Großes Echo hat unsere Berichterstattung zum Rücktritt von Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus als Nachwuchstrainer beim TSV Grünwald gefunden. Unter der Überschrift „Rabiate Fußball-Eltern: Matthäus gibt auf“ hatten wir zuletzt an dieser Stelle die Situation beleuchtet, Matthäus’ Beweggründe dokumentiert und unsere User zur Meinungsäußerung aufgerufen. In den zahlreichen Zuschriften stößt zum einen der Schritt des erfahrenen Trainers auf viel Verständnis, zum anderen geben die Schreiber ganz ähnliche eigene Erfahrungen wieder.
Allen gemeinsam ist die Klage über ein in weiten Teilen vergiftetes Klima, das von Eltern vom Spielfeldrand aus in den Fußball hineingetragen wird. Eine normale, gesunde Entwicklung von Kindern sei in dieser Ich- und Ellbogengesellschaft nicht mehr möglich, zieht Hannelore Schneider, langjährige Jugendleiterin bei der DJK Passau-West, ein bitteres Fazit. Ein pensionierter Lehrer will nach abschreckenden Erfahrungen unter aufgeheizter und aggressiver Stimmung gar kein Fußballspiel mehr besuchen, wie er schreibt. Welche Auswirkungen diese zum Teil bedrohlich wirkende Atmosphäre haben kann, zeigt in diesem Zusammenhang die Zuschrift der Mutter eines E-Jugend-Spielers aus der Nähe von Passau, die der Heimatzeitung von ihren bitteren Erfahrungen berichtet, aber gleichzeitig darum bittet, dass ihr Name nicht in der Zeitung erscheint.
Aber es gibt auch Lösungsvorschläge im Umgang mit übergriffigen Eltern. Klare Regeln, die vor der Saison ebenso deutlich kommuniziert würden, hätten durchaus etwas bewirkt, schreibt ein Jugendtrainer. Ein anderer empfiehlt das Fortbildungsangebot des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV) als überaus hilfreich. Eines scheint freilich klar: Die Entwicklung von Kindern, so geht aus den Leserzuschriften hervor, ist zu wichtig, um die Dinge einfach hinzunehmen.
Das meinen unsere User:
Erwachsene sollten Vorbild sein
„In meiner fast 30-jährigen Tätigkeit als Jugendleiterin, bei nur einen Verein, konnte ich die heutige Entwicklung sehr gut miterleben und nachverfolgen. Sich in sozialer Umgebung menschlich und körperlich normal zu entwickeln, ist für Kinder durch die heutige Ich- und Ellenbogengesellschaft nicht mehr möglich. Mein Moto: ,Ein Verein mit Herz für die ganze Familie’, hat immer gut funktioniert. Jugendliche aus meinen Anfangszeiten kommen immer noch bei Begegnungen auf mich zu und ich sehe darin eine Wertschätzung, die leider in der heutigen Zeit gänzlich verloren gegangen ist. Leider ist dies ein Zeichen für das schlechte Zusammenleben in unserer heutigen Gesellschaft. Es wundert mich nicht, dass die Vereine keine Trainer mehr finden, denn das ist ein unbezahlter Job, der nur mit der Unterstützung von Seiten der Eltern, Erziehungsberechtigten und des Vereins gut gemeistert werden kann. Die weiteren Probleme, mit denen ein Trainer zu kämpfen hat, wurden anhand des Artikels von Lothar Matthäus beschrieben. Die Erwachsenen sollten den Kindern und Jugendlichen ein gutes Vorbild sein, denn alles, was man vorlebt, wird von ihnen meistens zu 100 Prozent im Erwachsenenleben nachgemacht. Zum Niedergang unseres Jugend-Fußballs trug auch die Flüchtlingskrise im Jahre 2015/16 bei, da die Vereine weder von der Regierung noch von dem damals noch reichen DFB in der Integration der Jugendlichen unterstützt wurden und die Vereine auf sich allein gestellt waren.“
Hannelore Schneider, Passau
Aus den gleichen Gründen aufgehört
„Matthäus hat richtig gehandelt. Seine Zeit, sein Wissen und Können, kombiniert mit seinem Engagement, ist grundlegend für die Arbeit im ehrenamtlichen Sport – gerade in der Jugendarbeit. Eltern werden sich nicht ändern, weil diese Entscheidung, die Trainingsarbeit niederzulegen, nicht verstanden wird. Junge Kicker in Watte zu hüllen hilft tatsächlich keinem. Ich war selbst fast 30 Jahre Jugendtrainer und teils auch Jugendleiter und habe aus den gleichen Gründen aufgehört.“
Uwe Leske, Deetz
Das war fast nicht auszuhalten
