Eishockey
DEB-Sportdirektor im Interview: Konzept kommt – "Sind auf Mitarbeit der Klubs angewiesen"

11.07.2020 | Stand 18.09.2023, 22:15 Uhr

DEB-Sportdirektor Stefan Schaidnagel arbeitet federführend daran, dass das deutsche Eishockey so bald wie möglich den Spielbetrieb wieder aufnehmen kann. −Foto: Schatz, Imago Images

Der Allgäuer Stefan Schaidnagel ist seit 2015 Sportdirektor des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB). Gemeinsam mit Präsident Franz Reindl reformierte der 39-Jährige den Nachwuchsbereich und die Trainerausbildung und initiierte eine bessere Kooperation mit der DEL. Als Fitnesstrainer trug Schaidnagel dazu bei, dass der FC Ingolstadt 2010 in die 2. Fußball-Bundesliga aufstieg, als Sportwissenschaftlicher Berater wurde er mit dem ERC Ingolstadt 2014 Eishockey-Meister. Sportredakteur Alexander Petri unterhielt sich mit dem Sportdirektor unter anderem über die Eckpunkte des Hygiene-Konzepts.

Herr Schaidnagel, der Saisonstart der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) wird um mindestens sechs Wochen auf Anfang November verschoben. War das zum jetzigen Zeitpunkt die einzig praktikable Lösung?
Stefan Schaidnagel: Das entscheidet die Liga für sich. Die Gremien der DEL haben die Fakten zugrunde gelegt und dann diese Entscheidung getroffen. Die hat der DEB auch nicht zu kommentieren.

Die Oberligen fallen allerdings in den Verantwortungsbereich des DEB, und dort soll der Saisonstart schon Mitte Oktober sein. Wieso?
Schaidnagel: Das ist einfach zu erklären. In der DEL haben wir größere Stadien, teils große Multifunktionsarenen, die die Konzeptionen auf diese Bedingungen auslegen müssen. In der Oberliga und der DEL2 haben wir keine Arenen in der Größe. Von daher wollen wir versuchen, mit der Oberliga früher zu starten.

Aber auch die Oberligisten sind auf Zuschauereinnahmen angewiesen. Das Veranstaltungsverbot gilt vielerorts noch bis Ende Oktober.
Schaidnagel: Ich kann hier auf das Corona-Konzept unserer Task Force hinweisen, das ein Musterbeispiel an unserem Bundesstützpunkt Füssen enthält. Das ist für die Oberligen hilfreich, wenn es darum geht, die Voraussetzungen für den Zutritt von Zuschauern zu schaffen. Im Spielplan werden wir versuchen, die Partien mit einem potenziell eher hohen Zuschaueraufkommen soweit wie möglich nach hinten zu schieben. Das wird nicht in jedem Fall gelingen, aber könnte zum Beispiel ein Mittel sein, darauf zu reagieren.

Eigentlich soll Anfang November der Deutschland-Cup des Nationalteams stattfinden – eine wichtige Einnahmequelle für den DEB. Wird der nun auch verschoben?
Schaidnagel: Es gibt keine Überlegungen, den Deutschland-Cup auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Aktuell laufen Gespräche mit der Politik, den Behörden, dem Standort und dem Hallenbetreiber. Unsere Veranstaltungsabteilung im DEB erarbeitet gerade – unter Vorlage unseres Corona-Konzepts, das kommende Woche veröffentlicht wird – die Bedingungen für eine Austragung.

Dann könnte die Saison womöglich mit Länderspielen beginnen, was den DEL-Klubs nicht gefallen dürfte.
Schaidnagel: Das kann man ja absprechen, wer wann wo spielt. Kooperation und Absprache sind die Bedingungen, um eine Saison zu starten. Es ist normal, dass man miteinander abspricht, wie Liga- und DEB-Termine sich gegenseitig tangieren.

Welche Personen waren Teil der Task Force, die das schon erwähnte Corona-Konzept entwickelt hat?
Schaidnagel: Das Konzept haben der DEB, die DEL und die DEL2 gemeinsam entwickelt. Ins Leben gerufen hat die Task Force DEB-Präsident Franz Reindl. Für die DEL war Jörg von Ameln dabei, für die DEL2 René Rudorisch. Dann noch der Bundestrainer Wissenschaft und Ausbildung, Karl Schwarzenbrunner, der medizinische Koordinator des DEB, Lutz Graumann, und ich. Aus der Materialwirtschaft war die Firma Bauer dabei. Aktuell schauen sich noch mehrere Professoren und Experten verschiedener Universitäten das Konzept an, ob es plausibel und wissenschaftlich korrekt ist.

