Deggendorfer strahlt mit Silber
Vom Ausgemusterten zum „Mentalcoach“: Manuel Wiederer erklärt seine emotionale WM-Achterbahnfahrt

03.06.2023 | Stand 15.09.2023, 22:08 Uhr

Mit Medaille und Schiene: Manuel Wiederer (rechts) mit NHL-Profi Moritz Seider nach der Siegerehrung in Tampere. −Foto: Privat

Eine Silber-Medaille in der Hand, die Olympischen Winterspiele (2026) und die Heim-WM (2027) im Kopf: Für Manuel Wiederer hat eine schwierige Eishockey-Saison ein schönes Ende genommen. Mit der Nationalmannschaft erlebte er bei der WM in Finnland und Lettland „Tage, die ich in meinem Lieben nie vergessen werde“, erzählt der Blondschopf der PNP am Telefon. 70 Jahre musste Deutschland auf eine WM-Medaille warten, der Deggendorfer gehört zu der Mannschaft, die sie holte!

„Es wird noch ein paar Tage dauern, das alles zu verarbeiten“, meint der 26-Jährige bevor er sich gestern Richtung Spanien in den Urlaub verabschiedete. Einerseits trauert Wiederer der verpassten historischen Chance nach, erstmals für Deutschland Gold bei einer WM zu gewinnen. Andererseits ist der gebürtige Niederbayer total begeistert von den WM-Wochen. „Das ist für uns alle ein Erlebnis für die Ewigkeit. Die Stimmung war fantastisch, so ein Zusammenhalt in einer Mannschaft mit so vielen verschiedenen Typen – man hat gesehen, dass ein echtes Team auf dem Eis stand, das Eishockey in Deutschland auf ein höheres Niveau gebracht hat.“

Dabei waren die zurückliegenden Wochen für Wiederer alles andere als einfach. Körperlich wie mental. Er absolvierte die ersten Wochen unter dem neuen Bundestrainer Harold Kreis, wurde aber zunächst nicht in den WM-Kader berufen. Nachdem sich der Münchner Andreas Eder im letzten Vorbereitungsspiel verletzte, wurde Wiederer nachnominiert, kam einen Tag nach der Mannschaft in Tampere an. Dementsprechend war er zunächst nicht im Line up, bekam seine Chance aber im Laufe der Vorrunde – nach vier Einsätzen und starken Leistungen war allerdings wieder Schluss. Wiederer verletzte sich im vorletzten Gruppenspiel beim 7:2-Sieg gegen Ungarn. Den Siegeszug des DEB-Teams erlebte er von der Tribüne aus, humpelte nach jedem Sieg aber stolz aufs Eis und durfte nach der Final-Niederlage gegen Kanada (2:5) eine Silber-Medaille entgegen nehmen. „Sportlich passen diese Wochen zu meiner Karriere: Es geht nie in eine Richtung, aber es entwickelt sich doch immer in eine gute.“

Zweitbeste Bully-Quote aller WM-Spieler



Die Verletzung trübt den Blick auf die WM kaum ein: „In vier Wochen sollte ich wieder voll belastbar sein“, berichtet Wiederer, der bei der Siegerehrung eine Schiene am rechten Knie trug. Erste Trainingseinheiten will der 26-Jährige schon nach dem Urlaub nächste Woche in Berlin bestreiten, denn: „Die WM gibt uns allen einen Schub, die Motivation für das Sommertraining ist sehr hoch“, berichtet der Stürmer der Eisbären Berlin, der seinen Vertrag in der Hauptstadt um eine weitere Saison verlängert hat.

Mit seinen Leistungen waren sowohl Bundestrainer Kreis als auch der Stürmer selbst zufrieden. In einer WM-Statistik taucht der Niederbayer sogar ganz vorne auf: Am Bully kommt Wiederer auf eine Gewinnquote von 64,29 Prozent, der zweitbeste Wert aller Spieler. „Das ist sehr wichtig für mich“, kommentiert er. Darum weiß der Deggendorfer auch, dass sowohl persönlich als auch für das Team noch mehr möglich gewesen wäre. „Ich habe von vornherein gesagt, dass wir Weltmeister werden können und am Ende haben nur Kleinigkeiten gefehlt.“ Aber Kanada habe den Titel verdient, ergänzt Wiederer.

„Ich habe die Kabine zu meinem Büro gemacht“



Er selbst wurde von Mitspielern übrigens als „Mentalcoach“ bezeichnet. Warum, erklärt der verletzte Stürmer auf Anfrage: „Wir hatten in Tampere zwei Kabinen und nach meiner Verletzung habe ich die eine, die kaum genutzt wurde, zu meinem Büro gemacht“, erzählt der 26-Jährige schmunzelnd. An die Tür schrieb er „Mentalcoach Dr. Wiederer“ – und als solcher empfing er drinnen immer wieder Mitspieler. Mal für ein lockeres Gespräch. Mal für einen ernsteren Austausch – „Dr. Wiederer“ stand Rede und Antwort. „Das war dann meine Rolle in der Endphase der WM“, schiebt Wiederer hinterher.

Der Lohn dafür: Eine glänzende Silber-Medaille. Zugleich hat sich das Team mit diesem Ergebnis für die Olympischen Spiele in Mailand und Cortina D’Ampezzo qualifiziert und parallel wurde Deutschland die Austragung der Heim-WM zugelost. Zwei große Ziele von Manuel Wiederer „und jedes deutschen Eishockeyspielers im Alter von 18 bis 35 Jahren.“