„Grenze ist überschritten“
Es droht die „Invaliden-WM“: Übervoller Terminkalender schürt Sorgen um die Topspieler

21.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:28 Uhr

Aktuell verletzt, wie viele seiner Nationalmannschaftskollegen: Frankreichs Top-Stürmer Karim Benzema. −Foto: afp

Den Titelverteidiger hat es am heftigsten erwischt. Kapitän Hugo Lloris, Topstürmer Karim Benzema, Paul Pogba, Theo Hernandez, Lucas Digne sowie die Bayern-Stars Kingsley Coman und Lucas Hernandez – zwei Monate vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft ist das Lazarett der französischen Nationalmannschaft bereits brechend voll. Und die Aussichten sind düster – es droht eine „Invaliden-WM“.

Schließlich stehen bis zur Endrunde in Katar (20. November bis 18. Dezember) auch nach den bevorstehenden Länderspielen nur noch Englische Wochen mit Partien in den nationalen Ligen, den Pokal-Wettbewerben sowie dem Europacup im Terminkalender. Die Vermutung liegt nahe, dass zahlreiche Topspieler bei diesem beinharten Programm auf der Strecke bleiben werden und die WM vor dem Fernseher verfolgen müssen.

Für die Verantwortlichen der Bundesligisten scheint dieses Szenario jedenfalls realistisch zu sein. „Die Grenze ist überschritten – und dann knallt man noch eine WM im Winter raus“, sagte Trainer Oliver Glasner vom Europa-League-Sieger Eintracht Frankfurt: „Die Spieler sind teilweise überlastet.“

Ganz ähnlich sieht es Marco Rose. „Wenn man unsere Nationalspieler sieht, die jetzt zwei Spiele haben und aus englischen Wochen kommen, in sechs englische Wochen gehen - dann muss man natürlich sagen, dass das für die Jungs zu viel ist und sie irgendwann auch mal an ihre Grenzen stoßen“, äußerte der neue Coach von Pokalsieger RB Leipzig.

Nach Ansicht von Mario Basler ist das Ende der Fahnenstange längst erreicht. „Die Spieler kommen gar nicht mehr mit ihrem Körper zur Ruhe“, sagte der frühere Nationalspieler bei Sport1: „Wo wollen wir eigentlich hin mit dem Fußball? Irgendwann ist auch mal genug.“

Oliver Bierhoff sieht das Ganze differenziert. Der DFB-Geschäftsführer kann durch die WM „insgesamt keine höhere Belastung“ erkennen. Aber auch Bierhoff weiß: „Es entfällt geballt viel auf den November.“

Immerhin ist die Ursache des Problems schnell gefunden. Wie so oft im Profifußball geht es ums Geld: Mehr Spiele, mehr Millionen. Doch bei der Debatte um die Treiber des Kommerz-Strebens gehen die Meinungen auseinander. Die Klubs und die Verbände schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu.

Zuletzt bekamen sich dabei Jürgen Klopp und UEFA-Präsident Aleksander Ceferin in die Haare. „Es gibt nur eine Richtung, wohin das führt - und das ist gegen die Wand“, sagte der Teammanager des FC Liverpool dem kicker. Doch wenn er das Thema anspreche, „kommt Aleksander Ceferin aus der Ecke und macht eine polemische Aussage, dass andere Leute viel mehr arbeiten müssten“.

Zuvor hatte Ceferin den Profis ans Herz gelegt, nicht zu viel zu jammern. Unterbezahlte „Fabrikarbeiter“ hätten ein Recht, sich zu beschweren, sagte der Slowene: „Es ist einfach, immer die FIFA und die UEFA anzugreifen, aber die Diskussion ist simpel: Wenn du weniger spielst, verringern sich die Gehälter.“ Ceferin bemängelte vor allem die Haltung vieler Vereine: „Niemand verzichtet auf etwas.“

Klopp ist sich der Problematik bewusst. Nach Ansicht des Star-Trainers gibt es „zu viele unterschiedliche Interessenvertreter“, von denen „keiner an die Spieler denkt“. Doch der Fußball sei „nur richtig schön“, wenn die Besten auf dem Feld sind„.

Ein frommer Wunsch mit Blick auf die WM.

− sid