Rosenheim-Profi querschnittsgelähmt
Mike Glemser macht „leichte Fortschritte“ – was sein Vater allen Eishockeyspielern rät

14.03.2023 | Stand 17.09.2023, 1:02 Uhr

Ken Glemser und Starbulls-Geschäftsführer Daniel Bucheli besprechen sich oft. Beide geben Auskunft über künftige Kosten und was die Berufsgenossenschaft bezahlt. −Foto: Ziegler

Vor zehn Tagen fand die Pressekonferenz statt, bei der die traurige Nachricht der Querschnittslähmung des Rosenheimer Eishockeyspielers Mike Glemser öffentlich gemacht wurde. Der 25-Jährige liegt weiter in der Spezialklinik in Murnau, mittlerweile wurden knapp 516000 Euro gespendet, doch die wichtigste Frage lautet: Wie geht es Mike Glemser, gibt es möglicherweise positive Nachrichten?

„Es sind leichte Fortschritte erkennbar, was das Atmen und die Schleimabsonderung betrifft“, sagte Vater Ken Glemser bei einem der vielen Termine mit Fernsehanstalten und Zeitungen am Rande des Starbulls-Trainings. „Mike kann jetzt schon dreimal bis zu vier Stunden am Tag von der Beatmungsmaschine weg. Anfangs war es gerade einmal eine halbe Stunde. Man darf ihn da aber nicht überfordern, weil das für ihn enorm anstrengend ist. Es sind kleine Schritte, aber immerhin.” Ken Glemser gibt gerne Auskunft – über alle Themen. „Es gehört dazu, dass man die Leute informiert. Auch was in Zukunft mit den großzügigen Spenden gemacht wird.“

Mike Glemsers Freundin Lara Lindmayer und Vater Ken bedanken sich bei den über 1300 Spendern. Mittlerweile ist die 500.000-Euro-Marke geknackt (Spendenaktion: starbulls.de/bestrong). Den beiden ist es wichtig, in einem Video für die großartige Spendenbereitschaft „Danke“ zu sagen. Seit dem Unfall liegt Mike Glemser im Krankenhaus Murnau. Er kann Beine, Handgelenke und Finger nicht mehr bewegen. Einzig den Bizeps kann er anspannen. „Doch der Gegenspieler, also der Trizeps fehlt“, erklärt Ken Glemser. „Man muss seinen Arm also wieder hinlegen, weil er ihn nicht selbst senken kann. Die Physiotherapeuten arbeiten daran, dass sich der Muskel nicht verkürzt. Sonst hätte er später immer angewinkelte Arme.“

„Das Geld von der BG reicht im Ernstfall nicht aus“



Jetzt stellt sich natürlich nicht nur die Frage wie es gesundheitlich, sondern auch wie es finanziell weitergeht. „Die Eishockeyspieler in der Oberliga, zumindest bei uns, sind alle Profis. Das heißt, die Haupttätigkeit ist Eishockey spielen und die Gehälter bewegen sich in einem normalen Rahmen“, erklärt Starbulls-Geschäftsführer Daniel Bucheli. „Zusätzlich kommen noch Wohnung und Fahrzeug mit dazu. Das ist absolut in Ordnung und liegt leicht über dem allgemeinen Durchschnitt. Für die Absicherung sind die Spieler natürlich auch bei der Berufsgenossenschaft versichert. Verletzungen oder Krankheiten, die während der Arbeitszeit entstehen, sind somit abgesichert.“ Ken Glemser ergänzt: „Ich kann – Stand heute – nur jedem Eishockeyspieler empfehlen, sich zusätzlich noch privat abzusichern. Das Geld von der Berufsgenossenschaft reicht im Ernstfall, so wie jetzt bei Mike, nicht aus. Ohne die Spendenaktion wäre das Leben hinten raus schon sehr sehr dürftig.“ Aber können sich Oberliga-Spieler eine solche Zusatzversicherung überhaupt leisten? „Schwierig“, sagt Ken Glemser. „So eine Zusatzversicherung kostet locker 2000 Euro im Jahr und da hat man noch keine Riesenversicherung abgeschlossen.“

Aber wie soll ein Spieler das bezahlen, wenn er sieben oder acht Monate Gehalt bekommt und die restliche Zeit arbeitslos ist, fragt Ken Glemser und klärt auf, welche Leistungen die Berufsgenossenschaft übernimmt: „Die BG zahlt das, was behindertengerecht ist. Das heißt, wenn jetzt ein Umbau anstehen würde, dann übernimmt die BG die Umbaukosten. In welcher Höhe, das ist noch nicht zu 100 Prozent klar.“ Das sei eben von Objekt zu Objekt verschieden, aber wenn jemand keine Wohnung oder ein Haus hat, dann wird es problematisch. Man muss eine Wohnung mieten und dann auf die Zustimmung des Vermieters hoffen. Erst dann würde die BG diese Wohnung behindertengerecht umbauen.

