„Trauerplay “ und „Unterqual“
Schwache Special Teams bremsen den ERC Ingolstadt – Gegner Kölner Haie hat ähnliche Probleme

22.11.2024 | Stand 22.11.2024, 16:15 Uhr |

ERC-Stürmer Wayne Simpson (in dieser Szene gegen die Kölner Julius Hudacek und Adam Almquist) gehört ligaweit zu den Spielern mit der meisten Powerplay-Eiszeit – blieb allerdings bislang ohne Überzahltreffer. Foto: Imago Images

Nach einem Drittel der Saison grüßt der ERC Ingolstadt in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) mit 34 Punkten von Tabellenplatz drei. Es könnten sogar noch einige Zähler mehr sein, würden die Panther nicht von ihren Special Teams ausgebremst.

  

Trainer Mark French und seine Profis werden trotzdem nicht nervös, zumal es bei Gegner Kölner Haie vor dem Auswärtsduell an diesem Freitag (19.30 Uhr/Magenta Sport) zumindest in Überzahl nicht besser aussieht.

Unterzahlspiel des ERC ist schwächstes der Liga

Die Statistik ist eindeutig: Nach ordentlichem Beginn mutierte das Ingolstädter Powerplay zum „Trauerplay“ (11,4 Prozent Erfolgsquote seit Mitte Oktober). Das Unterzahlspiel ist mit 73 Prozent das schlechteste der Liga (nach der Deutschland-Cup-Pause gar nur 40 Prozent in „Unterqual“). Die Haie nutzten seit Mitte Oktober kümmerliche 5,3 Prozent ihrer Powerplay-Situationen, beim 2:1 in Straubing am Sonntag gelang ihnen nach acht Spielen mal wieder ein Überzahltreffer. Zum Vergleich: Vizemeister Bremerhaven kommt in dieser Saison auf eine Powerplay-Quote von 30,3 Prozent, Meister Berlin übersteht 91,1 Prozent der Unterzahlspiele schadlos.

Zuverlässige Special Teams, das ist Eishockey-Basiswissen, können gerade in engen Spielen den Unterschied ausmachen. Die jüngste Partie des ERC gegen die Adler Mannheim am vergangenen Sonntag taugt dafür als gutes Beispiel: Nach einer frühen 2:0-Führung ließen die Panther sechs Überzahlminuten und damit die Chance auf das 3:0 ungenutzt. Die Adler blieben dran und verwerteten ihr drittes Powerplay schließlich zum 2:2-Ausgleich. „In diesem Spiel müssen wir einfach einen Drei-Tore-Vorsprung schaffen. So halten wir den Gegner im Spiel“, hadert French. Immerhin gewannen die Panther noch nach Penaltyschießen.

Panther haben die meisten Powerplays

An mangelnder Übung liegt die Ingolstädter Harmlosigkeit nicht: 74-mal durften sie bereits in Überzahl ran − häufiger als jedes andere DEL-Team. Mit Alex Breton (rund 71 Minuten), Wayne Simpson (67), Kenny Agostino (66) und Myles Powell (65) sind vier Panther unter den fünf DEL-Profis mit der meisten Powerplay-Eiszeit. „Ein Überzahlspiel kann das Momentum zu unseren Gunsten verschieben, und wir wollen das als Stärke in unserem Spiel haben“, sagt Simpson, der in zahlenmäßiger Überlegenheit heuer noch ohne Treffer ist. Das Rezept des US-Angreifers neben Videoanalyse, Training und Gesprächen: „Wir brauchen mehr Schüsse. Dann lassen sich die Blocker oft locken, und wir bekommen mehr Raum. Natürlich muss jemand vor dem Tor sein, um abzufälschen oder auf Nachschüsse zu lauern.“ Speziell gegen weniger aggressive Unterzahlformationen neige man dazu, zu viel außen herumzuspielen.

Bei seinem Trainer rennt Simpson mit der Attacke-Ansage offene Türen ein. „Wir wollen mindestens drei Angriffe pro Minute initiieren, wir wollen Pucks aufs Tor bringen. Darüber haben wir gesprochen – und da möchten wir wieder hin“, sagt French, der mit Co-Trainer Brad Tapper auch die Meinungen der erfahrenen Spieler einholt. Taktische Varianten und Personalwechsel würden ohnehin laufend diskutiert und erprobt.

Bislang Trennung zwischen Über- und Unterzahlspielern

Auch die bislang praktizierte Trennung zwischen Über- und Unterzahlspezialisten ist nicht in Stein gemeißelt. Aktuell schont French die am häufigsten im Powerplay eingesetzten ERC-Profis in Unterzahl – mit wenigen Ausnahmen. Umgekehrt dürfen sich die am meisten beanspruchten Penalty Killer in Überzahl ausruhen. „Wir möchten viele Spieler involvieren und ihnen eine Rolle geben. In der Theorie klingt das super“, erläutert der Coach.

In der Praxis setzte der 53-Jährige etwa Daniel Pietta bislang nur 15 Minuten im Powerplay ein, dafür brachte er den spielintelligenten Bully-Experten häufig im Penalty Killing an der Seite des jungen Noah Dunham. „Noah hilft die Unterzahl-Eiszeit in seiner Entwicklung, und davon profitieren wir letztlich als Team“, meint French. Auf der anderen Seite würde Piettas Erfahrung sicher auch dem Powerplay guttun, Austen Keating und andere verfügen ebenfalls über Qualitäten in beiden Special Teams – French und sein Trainerteam müssen also weiterhin sorgfältig abwägen.

Wayne Simpson: Selbstvertrauen kommt zurück

Der Trainer sieht seine Mannschaft in Unterzahl trotz des fehlenden „letzten Durchsetzungsvermögens“ (Kapitän Fabio Wagner) auf dem richtigen Weg: „Manche Verbesserungen sind in der Statistik nicht sichtbar. Und manchmal ist es auch Pech, wenn ein Puck von der Bande direkt zum Gegner springt.“ Simpson ist optimistisch, dass die Special Teams der Panther in Kürze wieder gefürchtet sein werden. „Am Freitag haben wir in Nürnberg zwei Powerplay-Treffer erzielt“, sagt der 35-Jährige. „Das Selbstvertrauen und der Glaube kommen zurück.“ Am besten schon in Köln.

Personal: Morgan Ellis, der das Sonntagsspiel gegen die Adler Mannheim (3:2 nach Penaltyschießen) nach einem eigenen Check nicht beenden konnte, soll nach ERC-Angaben nicht länger ausfallen. In Köln wird der angeschlagene Verteidiger aber aller Voraussicht nach noch aussetzen.

Gegner: Die Haie begrüßen in dieser Saison durchschnittlich 17 466 Zuschauer in der Lanxess-Arena, haben von ihren bislang acht Heimspielen allerdings fünf verloren – darunter auch gegen den ERC Mitte Oktober (2:3 nach Penaltyschießen). Es war der dritte Ingolstädter Sieg in Köln in Serie. Offensiv tut sich Kari Jalonens Team oftmals eher schwer, dafür stand in den vergangenen sechs Partien die Abwehr mit insgesamt nur neun Gegentreffern sicher. Goalie Julius Hudacek weist hinter dem Bremerhavener Torhüter-Duo die beste Fangquote der Liga auf (93,7 Prozent), Topscorer der Haie ist Gregor MacLeod (17 Punkte). „Ihre Priorität liegt auf einer stabilen Defensive“, weiß Panther-Coach Mark French. „Ein erneut enges Spiel ist nicht unwahrscheinlich.“