„50 Fehltage in der Abiturklasse“
Uli Hoeneß in Neubeuern: „FC Bayern hat heute 1200 Mitarbeiter und fast eine Milliarde Euro Umsatz“

17.10.2024 | Stand 17.10.2024, 13:00 Uhr |

Uli Hoeneß, hier mit Internatsleiterin Susanne Schörghuber, stand den Schülerinnen in Neubeuern Rede und Antwort.  − Fotos: Kas (2)/Fürther (2)

Das Schloss Neubeuern hatte sich am Dienstagabend zum ersten Wirtschaftsforum des laufenden Schuljahres fein herausgeputzt. Die Schüler halfen an der Garderobe, beim Einweisen, bei der Namensschilder-Ausgabe, bei der Organisation, und einige durften auch in den Journalismus hineinschnuppern. Kein Wunder, denn als prominenten Gast hatte Internatsleiterin Susanne Schörghuber Uli Hoeneß gewinnen können, der vor dem offiziellen Talk vor 120 geladenen Gästen Schülerinnen und Medienvertreter 50 Minuten lang Rede und Antwort stand.

Es ging weniger um den aktuellen FC Bayern, um Bundesliga und Champions League, auch nicht um Nationalmannschaft und aktuelles Geschehen, als vielmehr um die eigene Schulzeit, um Erziehung, Bildung, Persönlichkeitsentwicklung, Leadership und die Anforderungen der Wirtschaft an den Nachwuchs. Und der Bayern-Macher plauderte bestens gelaunt, gab den Schülerinnen auch Tipps und schrieb anschließend noch Dutzende Autogramme. Gefragt wurde der Stargast zu:

• Erinnerungen an die eigene Schulzeit: Ich bin in Ulm in eine ganz normale Schule gegangen. Ich war kein schlechter Schüler, habe die Fächer Englisch und Mathematik geliebt, aber nicht Geometrie, dafür hatte ich kein Gespür. Die Hausaufgaben haben wir oft noch in der Schule gemacht, denn am Nachmittag waren wir immer auf einer Wiese beim Fußballspielen, so lange, bis wir vertrieben wurden. Dann wechselten wir den Platz und es ging weiter bis es dunkel wurde. In den Ferien habe ich als Beifahrer gearbeitet, damit ich mir einen Flutlichtball, also einen schwarz-weißen, kaufen konnte. Den haben wir dann auch in der Dämmerung gesehen, unseren alten, braunen Ball weniger. Meine Eltern hatten immer darauf bestanden, dass ich Abitur mache, was ich dann mit einem Notenschnitt von 2,4 auch geschafft habe. Aber ich wollte immer schon Fußballprofi werden. In der Abiturklasse hatte ich 50 Fehltage wegen Lehrgängen und Spielen.

• Verantwortung in der Schule: Ich war Klassensprecher, später Schulsprecher, Mitorganisator des alljährlichen Schulfestes und habe mich um die Schülerzeitung gekümmert. Die aber war defizitär. Dann lief ich los, ging zu Kaufhof und Karstadt und zu anderen Firmen und warb um Inserate. Da habe ich schon eine gewisse Führungsrolle eingenommen. Ich war mutig. Das hatte die Realschule, die nur 300 Meter von unserer entfernt war, mitbekommen und wollte auch eine Schülerzeitung. Die Rektorin hatte mich zur Schülersprecherin geschickt, da war ich 16. Mit ihr habe ich die Chronik erstellt. Es war übrigens Susanne. Wir sind uns näher gekommen, wir heirateten 1973. Sie ist heute noch meine Frau, wofür ich sehr dankbar bin.

