"Das schweißt zusammen": DSC arbeitet Schiri-Ärger auf – Beschwerde über Selb

20.11.2020 | Stand 18.09.2023, 22:17 Uhr

Nichts zu machen: Trotz der Proteste von DSC-Kapitän René Röthke nimmt Schiedsrichter Florian Feistl seine Entscheidung nicht zurück – so gewinnt am Ende Selb durch einen umstrittenen Treffer. −Foto: Roland Rappel

Ein rasantes Eishockey-Spiel zwischen den Selber Wölfen und ihrem Gastgeber Deggendorfer SC endete am Mittwochabend im Streit. Marius Möchel schoss die Oberfranken zum 5:4-Sieg. Weil der Treffer vermutlich irregulär fiel, waren Ärger und Aufregung im Lager des Deggendorfer SC groß. Einen halben Tag und einige Gespräche später ist die Situation zwischen DSC und Deutschem Eishockey-Bund geklärt. Der Funkverkehr nach Selb liegt dafür still: Der DSC hat eine Zusatzmeldung verfasst und sich offiziell über das Verhalten der Mannschaft beschwert, die sofort nach der strittigen Szene vom Eis ging und damit Tatsachen schuf.

DIE SZENE
Was war passiert? In der letzten Minute der Overtime, beim Stand von 4:4 – es ist ein über lange Zeit großartiges, intensives und temporeiches Oberliga-Süd-Spiel – kommt Brad Snetsinger an die Scheibe und schießt von der blauen Linie. DSC-Goalie Niklas Deske wehrt den Puck ab und geht der Scheibe instinktiv nach: Deske kurvt also zum rechten Pfosten – ohne seinen Torraum zu verlassen, das ist wichtig. Während Deske den rechten Fuß noch leicht in der Luft hat, fährt Marius Möchel zwischen Tor und Torhüter hindurch in Richtung der linken Ecke und Deske dabei von hinten in die Parade. Ehe der Goalie weiß, wie ihm geschieht, fällt er unkontrolliert auf den Boden und rappelt sich mühsam auf, während Möchel den Laufweg unterbricht, sich hinter dem Tor für einen Pass anbietet und auf Assist Snetsingers den Siegtreffer zum 5:4 (65.) erzielt.

Wütende Proteste der DSC-Spieler Deske, Kapitän René Röthke und Chase Schaber folgen. Marcel Pfänder interveniert ebenso. Trainer Henry Thom bleibt äußerlich ruhig und deutet Deske nach dessen lautstarker, heftiger Diskussion mit Hauptschiedsrichter Florian Feistl (37) mit einer Handbewegung an, es gut zu sein lassen. Von draußen schicken einige Verantwortliche Schimpftiraden aufs Eis, die erst verstummen, als Feistl und seine Assistenten Alexander Pletzer und David Rudolph in den Kabinen verschwunden sind.

DER SCHIEDSRICHTER
Feistl wertete das vermeintliche Foulspiel (Behinderung am Torhüter) gegen DSC-Goalie Deske und legte die Szene so aus, als habe Deske den Kontakt gesucht. Die Frage, welchen Vorteil ein Torhüter dadurch überhaupt hätte, ist zu beantworten: zwei Strafminuten für den Gegner, eine 4-gegen-3-Überzahl in der Overtime. Mit Blick auf die zum Tor-Zeitpunkt absolvierte Spielzeit (64:36 Minuten von 65) ist das aber auszuschließen. 24 Sekunden waren noch auf der Uhr. Das reicht schon für einen Angriff, ja – aber so einer lässt sich auch im 3-gegen-3 erfolgreich zu Ende bringen, dazu muss man sich keinen Vorteil erschummeln. Und so blieb ein Gschmäckle.

DER DEB
Das weiß man auch beim Deutschen Eishockey-Bund. Ligenleiter Markus Schubert war im Stadion vor Ort und sah sich die Szene noch nach Spielende an. Im weiteren Verlauf wurde auch Volker Westhaus dazugeschaltet, der Leiter des DEB-Schiedsrichterwesens. Westhaus fungiert in etwa auch als Schiedsrichter-Beobachter und führte eine Aussprache mit den DSC-Verantwortlichen. Ein offizielles Statement wollte Westhaus auf Anfrage der Passauer Neuen Presse nicht abgeben, man werde die Situation intern aufarbeiten. Bestätigt hat Westhaus aber das geführte Telefonat mit DSC-Coach Henry Thom.

DER DSC
"Der Ärger ist verraucht", sagt Teammanager Stefan Liebergesell im Gespräch mit der Passauer Neuen Presse am Donnerstagnachmittag. Man habe sich mit DEB-Offiziellen ausgetauscht und gute Gespräche geführt. "Es war ein klarer Fehler", hält Liebergesell fest. Der DSC verbreitete die strittige Szene am Donnerstag auch im Bewegtbild via Facebook. Liebergesell wie auch die Mannschaft wollen sich damit nicht mehr lange aufhalten. "Das Spiel war ein Schritt nach vorn. Wir haben geradliniger und lauffreudiger gespielt. Selb hatte schon sechs Spiele, wir nur zwei. Darauf kann man aufbauen. Und: Solche Momente schweißen ein Team auch zusammen, wenn man sich gemeinsam gegen so eine Entscheidung wehrt."

DIE SELBER WÖLFE
Von den Oberfranken war für die PNP am Donnerstag niemand zu erreichen. Auf der Internet-Seite der Wölfe heißt es im entsprechenden Spielbericht nur lapidar: "Den Schlusspunkt setzte aber Möchel, unser Mann für die späten Tore, mit seinem Siegtreffer kurz vor Ende der Verlängerung. Alle Proteste der Deggendorfer, die eine Torwartbehinderung gesehen hatten, nützten nichts."

FEHLENDER VIDEOBEWEIS
In DEL2-Zeiten hätte sich die Szene noch an Ort und Stelle klären lassen. Die Übertor-Kameras hängen weiterhin, doch noch nutzt die Oberliga Süd keinen Videobeweis. Zwar hängen in allen Stadien mittlerweile Kameras für die Liveübertragung auf SpradeTV, das Torkamera-System läuft aber unabhängig davon und benötigt wiederum eine Regie und das Equipment. Aus diesem Grund werden in den Oberligen auch auf absehbare Zeit weiterhin Tatsachenentscheidungen getroffen werden müssen – so wie am Mittwoch in Deggendorf.