Bescheidener Deutsch- und Sportlehrer
Karriere, Kindheit und Knut Kircher: Jetzt spricht Drittliga-Schiri Felix Grund

16.06.2024 | Stand 16.06.2024, 10:37 Uhr |

Im Februar Neumarkt, im August Aachen? Felix Grund, hier bei der Bayernliga-Partie des ASV Neumarkt gegen den TSV Neudrossenfeld, wird in der neuen Saison Spiele in der 3. Liga leiten. − Foto: Imago Images

Er wird den Namen des Ortes Haidlfing in die Republik tragen: Felix Grund (24) wird in der neuen Saison Spiele in der 3. Liga pfeifen. Ein weiterer Karrieresprung für den Niederbayern aus dem Wallersdorfer Ortsteil, der gerade an einem Gymnasium in Aschaffenburg sein Referendariat absolviert. Ein Gespräch mit einem Fußball-Experten über Karriere, Kindheit und Knut Kircher.

Felix, Du kommst gerade von der sportmedizinischen Untersuchung?
Felix Grund: Richtig, die ist vom DFB vorgeschrieben, also Pflicht vor der Leistungsprüfung vor jeder neuen Saison.

Ja ist denn schon wieder „vor der Saison“?
Grund: Natürlich. Anfang August beginnt zwar erst der Spielbetrieb in der 3. Liga, aber mit den ganzen Lehrgängen und Vorbereitungsspielen habe ich eigentlich nur zwei Wochen Fußball-Pause.

Du pfeifst jetzt mit 24 Jahren in der 3. Liga, das ist doch eine tolle Sache, nach nur zwei Jahren in der Regionalliga?
Grund: Eine richtig tolle Sache. Aber der Sprung von der Regionalliga in die 3. Liga ist schon sehr groß – vom Halbprofi- in den Profi-Bereich. Ich muss erst mal sehen, wie ich in der neuen Liga klarkomme. Zu verdanken habe ich diesen Karriereschritt auch meinem fantastischen Team in der vergangenen Saison. Ohne Ilirjan Morina (FSV Landau) und Andreas Egner (TSV Bodenmais) hätte ich das nicht geschafft.

Nimmst Du Dein Team mit?
Grund: Sie dürfen nicht mit. Für die 3. Liga werden die Assistenten speziell nominiert.

Wo soll Deine Karriere noch hinführen?
Grund: Ich muss mich durch gute Leistungen anbieten, dann schaun wir mal. Und es gehört auch Glück dazu, immer weiter aufzusteigen.

Fast jeder kleine Junge hat ja Träume: Hast Du davon geträumt, einmal Profi-Fußballer zu werden, Du wolltest ja sicher nicht Bundesliga-Schiri werden?
Grund: Ich habe davon geträumt, in den Profi-Fußball zu kommen. Jetzt habe ich das erreicht und trage dieses Wappen (Schiedsrichter in den Profi-Ligen tragen Shirts mit grünem DFB-Logo auf der Brust, Anmerkung der Redaktion), das ist für mich etwas ganz Besonderes. Damals, als ich mit 14 Jahren als Schiedsrichter angefangen habe, gab es die Vorbilder in unserer Schiedsrichter-Gruppe, Tobias Wittmann und Florian Garr. Sie waren immer ein bis zwei Schritte voraus und an ihnen habe ich mich orientiert. Ich wollte das auch: Bezirksliga pfeifen, dann Landes- und Bayernliga. Und dann in die höchste bayerische Klasse, Regionalliga. In einem Zug bin ich vom DFB für die 3. Liga als Assistent nominiert worden – und da habe ich gedacht, jetzt ist der Profi-Fußball nicht mehr weit. Nach einem halben Jahr bin ich in den Perspektivkader für die 3. Liga aufgerückt und in diesem Sommer hat es geklappt. Ich gehe immer Schritt für Schritt und schaue, wie ich in einer neuen Liga, einem neuen Umfeld zurechtkomme.

Das scheint ja gut zu klappen, aber Du hast ja sicher auch mal selber Fußball gespielt?
Grund: Ich habe beim SV Haidlfing in der Jugend angefangen und bin später zum FSV Landau gewechselt, habe bis zur B-Jugend dort Bezirksoberliga gespielt. Aber mit 17 musste ich mich entscheiden: selber Fußball spielen oder die Schiedsrichterei.

Kickst Du jetzt selber noch?
Grund: Sehr, sehr wenig. Aber als Sportlehrer spiele ich ab und zu mit den Schülern, aber an richtiges Fußball-Training ist nicht zu denken, das ist in meinem Trainingsplan nicht drin.

Du bist schon Lehrer, mit 24 Jahren?
Grund: Ich absolviere gerade mein Referendariat in Aschaffenburg, weiter nördlich ging‘s ja nicht in Bayern (lacht). Ich hoffe, dass ich im Februar 2026 fertig werde.

Deine Fächer?
Grund: Sport und Deutsch.

Ein straighter Weg?
Grund: Ich hab‘ mein Studium in Regensburg durchgezogen.

