Mit 27 Jahren will er es noch einmal wissen. Raus aus der fußballerischen Komfortzone, raus aus dem gewohnten Umfeld. Sieben Jahre lang spielt Benjamin Schlettwagner beim ASCK Simbach, Bezirksliga, es macht Spaß, die Teamkollegen sind super. Doch nun sehnt er sich nach einer neuen Herausforderung, den Reiz, sich noch einmal neu beweisen zu müssen.
„Ich war im besten Fußballeralter und wollte einfach nochmal höherklassig angreifen“, erinnert sich Schlettwagner. Der SV Erlbach, gerade in die Bayernliga aufgestiegen, hat angeklopft. Zweieinhalb Jahre ist dies nun her. Und Schlettwagner hat seine Entscheidung für einen Wechsel nicht bereut. Ganz im Gegenteil. Heute ist er eine der zentralen Säulen im SVE-Team, das auch in dieser Saison ganz oben mitmischt und am Samstag 1860 München II zum Topspiel empfängt (15 Uhr).
Defensiv denken wird vom ersten Tag an eingeimpft
Warum es für den Verein aus dem Landkreis Altötting trotz eines personellen Umbruchs im Sommer wieder so gut läuft, hat viel mit defensiver Stabilität zu tun. Zehn Gegentreffer in 19 Spielen sprechen eine mehr als deutliche Sprache. Den unbedingten Willen zur Arbeit gegen den Ball spürt Schlettwagner in Erlbach schon in seiner allerersten Trainingseinheit. „Das war wirklich auffällig. Die Philosophie, dass die ganze Mannschaft defensiv schnell umschalten muss, wird dir vom ersten Moment an eingeimpft“, sagt Schlettwagner.
Ihm selbst kommt diese Spielanlage zu Gute, in Erlbach beackert der heute 30-Jährige, der im niederbayerischen Wittibreut wohnt, nämlich von Beginn an die defensive Außenbahn. „In Simbach habe ich meist auf der Sechs oder Zehn gespielt. Aber Erlbach hat mich als Außenverteidiger geholt, das war so besprochen“, sagt Schlettwagner. „Ich habe auch in der Jugend bei Wacker Burghausen auf dieser Position gespielt. Von daher waren die Abläufe nicht ganz neu. Und wenn das ganze Team mitverteidigt, ist es für die Defensive natürlich einfacher, weil gar nicht soviel nach hinten durchkommt.“
In die Wacker-Jugend wechselt Schlettwagner als C-Jugendlicher, bleibt bis zum ersten Herrenjahr. Ein Syndesmosebandriss nimmt ihm jedoch alle Chancen, den Sprung in den Profikader zu schaffen. Weil Burghausen genau zu dieser Zeit seine zweite Mannschaft auflöst, entschließt sich das pfeilschnelle Talent zu einem Wechsel nach Pfarrkirchen, das damals in der Landesliga spielt. Nach dem Abstieg zieht es Schlettwagner nach Simbach, wo viele Freunde kicken. „Es war wirklich eine schöne Zeit dort“, sagt er heute – und ist dennoch froh, den Schritt nach Erlbach gemacht zu haben. Weil er dort nochmal ein ganz neues Fußball-Kapitel erlebt.
Schon in seiner ersten Saison ist Schlettwagner Stammspieler, absolviert 32 von 34 Bayernligapartien. Und das, obwohl er vor seinem Wechsel ein halbes Jahr gar nicht gegen den Ball tritt. Im Rahmen seines BWL-Studiums geht er für ein halbes Jahr nach Schweden. Heute arbeitet er in Mühldorf bei Byodo, ist für den Einkauf von Bio-Lebensmitteln verantwortlich. Dreimal pro Woche fährt er von der Arbeit direkt ins Training, „die Tage sind dann schon lang, wenn du um halb acht aus dem Haus gehst und abends um halb zehn heimkommst“. Doch den Aufwand nimmt Schlettwagner gerne in Kauf. „In Erlbach gehst du immer gerne ins Training, bist gerne in der Kabine. Die Stimmung ist wirklich etwas Besonderes. Das habe ich so zuvor noch nie erlebt“, sagt er. Coach Lukas Lechner lege großen Wert auf ein gutes Miteinander, auf Harmonie im Team.
Auch in sportlicher Hinsicht hat Schlettwagner viel Lob für das Trainerteam parat. „Ich kenne wirklich keinen Spieler, den sie bei uns nicht besser gemacht haben.“ Die Ergebnisse bestätigen diese Einschätzung − aus dem Abstiegsanwärter SV Erlbach ist ein Titelkandidat geworden. Und Schlettwagner hat einen wichtigen Beitrag geleistet.
„Mit seiner enormen Geschwindigkeit und Erfahrung ist er ein extrem wichtiger und enorm zuverlässiger Spieler. Und zudem ein super Typ“, urteilt SVE-Co-Trainer Maxi Sammereier. In 17 von 18 möglichen Partien stand Schlettwagner in dieser Saison auf dem Platz – und habe jedes Mal nahezu fehlerfrei agiert. „Für einen Defensivspieler ist es einfach das Wichtigste, Fehler zu vermeiden. Und mit 30 Jahren weißt du auch vom Kopf her, wie du dich verhalten musst. Die einfachen Dinge sind oft die Besten“, sagt Schlettwagner und ergänzt. „Wir haben überhaupt eine gute Altersstruktur im Team.
Dass es in dieser Saison für Erlbach wieder so gut läuft, sei dennoch nicht zu erwarten gewesen. „Aber jetzt wollen wir natürlich so lange wie möglich vorne dabei bleiben“, sagt Schlettwagner und spricht von großer Vorfreude auf das Duell gegen 1860 München II. „Wir haben personell wieder viele Alternativen, sind eigentlich so gut aufgestellt wie noch nie in dieser Spielzeit.“ Den Gegner sieht der Erlbacher Außenverteidiger als die mit Abstand spielstärkste Mannschaft der Bayernliga Süd – und so gut wie lange nicht. „Es ist auf jeden Fall die beste Löwen-Mannshaft, gegen die wir in den letzten drei Jahren gespielt haben. Das Positionsspiel, das sie im Hinspiel aufgezogen haben, war schon beeindruckend. Wir sind oft hinterhergelaufen, haben aber auch selbst eine gute Leistung abgeliefert und hatten sogar die besseren Chancen.“
Karriereende beim Heimatverein Wittibreut
Die Platzverhältnisse in Erlbach seien noch immer hervorragend, sagt Schlettwagner und hofft, dass die Partie am Samstag stattfinden kann. Vor dem Winter wolle man unbedingt den Kontakt zur Spitze halten, um im Frühjahr alle Chancen zu haben, den Titelcoup aus dem Vorjahr zu wiederholen. Regionalliga mit Erlbach? „Das wäre natürlich die Krönung“, sagt Schlettwagner, der im neuen Jahr auch den Trainerschein machen will. Am Ende seiner Karriere sei geplant, zu seinem Heimatverein Wittibreut zurückzukehren, „das habe ich versprochen, es spielen viele Kumpels dort“. Doch noch ist es nicht nicht so weit. Noch braucht Benjamin Schlettwagner keine neue Herausforderung – er will es mit dem SV Erlbach wissen.