Die Starbulls führen im Jahr über 200000 Euro an die Berufsgenossenschaft ab



Für die normale Reha, die beginnen kann, wenn Mike Glemser von der Beatmungsmaschine weg ist, kommt die Berufsgenossenschaft auf. Auch für eine Bewegungstherapie ein oder zweimal in der Woche. Doch das reicht nicht. „Alles was zusätzlich kommt, fällt auf den Patienten zurück“, weiß Ken Glemser. Das heißt, die Kosten, die auf Mike Glemser und seine Familie zukommen, sind hoch und noch nicht überschaubar. Zusätzliche Rehamaßnahmen, möglicherweise kostspielige Zusatzbehandlungen oder ein adäquates Fahrzeug, in das Mike Glemser samt Rollstuhl über eine Maschine in das Auto reinkommt. „Den Umbau zahlt die BG aber nicht das Fahrzeug. Und ein Auto in der Größe, in das ein Rollstuhl reinpasst, da liegt die Untergrenze bei 60000 Euro“, sagt Ken Glemser.

Mike Glemser bekommt laut Bucheli auch eine BG-Rente: „Das sind zwei Drittel von seinem jetzigen Gehalt, und das ist natürlich eine deutliche Steigerung zu dem, was der gesetzliche Anteil wäre.“ Außerdem übernimmt die Deutsche Rentenversicherung die ganzen Sozialversicherungsleistungen. „Aber in Verbindung mit den erhöhten Miet- und Lebenshaltungskosten entsteht natürlich im Monat eine sehr ernstzunehmende Unterdeckung“, blickt Bucheli in die Zukunft. Und genau dafür ist die Spendenaktion gedacht.

Damit die Berufsgenossenschaft überhaupt zahlt, müssen die Eishockeyvereine natürlich auch einzahlen – und das nicht wenig. „Die Beiträge der Starbulls an die Berufsgenossenschaft sind über einen komplizierten Schlüssel an die Gehälter gekoppelt. Die Starbulls führen im Jahr über 200000 Euro an die Berufsgenossenschaft ab, weil die Gefahrenklasse beim Eishockey natürlich mit am höchsten ist. Bei einem DEL-Verein sind die Beiträge natürlich noch um einiges höher“, verrät Bucheli.

Auch wenn die BG viel bezahlt, würde es ohne die Spendenaktion nicht gehen, und trotzdem reichen auch die 500000 Euro nicht, um das abzudecken, was in Zukunft noch folgt. Für den Start waren 250000 Euro in Ordnung, dass die Spendenbereitschaft so hoch ist und nach eineinhalb Tagen das erste Ziel erreicht wurde, „ist eine absolute Sensation“, so Bucheli.

Herausforderung: Die Hoffnung nicht verlieren



Wie geht es eigentlich der Familie? Ken Glemser gibt die Antwort: „Auch wir gehen kleine Schritte, um das Ganze zu verarbeiten. Es wird besser, aber es dauert, und das Wichtigste ist, dass wir Mike Kraft geben. Die Herausforderung ist, die Hoffnung nicht zu verlieren.“ Über seinen Sohn sagt er: „Als Sportler ist man grundsätzlich ungeduldig und will sich bewegen. Doch ihm steht ein sehr langer Weg bevor. Wenn wieder etwas funktionieren sollte, geht das nicht von heute auf morgen. So gibt es Momente, wo er im Bett liegt und weint. Er sagt, er werde verrückt, wenn er noch länger liegt, aber es bleibt ihm nichts anderes übrig.“ Dann gibt es auch wieder Tage, an denen er sogar einmal lächelt – wenn Teamkollegen wie Steffen Tölzer (37) oder Freunde wie Giuseppe Tedesco zu Besuch kommen. In einem Punkt sind sich alle einig: „Es ist extrem schwierig für uns, bei Mike am Bett zu stehen, aber wir müssen ihm gegenüber eine gewisse Stärke ausstrahlen. Wir müssen versuchen, ihn aufzubauen, und das kostet natürlich unwahrscheinlich viel Kraft.” Kraft, die Mike Glemser in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren neben der finanziellen Unterstützung dringend braucht.

− bz