Können Sie die Eckpunkte des Konzepts skizzieren?
Schaidnagel: Es ist unterteilt in mehrere Bereiche: Wir müssen Nationalmannschaft, Ligenspielbetrieb, Nachwuchsspielbetrieb, Leistungs- und Breitensport abdecken. Das macht es komplex. Wir haben uns Gedanken gemacht über Trainings- und Wettkampfbetrieb, über Testszenarien und die Möglichkeit, Zuschauer zu integrieren. Als Fallbeispiel haben wir in Füssen eine Simulation der Praktikabilität durchgeführt. Da geht es um Luftaustausch, um die Kabinen- und Zuschauersituation, um Schiedsrichter und Offizielle. Das wollen wir zunächst mit den Entscheidungsträgern und den Vereinen weiter vorantreiben. Die Klubs sind schon vor Wochen von den Ligen und dem DEB aufgefordert worden, ihre lokalspezifischen Konzepte mit einzubringen.

Weil die Hallen so unterschiedlich sind, muss jeder DEL- und DEL2-Klub das Konzept auf seine Spielstätte anpassen. Sehen Sie Probleme an dem einen oder anderen Standort?
Schaidnagel: Die Spanne reicht von Hallen aus den 70er- oder 80er-Jahren bis hin zu modernen Multifunktionsarenen und neuen Eishallen wie beispielsweise in Kaufbeuren. Es ist eher eine Frage der Lenkung von Zuschauerströmen an den Ein- und Ausgängen, eine Frage des Platzes allgemein, eine Frage von Sitz- und Stehplätzen, der Be- und Entlüftung. Deswegen können wir mit unserem Konzept nur allgemeine Hilfestellung geben. Wir sind auf die Mitarbeit der Klubs vor Ort angewiesen.

Das Konzept trifft hierzu keine klare Aussage, aber können Sie sich vorstellen, dass es in der kommenden Saison Stehplätze geben wird und Zuschauer ohne Maske ins Stadion dürfen?
Schaidnagel: Dass die Maskenpflicht da ist, ist selbstredend. Die Frage stellt sich nicht.

Bei Kulturveranstaltungen dürfen die Besucher in Bayern seit Kurzem an ihrem Platz die Maske ablegen.
Schaidnagel: Nur habe ich bei einer Kulturveranstaltung nicht 5000 Leute in einer Eishalle. Das ist der markante Unterschied. Stehplatz und Sitzplatz hängt davon ab, ob wir es darstellen können, die Regeln einzuhalten, Masken zu tragen, Zuschauerströme zu lenken.

Wie bewerten Sie und der DEB das 200 Millionen Euro schwere Hilfspaket der Bundesregierung für die Profiligen?
Schaidnagel: Ich denke, dass es ein wichtiges Zeichen für die Sportlandschaft insgesamt ist, dass diese Mittel zur Verfügung gestellt werden. Da darf man auch mal betonen und loben, dass die Politik das mit Augenmaß gemeinsam mit dem Sport erarbeitet hat.

Kann das deutsche Eishockey aus Ihrer Sicht auch etwas Positives aus der Corona-Krise ziehen? Beinhaltet sie auch Chancen − zum Beispiel in Bezug auf Nachwuchsförderung?
Schaidnagel: Corona bedeutet die Chance für jeden, ob im Profi- oder Breitensport, in den Spiegel zu schauen. Eine Krise zeigt ja oft knallhart, wo man gut und wo man schlecht aufgestellt ist. Sie legt offen, wo nachgebessert werden muss. Und wenn man nur an das Sportliche denkt: Diese Krise führt jede Sportart an die Basics zurück. Fürs Eishockey brauche ich, plakativ gesprochen, einen Schläger, einen Platz zum Spielen und ein paar Leute. Das ist im Fußball oder im Tennis ähnlich. Es gibt in dieser Krise den Trend, sich draußen zu bewegen. Das ist positiv. Dennoch wünschen wir uns mehr Normalität, wie wir sie aus unserem Sport gewohnt waren.

Das gesamte Interview lesen Sie hier auf PNP Plus oder in der Wochenendausgabe Ihrer Heimatzeitung.