Wie lässt sich die Schiedsrichterei mit dem Arbeitgeber händeln?
Grund: Ich habe sehr viel Glück mit meiner Seminarschule, die unterstützt mich total, das ist eine sportaffine Schule. Und das beruhigt mich, zu wissen, dass die Schule dahintersteht – anders würde es nicht gehen.

Was sagt Deine Freundin zur Schiedsrichterei?
Grund: Sie hat es ja vorher gewusst (lacht). Natürlich ist es derzeit etwas schwierig, sie wohnt in Straubing, ich in Aschaffenburg. Aber unsere Fernbeziehung funktioniert gut, auch wenn wir uns mal drei oder vier Wochen nicht sehen, das kann schon passieren.

Ist die Schiedsrichterei die Nummer 1 in Deinem Leben?
Grund: Mein Lebensglück finde ich nicht beim Fußball, sondern im Privaten – die Familie ist mir sehr, sehr wichtig.

Als Profi-Schiedsrichter könntest Du davon leben?
Grund: Vielleicht. Aber ich sag‘s mal so: Der Fuß, auf dem ich stehe, ist der Job. Alles was on top kommt, ist super. Aber wenn‘s als Schiedsrichter nicht läuft, kann das Thema nach zwei Jahren erledigt sein. Ich habe das Referendariat begonnen, weil ich mich nicht vom Fußball abhängig machen will. Aber wenn das Angebot kommen würde, in der 1. oder 2. Liga zu pfeifen, würde ich nicht Nein sagen.

Ist die Schiedsrichterei mit der Zeit schwieriger oder komplizierter geworden – auch weil sich das Spiel verändert?
Grund: Ich gehe mit der Zeit, sonst hat man keine Chance. Von Liga zu Liga wird‘s schneller. Wenn ich auf einem alten Stand bleibe, kann ich die Spiele nicht fehlerfrei leiten. Ich habe auch keine Angst vor einem höheren Niveau.

Dein Kollege Marco Achmüller hat jüngst erklärt, das Spiel sei immer dasselbe, ob vor 800000 Fans in Dortmund oder bei einem Relegationsmatch in Geratskirchen, ist dem so?
Grund: Der Ball ist rund und Tore stehen überall. Es gibt bei mir eine gewisse Grundanspannung vor jedem Spiel. Aber wir sind Profis genug, um zu sagen: Jedes Spiel muss gleich fair gepfiffen werden. Unser Ziel muss es sein, fehlerfrei zu pfeifen, ob vor 30000 Zuschauern in der 3. Liga oder vor fünf Fans. Ich finde jedes Spiel etwas Besonderes und bin ehrlich: Ich will ja nicht nur die Spiele vor fünf Leuten pfeifen, sondern vor Publikum, dafür bin ich Schiedsrichter geworden.

Du liebst also den Fußball?
Grund: Das kann man so sagen.

Du bist im Sternzeichen des Schützen geboren. Schützen gelten als aktive und extrovertierte Charaktere, würdest Du das für Dich unterschreiben?
Grund: (überlegt lange) Nein.

Der Schütze gilt als leidenschaftlich und stets auf der Suche, zu wachsen und sich zu entwickeln?
Grund: Das schon eher.

Hast Du ein Vorbild?
Grund: Ja, als ich angefangen habe, war Knut Kircher mein Vorbild (der einstige FIFA-Schiri wird zum 1. Juli neuer Geschäftsführer Sport und Kommunikation der DFB Schiri GmbH, Anmerkung der Redaktion). Von seiner Ausstrahlung und Akzeptanz ist aktuell Deniz Aytekin ein Vorbild. Aber ich kann mir von jedem Schiedsrichter eine besondere Eigenschaft abschauen.

Du pfeifst jetzt 3. Liga, Du hast aber keine Garantie für eine bestimmte Zahl an Spielen?
Grund: Nein, man kriegt die Einsätze so wie‘s kommt. Beim jedem Spiel ist ein Beobachter dabei und ich bekomme sofort am Spielort noch ein Feedback vom DFB. Da die Partien in der 3. Liga von Magenta Sport übertragen werden, werden diese in unser DFB-Coaching-System hochgeladen und dann arbeiten wir mit einem externen Coach noch mal einzelne Spielszenen auf. Wie ist meine Position auf dem Platz, wie komme ich im Fernsehen rüber und und und.

Gibt‘s daher die Direktive, vor jedem Spiel zum Friseur zu gehen?
Grund: (lacht) Nein, das machen bestimmt einige, ich aber nicht.

Wie sieht Dein Fahrplan für den Sommer aus?
Grund: Ich werde die Pause fürs Training nutzen, da Defizite angehen. In zwei Wochen pfeife ich die ersten Vorbereitungsspiele und Mitte, Ende Juli folgt der DFB-Lehrgang. Aber jetzt will ich auch die EM genießen.

Und dabei die Schiedsrichter beobachten?
Grund: Unter anderem.

Die leichteste Frage zum Schluss: Wer wird Europameister?
Grund: Natürlich mein Heimatland, Deutschland.