"Wir lernen immer noch": Warum es beim DSC so glänzend läuft – und was besser werden muss

17.10.2019 | Stand 18.09.2023, 22:07 Uhr

Die Topscorer des Deggendorfer SC: Kyle Osterberg (links) harmoniert prächtig mit Rückkehrer Thomas Greilinger. −Fotos: Roland Rappel

In Rosenheim die Starbulls, in Regensburg die Eisbären: große Namen, große Ambitionen. Während die Hochgehandelten aber noch immer nicht angekommen sind in der Oberliga Süd, eilt der Deggendorfer SC von Sieg zu Sieg. Mittlerweile sind es sieben – am Stück. Im Schnitt strömten über 2100 Zuschauer zu den vier Heimspielen, die DEL2-Euphorie ist nach dem Abstieg kein bisschen abgeflaut. Und auf dem Eis scheint es, als wär’s Gesetz: Am Ende gewinnt Deggendorf. Den Euphoriebremser gibt Neville Rautert (37) im Gespräch mit der Heimatzeitung: "Nach oben zu kommen ist leichter, als oben zu bleiben", sagt der Sportdirektor des DSC.

 Die Zahlen 
Dabei gäbe es viele gute Gründe, der Feierlaune zu verfallen. Die offensichtlichsten finden sich in der Statistik: Der DSC stellt die mit Abstand beste Offensive, hat 43 Tore geschossen und damit elf mehr als der in dieser Kategorie Zweitplatzierte SC Rießersee. Obendrein arbeitet die Mannschaft auch in der Defensive konsequent – meistens zumindest: Die DSC-Goalies David Zabolotny und Henning Schroth kassierten 21 Gegentore, der zweitbeste Wert der Liga. In sechs von sieben Spielen ging der DSC in Führung. In Summe macht das Rang 1 mit fünf Punkten Vorsprung auf den kommenden Sonntags-Gegner EC Peiting. "Natürlich ist es schön, wenn du oben stehst", sagt der ehemalige DEL-Profi Rautert und schiebt beschwichtigend hinterher: "Es ist immer noch sehr früh in der Saison."

 Die Kaderplanung 
Große Töne spucken, das wollen und werden sie nicht mehr in Deggendorf. Die Ansage des DSC-Vorsitzenden Artur Frank am Tag nach dem Abstieg, dass man in der Oberliga eine "bessere Mannschaft" als im vergangenen DEL2-Jahr sehen werde, schlug zwar hohe Wellen, war aber missverstanden worden: Der Begriff Mannschaft meinte Gemeinschaft, nicht eine Ansammlung gut bezahlter, aber miteinander fremdelnder Profis. Das Auftreten des Deggendorfer Teams bisher lässt erahnen, dass die Sportliche Leitung bei der Kaderplanung ein besseres Händchen bewiesen hat als im Vorjahr.

 Mehr als nur Greilinger 
"Wir haben gewusst, dass wir eine gute Mannschaft haben. Wir hatten aber gleich alle Topmannschaften der Liga als Gegner, deshalb war so ein Start vor der Saison nicht selbstverständlich", sagt Rautert und stellt fest: "Wir haben viel Talent in der Mannschaft und viele Spieler, die Tore machen können. Das ist eine große Stärke von uns. Jeder Spieler kann den Unterschied machen."Gemeint ist allen voran Ex-Nationalspieler Thomas Greilinger (38): Der Deggendorfer war vor der Saison vom ERC Ingolstadt in seine Heimat zurückgekehrt und steht mit 13 Toren und sechs Assists schon an der Spitze der Oberliga-Topscorer. "Greile ist für uns Gold wert und unersetzbar. Aber wenn er mal ausfallen sollte, haben wir immer noch viel Qualität, weil wir eine gute Tiefe im Kader haben", sagt Rautert. Die Zahlen belegen das: Auf Rang 3 und 4 der Scorerliste folgen Greilingers Teamkollegen Kyle Osterberg (11/5) und Curtis Leinweber (6/8), nur knapp die Top-5 verpasst hat Andrew Schembri (6/7). Damit finden sich vier Deggendorfer unter den sechs besten Scorern.

 Der DEL2-Lerneffekt 
So hat man sich das vorgestellt beim DSC. "Wir wollen offensives, unterhaltsames Eishockey spielen und die Scheibe noch schneller nach vorn bringen. Wir wollen uns an der DEL2 orientieren, wo man zwei, drei Sekunden weniger Zeit hat und auch mal dreckige Tore schießen muss. Irgendwann kommt die Zeit, da wir das können müssen", so der Sportdirektor.

 Der Trainer 
Dave Allison (60) hat in kurzer Zeit um die – zu großen Teilen neu formierte − Mannschaft ein funktionierendes System geformt. Die Spieler rechnen dem kanadischen Trainer außerdem hoch an, dass er ihnen Fehler zugesteht: Kassiert eine Reihe ein Gegentor, bleibt sie auf dem Eis, um es im nächsten Versuch besser zu machen. Auch die jungen Spieler bekommen genügend Eiszeit gewährt, selbst in Unterzahl. Das Vertrauen zahlen sie zurück, wie David Seidl (20), der schon zehn Tore vorbereitet hat. Analyse im Bewegtbild und Vier-Augen-Gespräche seien zwei der Stärken des Trainers, so Rautert. "Dave arbeitet viel mit Videos, er hat so viele Clips für jeden Spieler. Er arbeitet mit jedem einzeln und sagt ihnen genau, was sie verbessern müssen. Dass jeder Spieler weiß, was Dave von ihm erwartet, hilft uns als Mannschaft sehr", sagt Rautert über Allison. Für den Kanadier ist Deggendorf die erste Station außerhalb Nordamerikas, der erste Versuch im europäischen Eishockey. Insofern gilt auch für ihn, was Rautert über den DSC als Gesamtes sagt: "Wir sind kein fertiges Produkt, wir lernen immer noch."

 Die größte Baustelle 
Trotz des glänzenden Starts haben die Verantwortlichen offene Baustellen ausgemacht. Die größte Schwäche des DSC liegt darin, eine Führung zu verwalten. Sowohl Rosenheim (4:4 nach 4:0), Rießersee (5:5 nach 5:2) als auch die Memminger (3:4 nach 3:1) ließ der DSC trotz klarster Überlegenheit wieder aufleben: drei blaue Augen für den DSC, aber immerhin kein K.o. – noch nicht. "Wir wollen nicht hinten drinstehen, wenn wir führen, aber wir dürfen nicht so viel Risiko gehen und blind nach vorn laufen", kennt Neville Rautert den Kern des Problems. Insgesamt befinde sich Deggendorf auf dem richtigen Weg: "Die Stimmung in der Mannschaft ist sehr gut. Neuer Trainer, neues System, alles dauert noch ein bisschen. Unser Ziel ist jetzt, dass wir bis zum Schluss immer unser höchstes Niveau zeigen."

Mit sieben Siegen zum Start ist der Anfang ja gemacht.