin nicht gegangen, direkt den Fußball-Lehrer-Schein zu machen. Aber in meinem Fall hätte man es natürlich schneller machen können. Aber man muss diesen Job erlernen. Ich wusste nach meiner Fußballkarriere recht schnell, dass ich meine Trainerscheine machen will. Jetzt fehlt mir nur noch der große Schein, also die Fußball-Lehrer-Lizenz, die ich wahrscheinlich nächstes Jahr angehen möchte.

Sie waren ein sehr spezieller Stürmertyp: kopfballstark, antrittsschnell, torgefährlich. Waren Sie einzigartig?
Klose: Einzigartig halte ich für übertrieben. Ich würde sagen, dass Schnelligkeit und Kopfballspiel meine Stärken waren. Alles andere habe ich erlernt. Als ich 2004 von Kaiserslautern nach Bremen gewechselt bin, musste ich das Spielerische neu lernen, diesen offensiven Pressing-Fußball von Thomas Schaaf. Das hat mich so fasziniert und geprägt, dass ich dort mehr oder weniger zum kompletten Stürmer gereift bin, weil ich diesen Fußball aus Kaiserslautern nicht kannte. Jede meiner Stationen war speziell, aber Bremen war extrem. Das waren drei Jahre, wo ich viel gelernt habe.

Wie viel bei Ihnen war Talent, und wie viel war Wille?
Klose: Fünfzig-Fünfzig, würde ich sagen. Schnelligkeit und Sprungkraft habe ich von meinen Eltern vererbt bekommen. Das andere war die Einstellung, die Bereitschaft. Ich habe dem Fußball früh alles untergeordnet, bin nicht in die Disco gegangen, sondern habe jedem gesagt: Ich will Fußballprofi werden. Einige haben mich dafür belächelt. Wenn ich jetzt noch mal 17 wäre, dann gehe ich davon aus, dass ich es wieder schaffen würde. Weil ich diese Einstellung habe, diesen unbändigen Willen, das ist irgendwie in mir drin.

Fehlt das vielen Spielern heutzutage? Oder warum gibt es in Deutschland keinen zweiten Klose?
Klose: Ich bin ja jetzt Jugendtrainer. Darum poche ich darauf, dass die Jungs komplett ausgebildet werden. Weil ich ja weiß, dass wir die Früchte davon fünf, sechs oder sieben Jahre später ernten können. Ich will aber jetzt auch nicht alles schwarzmalen. Es ist ja in Deutschland nicht so, dass gar keine Talente nachkommen. Wenn ich mir Spiele der Nationalmannschaft anschaue, macht es einfach Spaß, Spieler wie Joshua Kimmich oder Serge Gnabry zu sehen. Damit wir auch künftig solche Leute haben, brauchen wir gute Jugendtrainer.