DEL will Maßnahme an Lizenzierung koppeln
"Erpressung" und "Nötigung": Eishockey-Profis wehren sich gegen Gehaltsverzicht

24.05.2020 | Stand 18.09.2023, 22:14 Uhr

"Wir wollen den Vereinen gerne helfen und sie nicht im Stich lassen, aber wir wollen Offenheit", sagte Nationalspieler Moritz Müller von den Kölner Haien, der zusammen mit DEL-Rekordtorjäger Patrick Reimer die Gründung einer Spielgewerkschaft forcierte. −Foto: Imago Images

Hinter vorgehaltener Hand fallen die Worte "Erpressung" und "Nötigung". Die Forderung der Deutschen Eishockey Liga (DEL) nach einem 25-prozentigen Gehaltsverzicht wegen der Coronakrise bringt die Spieler auf die Barrikaden. Vor allem der enorme Zeitdruck und die mangelnde Information stoßen auf Kritik.

"Wir wollen den Vereinen gerne helfen und sie nicht im Stich lassen, aber wir wollen Offenheit", sagte Nationalspieler Moritz Müller von den Kölner Haien dem Sport-Informations-Dienst (SID): "Wir wollen, dass die Klubs den Spielern zeigen, wo ihre Probleme liegen." Er tausche sich mit seinem Arbeitgeber regelmäßig aus, bei anderen Klubs gibt es dagegen nach SID-Informationen wenig bis gar keinen Dialog. Vom niederbayerischen DEL-Vertreter, den Straubing Tigers, gibt es zu dem Thema derzeit keine Stellungnahme.

Dass die DEL von allen Klubs das Einfrieren eines Viertels des Jahresgehalts ihrer Spieler fordert und davon die Lizenz für die nächste Saison abhängig macht, kann Moritz Müller, Silbermedaillengewinner von Pyeongchang, nicht nachvollziehen. "Eine pauschale Lösung ist aus meiner Sicht nicht möglich, dafür sind die Probleme zu unterschiedlich", erklärte der 33-jährige Müller: "Uns ist aber wichtig, dass wir nicht unter Zeitdruck zu etwas gedrängt werden, ohne einen Gegenvorschlag einbringen zu können."

Die DEL hatte vor einer Woche erklärt, dass aufgrund sinkender Einnahmen vor allem im Bereich Zuschauer und Sponsoren selbst bei einem regulären Saisonbeginn im September ohne Corona-Einschränkungen ein pauschaler Gehaltsverzicht "die fairste Lösung" sei. Eine entsprechende Einigung der 14 Klubs mit ihren Spielern soll bis Sonntagabend erzielt sein – dann müssen die Lizenzunterlagen eingereicht sein. Der eine oder andere fühlt sich deshalb erpresst und genötigt. Auf SID-Anfrage bestätigte die DEL, dass es bei diesem Zeitplan bleibe.

Inzwischen haben sich nach Informationen von "Eishockey News" sowohl Spieler, Clubs als auch die DEL angenährt. "Das Gespräch war gut", berichtet Moritz Müller über ein Telefonat zwischen DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke und dem Anwalt der Interessensgemeinschaft der Spieler. "Es freut uns, dass die Liga nun mit uns einen Dialog führt." In den Tagen zuvor hatte es keine Gesprächsbereitschaft gegeben.

Mit Unverständnis und Verärgerung wurde auch registriert, dass Trainer und Manager nicht auf ein Viertel ihres Gehalts verzichten sollen. Nach dem DEL-Plan sollen den Spielern nur dann mehr als 75 Prozent ausgezahlt werden, wenn ihr Klub mehr als drei Viertel der Einnahmen der Vor-Corona-Saison erreicht. Das ist angesichts der wirtschaftlichen Pandemie-Folgen äußerst unwahrscheinlich.

Für Müller und DEL-Rekordtorjäger Patrick Reimer war der DEL-Vorstoß Anlass, die Gründung einer Spielergewerkschaft zu forcieren. "Wenn nicht jetzt, dann nie, haben wir uns gedacht und sind zusammengerückt", sagte Ex-Nationalspieler Reimer von den Nürnberg Ice Tigers dem SID.

Wird gar nicht gespielt, sind die Einbußen der Spieler noch größer. Nach SID-Informationen ist das monatliche Nettogehalt bei Kurzarbeit derzeit ligaweit auf 2900 Euro gedeckelt - auch wenn für die neue Saison trainiert und somit zumindest teilweise gearbeitet wird. Tripcke hatte die Vorgaben damit begründet, dass die Spielergehälter die "einzige Möglichkeit, die Fixkosten der Klubs zu reduzieren", sei. Die Lizenz für die nächste Spielzeit soll es nur geben, wenn ein Viertel in "eine erfolgsabhängige Vergütung umgewandelt wird, die an den Umsatzerlösen hängt".

− sid