Starke Bundesliga-Saison
Ehemalige Ingolstädterin Ramona Maier nach Rang vier mit Essen und sechs Saisontoren noch nicht zufrieden

05.06.2024 | Stand 05.06.2024, 5:00 Uhr |
Sabine Kaczynski

Hat gelernt, sich auch in der Bundesliga durchzusetzen: Ramona Maier, langjährige Stürmerin des FC Ingolstadt, traf in der abgelaufenen Saison sechsmal für die SGS Essen. Foto: Imago Images

Essen – Es geht weiter aufwärts: Ihre zweite Bundesliga-Saison beendete Ramona Maier, die ehemalige Top-Stürmerin des FC Ingolstadt (2014 bis 2022), mit der SGS Essen auf einem hervorragenden vierten Tabellenplatz. Wir haben mit „Ramos“, wie sie während der Ingolstädter Zeit gerufen wurde, über ihre Rolle innerhalb der Mannschaft, die Sonderstellung ihres Vereins und die Zukunftspläne der 28-Jährigen gesprochen.

Frau Maier, wo erreichen wir Sie gerade?
Ramona Maier: Ich habe gerade sechs Tage auf Mallorca verbracht, bin aktuell aber wieder in Essen. Allerdings werde ich die verbleibende Zeit in der Sommerpause noch für einige Heimatbesuche nutzen.

Sie haben mit Essen Platz vier erreicht, sechs Treffer beigesteuert und waren für das „Tor des Monats“ nominiert. Müssen Sie sich manchmal zwicken, um die Erfolgsstory zu glauben, die Sie gerade schreiben?
Maier: Nach wie vor bin ich unglaublich dankbar, dass ich dieses Abenteuer Bundesliga erleben darf. Ob ich zum Training gehe, ins Stadion einlaufe oder auf dem Platz stehe – ich genieße jeden Moment. Mit dem vierten Platz hat tatsächlich niemand gerechnet, das war einfach sensationell. Jede von uns ist mehr als zufrieden mit unserer Performance und stolz auf unsere Leistung in dieser Saison. Es ist nicht selbstverständlich, seinen Traum so leben zu dürfen.

Sie haben Ihre zweite Spielzeit absolviert, sind also kein Bundesliga-Neuling mehr. Hat sich Ihre Stellung innerhalb der Mannschaft verändert?
Maier: In der vergangenen Spielzeit musste ich erst einmal in meine Rolle finden. Durch die Erfahrungen, die ich gesammelt habe, bin ich inzwischen durchaus präsenter, nehme die ein oder andere junge Spielerin auch mal zur Seite und versuche etwas zu vermitteln. Es liegt in meiner Persönlichkeit, eine Führungsposition zu übernehmen, das habe ich in Ingolstadt bereits so gelebt.

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer fußballerischen Entwicklung?
Maier: Die erste Saison habe ich gebraucht, um mich in der Bundesliga zu akklimatisieren und an taktische Vorgaben und die Art und Weise, wie wir in Essen Fußball spielen, zu gewöhnen. Zudem musste ich erst einmal in der neuen Umgebung ankommen. In der zweiten Spielzeit konnte ich den Fokus auf andere Dinge legen, etwa die Ruhe am Ball zu finden, was mir in den letzten Wochen gut gelungen ist. Davor neigte ich dazu, hektisch zu werden, zumal man in der Bundesliga viel weniger Zeit für Ballkontrolle und Passspiel hat. Als Team haben wir uns mit einem nun viel mehr taktisch geprägten Spielstil enorm weiterentwickelt.

Ihr Verein feiert gerade sein 20. Bundesliga-Jubiläum – und das als reiner Frauenverein. Was ist das Erfolgsrezept der SGS Essen?
Maier: Der Verein bringt immer wieder junge Spielerinnen aus dem eigenen Nachwuchs hervor, lässt sie mit dem Bundesliga-Kader trainieren, gibt ihnen frühzeitig Einsatzzeiten und so die Möglichkeit, Erfahrung zu sammeln. Das ist für die Entwicklung dieser Talente ungemein wichtig. Wir sind zwar ein recht kleiner Verein ohne großes Herrenteam als finanzkräftiges Zugpferd im Hintergrund – aber jeder, der bei der SGS Essen tätig ist, steckt sein ganzes Herzblut in den Verein, man spürt einen wahninnigen Teamgeist und Zusammenhalt. Diese Faktoren machen den Erfolg aus.