„Ich bin und war kein Juniorentrainer. Aber: Ich war Lehrer. Und als solcher habe ich viele Schüler gehabt, die Fußball gespielt und viel trainiert haben. Diese Buben (13 bis 15 Jahre) haben mich immer gebeten, ich soll ihnen doch mal bei einem Spiel zusehen. Und das habe ich dann auch getan. Ich bin also einmal – ich betone: EINMAL – zu einem Spiel gegangen. Was ich da erlebt habe, wie sich die Eltern der Jungs am Spielfeldrand verhalten haben, da ist mir der Appetit auf weitere Spiele gründlich vergangen. Beispiele gefällig, was Eltern, vor allem die Mütter, ihren Kindern alles zugerufen haben? Bitte sehr! ‚Hättst’n doch umg’haut. Lasst der Depp den einfach laufen.’ Eine andere Mama: ‚Wart na, Bürschal, bis du hoamkimmst heit. Hau doch den einfach um!’ Usw. Das waren jetzt die Kommentare vom Spielfeldrand, die man gerade noch wiedergeben kann. Am Montag dann wurde ich von den Jungs gefragt, wie mir das Spiel gefallen hat. Klar, dass ich sie gelobt habe. Sie hatten ja wirklich gut gespielt und ihr Bestes gegeben. ,Aber’, so schränkte ich ein, ,was eure Eltern da abgeliefert haben, das war ja fast nicht auszuhalten!’ Dazu der Kommentar der Burschen: ,Diesmal waren sie eh ganz zahm, weil Sie da waren. Aber normal...’ Dem füge ich nichts mehr hinzu. Übrigens: Wie das wohl aussieht, wenn der Herr Lehrer nicht unter den Zuschauern ist? Eine Momentaufnahme, gewiss! Aber wie muss das erst ein Jugendtrainer empfinden, der das Woche für Woche beim Spiel und womöglich sogar beim Training erleben (= ertragen) muss? Ich kann gut verstehen, dass da mancher wohlmeinende Betreuer das Handtuch wirft.“
Josef Strasser, Simbach a. Inn
Positives Beispiel aus dem Kampfsport
„Ich bin selbst Trainer, jedoch in Budo und Selbstverteidigung. Ich habe vor zweieinhalb Jahren eine Kindergruppe ins Leben gerufen, hier trainieren ausschließlich Kids von fünf bis elf Jahren. Ich kann nur Gutes von den Eltern berichten. Sie wertschätzen meine Arbeit mit ihren Kindern, helfen bei Events und sind gern mit dabei. Im Fußball geht es bestimmt nicht immer so freundlich zu. Aber aus dem Kampfsport kann ich nur ein Lob an meine Eltern aussprechen.“
Guido Kleinert, DJK Dollnstein
Nicht die Eltern geben Richtung vor
„Ich bin zwölf Jahre als Kinder- und Jugendtrainer unterwegs im Breitensport, habe von der G- bis zur C-Jugend alle Jahrgänge trainiert. Es stimmt schon, dass es manchmal nicht ganz einfach ist mit einigen Eltern (und ich habe da auch schon einiges an Negativerfahrungen gesammelt), aber da ist man als Trainer dann gefordert, es ihnen so zu erklären, wer die Vorgaben macht und die Richtung vorgibt: der Verein und der Trainer – und nicht die Eltern. Dann können sie entscheiden, ob’s der richtige Sport/ Verein/Mannschaft für ihr Kind ist oder nicht. Ein Elternabend vor dem Start, an dem die Regeln bekanntgegeben werden, hat sich bei mir bewährt. Auch Gespräche zwischendurch. Zur Zusammenarbeit mit Eltern hat es mal eine sehr gute Fortbildung vom BFV gegeben, sehr zu empfehlen.“
Anderl Grätz, JFG Ötting
Kindertrainerschein hat mir viel gebracht
„Ich gehe nun in die dritte Saison als Jugendtrainer mit meiner Mannschaft, gestartet unter U8 und jetzt U10. Ich habe den Kindertrainerschein des BFV gemacht, was mir sehr viel gebracht hat, auch im Hinblick auf den Umgang mit Eltern. Interessant war, dass die Trainerkollegen bei diesem Lehrgang alle ähnliche Erfahrungen und Probleme mit den Eltern oder Opa oder Onkel hatten. Entweder war das Kind Ronaldo oder Neuer! Am Spielfeldrand, ob Training oder Spiel, waren es auch immer die gleichen ‚Störenfriede’. Wir sind uns mit der Jugendleitung in unserem Verein DJK/TuS Leider einig, das Sagen auf dem Platz hat der Trainer. Schließlich sind wir diejenigen, die sich rund um das Training oder Spiel zuvor und danach kümmern plus die Trainersitzungen etc. Letztendlich gilt die Aussage: Wir wollen die Kinder mit viel Spaß am Fußball betreuen und fördern. Punkt. Wenn die Eltern auch nach wiederholten Gesprächen nicht einsichtig sind, müssen sie sich einen neuen Verein suchen. Bei Lothar Matthäus ist das wohl eine besondere Situation, schlicht seinem Prominentenstatus geschuldet. Ich kann ihn da verstehen und er hat seine Entscheidung mit einem Vereinswechsel getroffen. Konsequent und richtig! Mal sehen, wie der Verein das zukünftig löst. Ich als ,Normalo Trainer’ schmeiß da so schnell nicht die Flinte ins Korn, ist wohl auch meinem Alter (Jahrgang ’58) geschuldet, fühl’ mich aber wie 30.“
Thomas Hacker, Aschaffenburg
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