• Der Weg zum Fußballprofi: Meine Schulzeit war geprägt von Unterricht und Fußball. Als Jugendlicher wurde ich entdeckt, durfte zum Auswahltraining in die Sportschule nach Stuttgart. Als mich meine Eltern einmal dort abgeholt hatten, sagte der Trainer zu ihnen, dass ich zu langsam sei. Das war für mich ein Alarmzeichen. Ich bin dann jeden Tag früh aufgestanden und vor der Schule in den Wäldern rund um Ulm herum eine Stunde lang gelaufen. Es waren Sprints, Steigerungsläufe, Intervalle. Da habe ich am Tempo gearbeitet. Diese Zeit hat mich geprägt, ich wollte ja immer Profi werden. Mit 14 Jahren bin ich die 100 Meter in 13,4 Sekunden gelaufen, mit 18 dann in 11,0.

• Unterstützung der Eltern: Die gab es damals nicht, konnte es auch gar nicht geben. Meine Eltern haben in der Metzgerei gearbeitet. Der Vater stand um 3 Uhr auf, arbeitete in der Wurstküche, die Mutter hat im Laden den ganzen Tag verkauft. Um mich und meinen Bruder konnten sie sich kaum kümmern. Das ist heute ja ganz anders, ich habe mir für meine beiden Kinder sehr viel Zeit genommen bei aller beruflichen Belastung. Und meine Enkel werden heutzutage ja von allen Seiten regelrecht verhätschelt.

• Der Weg zum Manager: Ich musste verletzungsbedingt meine Fußball-Karriere im Alter von 27 Jahren aufgeben. Im Frühjahr 1979 habe ich vom damaligen Präsidenten Neudecker einen Anruf erhalten, ob ich mir den Manager-Posten beim FC Bayern vorstellen könnte. Ich habe dann mit meinen Ärzten gesprochen, die mir abrieten, weiterhin Fußball zu spielen wegen meines Knies. Ich habe dann zugesagt, als es ein paar Monate später soweit war, war Neudecker zurückgetreten und Willi O. Hoffmann war ihm gefolgt. Aber der stand zu dem Wort Neudeckers. So ist es losgegangen. Bayern hatte damals 20 Mitarbeiter und elf Millionen Mark Jahresumsatz. Heute hat der Verein 1200 Mitarbeiter und fast eine Milliarde Euro Umsatz. Ich habe mich dann umgehört, bin in die USA geflogen, habe bei Football, vor allem bei den San Francisco 49ers, und beim Baseball reingeschnuppert, war bei den Fernsehstationen in New York und habe meinen Lieblingsverein Manchester United paar Mal aufgesucht und überall sehr viel gelernt.

• Der Führungsstil: Als junger Manager war ich viel härter, habe die Ellbogen eingesetzt links und rechts, wollte ja auf der Leiter nach oben. Ich hatte schon große Freude, wenn ich einem Rudi Assauer oder einem anderen Manager mal einen Spieler abgeluchst habe. Ich wollte den FC Bayern ganz nach oben bringen. Später war mein Stil dann schon viel milder, ich muss aber auch sagen, je besser es einem geht, desto sozialer ist er eingestellt. Extrem wichtig ist aber immer gewesen, wenn es mal nicht gelaufen ist, dann muss man Tag und Nacht arbeiten. Das wusste auch immer mein engstes Umfeld. Wir waren da wie eine Familie.

• Kritik der Jugend: Die geht mir ehrlich gesagt auf den Sack. Es werden hier Klischees angefertigt, aber wir dürfen nicht vergessen, dass sich die soziale Situation bei uns extrem verbessert hat. Ich verstehe nicht, warum die junge Generation düster in die Zukunft blickt. Viele klagen über mentale Belastung und sind politisch unzufrieden. Die jungen Menschen müssen dankbar sein, dass sie in Deutschland leben.

• Tipp für die Schüler und Schülerinnen: Viele wissen während ihrer Schulzeit nicht, was sie später mal machen wollen. Ich rate hier, sich frühzeitig zu entscheiden, lange vor dem Abitur sollten sie ihre Talente einsetzen und sich festlegen. Ich wollte immer Fußballprofi oder Manager werden. Auch durch die KI gibt es heute riesige Möglichkeiten. Wichtig ist, dass die Entscheidung sitzen muss.

Artikel kommentieren