Anlässlich des Jubiläums wurde gerade eine vierteilige Doku über Ihren Verein gedreht, zudem kommen zu den Heimspielen Ihres Teams im Schnitt über 2100 Zuschauer – wie fühlt sich diese Popularität für Sie an?
Maier: Es ist schön, wenn man von den Leuten die Rückmeldung bekommt, dass sie die Doku im Fernsehen angeschaut haben und dass der Verein genauso sympathisch rüberkommt, wie er tatsächlich ist. Dass die Unterstützung der Fans und die Nachfrage nach Tickets für die Spiele da ist, ist natürlich super. Wir haben in der vergangenen Saison eine ganze Menge neuer Anhänger dazu bekommen, viele empfinden unsere Partien als tollen Familientag, vor allem die Kinder hypen unsere Mannschaft. Es ist ein unglaubliches Gefühl, wenn die Kids einem sagen, dass man ihre Lieblingsspielerin und ihr Vorbild ist – das motiviert immens.

Wie von Ihnen angesprochen, sieht sich die SGS als Ausbildungsverein. Welche Rolle kommt Ihnen in diesem Konzept als erfahrene Spielerin zu?
Maier: Es ist unabdingbar, dass in einer so jungen Mannschaft auch einige ältere, erfahrene Säulen da sind, die die Talente an die Bundesliga heranführen. Ich spreche dabei nicht von fußballerischen oder technischen Aspekten – in dieser Hinsicht sind uns die Youngsters meist um Längen voraus, da sie ganz anders ausgebildet wurden. Aber Fußball ist auch Kopfsache, oft ist die Mentalität spielentscheidend. Deshalb ist es wichtig, dass wir die jungen Akteurinnen unterstützen, ihnen Mut zusprechen oder taktische Hilfestellung geben, wenn es in einer Partie mal nicht so gut läuft.

Die SGS Essen war in der vergangenen Saison der letzte reine Frauenverein in der Bundesliga: Ein Auslaufmodell oder doch zukunftsfähig?
Maier: Nach dem Wiederaufstieg des 1. FFC Turbine Potsdam bekommen wir einen zweiten Verein mit diesem Modell dazu, aber in unserer Region ist das nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal, das uns bei der Sponsorenthematik durchaus zugutekommen kann. Inzwischen ist eine Ausgliederung geplant, um das Sponsoring noch besser vorantreiben zu können. Der Verein ist sehr bestrebt, sich auch im Bereich Finanzen stetig weiterzuentwickeln, er schreibt schwarze Zahlen und ist seit 20 Jahren im Geschäft: Unser Modell kann daher durchaus zukunftsfähig sein.

Wie steht es um Ihre eigenen Zukunftspläne?
Maier: Meine Freistellung bei der Polizei ist um ein weiteres Jahr verlängert worden, die nächste Saison bei der SGS Essen ist für mich also fix. Mein Vertrag läuft noch bis zum Jahr 2026, aber ich muss die Freistellung jährlich neu beantragen. Meine Zukunft in der Bundesliga hängt somit immer auch von der Zustimmung der Polizei ab.

Wann geht die Vorbereitung los und was sind Ihre Ziele für die neue Saison – persönlich und mit dem Team?
Maier: Wir starten am 19. Juni mit der Vorbereitung. In der Vergangenheit wurden wir gerne als Abstiegskandidat Nummer eins betitelt, deshalb sind wir mehr als motiviert, die Leistung der letzten Saison zu bestätigen. Das Potenzial ist auf jeden Fall da, wir haben uns nochmals verstärkt und den Kader verbreitert. Persönlich möchte ich den nächsten Step gehen, denn ich bin noch lange nicht da, wo ich sein könnte.

Das Gespräch führte
Sabine Kaczynski.