"Sowas kann dich kaputt machen": DSC-Stürmer Christoph Gawlik im Interview

11.01.2019 | Stand 18.09.2023, 22:03 Uhr

Mit einigen Widerständen zu kämpfen hat Christoph Gawlik (2. von rechts) seit seiner Rückkehr nach Deggendorf, seien es Verletzungen – oder Vorwürfe. Im Interview klärt der 30 Jahre alte Stürmer einige Halbwahrheiten und Lügen, die er sich gefallen lassen muss. −Foto: Roland Rappel

Den Zahlen nach ist Christoph Gawlik der zweit-effektivste Angreifer des Deggendorfer SC. Aber die Zahlen zählen gerade nicht: Auf Facebook, in Foren und eben auch im Stadion wird der Deggendorfer von den eigenen Fans angefeindet. Die Vorwürfe sind vielfältig: Der Gawlik spielt doch gegen den Trainer, der Gawlik freut sich nicht über Siege, der Gawlik fährt sein Trikot spazieren. Tiefpunkt war am Samstagmorgen vor einer Woche die Veröffentlichung von Internas aus dem innersten Kreis des Vereins.

Der DSC-Vorsitzende Artur Frank indes stellt sich demonstrativ vor den Spieler. "Christoph ist derzeit völlig ungerechtfertigter Kritik ausgesetzt. Er ist Leistungssportler und als solcher eine Arbeitsbiene, aber er ist eben auch ein Mensch. Wir als Deggendorfer SC stehen hinter Christoph".

Ein klärendes Gespräch über Lügen, Vorwürfe, Halbwahrheiten und Hoffnungen.
Herr Gawlik, warum, denken Sie, haben viele Fans den Eindruck, Sie würden Ihr Trikot "nur spazieren fahren"?
Christoph Gawlik: Viele kennen mich von früher: Ich fahre alles weg, was sich auf dem Eis bewegt hat, hüpfe überall rein und scheue keinen Zweikampf. Aber über 15 Jahre entwickelt sich ein Spieler eben, bei mir haben schwere Verletzungen wie Kreuzbandrisse dazu geführt. Ich hatte über die Jahre dann Trainer oder Spieler, die mir sagten: Überdenk’ doch mal deinen Spielstil. Es muss nicht immer scheppern, damit es was bringt. Das habe ich mir zu Herzen genommen: Es ist auch effektiv, wenn du den Raum eng machst, Ruhe reinbringst. Es muss nicht immer krachen, aber vielleicht schaut das dann für die Öffentlichkeit nicht so attraktiv aus.

Sie sind vierfacher Meister in der DEL geworden. Wird zu viel von Ihnen erwartet?
Gawlik: Damit habe ich mich auch beschäftigt. Ich habe ja auch meine Ansprüche. Punktemäßig war ich vor meiner Verletzung nicht schlecht. Eishockey ist eben kein Sport, in dem einer allein alles machen kann. Wie jeder andere brauche ich die ganze Mannschaft, damit es klappt.

Woher denken Sie stammt dann diese Unzufriedenheit über Ihre Leistungen?
Gawlik: Erst wird man über Jahre gefeiert – und jetzt soll man nicht mehr gut genug sein? Ich mache meine ganze Karriere lang schon das gleiche, aber jetzt, wo ich in Deggendorf bin, werden mir solche Routinen schlecht ausgelegt. Das sind Dinge, die ich vor, während oder nach dem Spiel mache und schon immer gemacht habe. Wenn man jetzt einen Schuldigen sucht und das dann ich sein soll, okay. Wichtig ist, dass wir unser Ziel als Mannschaft nicht aus den Augen verlieren.

Sie wurden nicht nur sportlich kritisiert, spätestens am Samstagmorgen schlug es um ins Persönliche. In einem Beitrag, der viele Internas enthielt, hieß es zum Beispiel, Sie hätten zur Weihnachtsfeier einen Stein erhalten mit der Aufschrift "Ratte des Jahres" und wären "bei 99%" des Teams unten durch.
Gawlik: Das war eine Sache zwischen mir und einem Mitspieler. Er hat da, glaube ich, etwas falsch verstanden und dann in den falschen Hals bekommen, deshalb dieses Wichtelgeschenk. Wir haben das am nächsten Tag vor der Mannschaft ausgesprochen, und damit war das für uns erledigt. Als das nach außen gedrungen ist, hat er mich angerufen und mir versichert, dass er das nicht geschrieben hat; ich dachte das auch nicht.

Wie gehen Sie damit um?
Gawlik: Für mich ist das sehr schleierhaft und hart. Ich bin schon am Samstag, als ich davon noch gar nichts wusste, von allen Seiten angerufen und angeschrieben worden. Wir waren ja erst um halb 6 von Freiburg heimgekommen, und eine Stunde später war das offenbar online. Profi hin oder her: Die wussten, dass so ein Ding g’scheid weh tut und dass mich das nicht nur eine Nacht beschäftigt. Die Leute denken oft gar nicht daran, dass da ein Mensch auf dem Eis steht und keine Maschine. Offenbar will mir und Andi damit jemand etwas anhängen und Schaden zufügen. Gerade in einer schwierigen Phase sollten wir aber alle zusammenhalten.

Wie ging es dann weiter?
Gawlik: Ich habe dann in der Kabine von der Mannschaft viel Zuspruch bekommen. Das hat mich darin bestätigt, dass es eben nicht so ist wie in dem Text steht und dass ich in der Mannschaft nicht so schlecht dastehe, wie es da heißt. Das Schöne für mich ist, wenn ich den Rückhalt von der Mannschaft und vom Verein habe. Weil sowas kann dich als Mensch auch kaputt machen.

An dem Tag wurde ja auch John Sicinski beurlaubt, der Trainer. Eine andere Behauptung aus dem Text, (der einige Stunden vor Bekanntwerden der Entlassung erschienen ist; Anm.d.Red.), ist ja die: Sie hätten von Anfang an gegen den Trainer gespielt?
Gawlik: Dieser Vorwurf ist totaler Schwachsinn. Das ist unter all dem der größte Humbug, den ich bisher gehört habe. Das habe ich noch auf keiner meiner Stationen erlebt, dass einer sowas macht. Ich bin Profi und da muss es mir egal sein, wer der Trainer ist. Damit würde sich ja jeder ins eigene Fleisch schneiden: Du spielst ja nicht nur für den Erfolg der Mannschaft, sondern auch um deinen Vertrag, um deinen Namen. Das ist ein Profigeschäft: Wenn der Verein das Ziel in Gefahr sieht, dann muss er handeln. Was man dann macht und wie man es macht, das entscheidet kein Spieler.

Und wenn Sie nicht spielen, heißt es, Sie freuten sich auf der Tribüne nicht über Siege der Mannschaft?
Gawlik: Natürlich freut mich das! Aber was wird von mir erwartet, dass ich einen Salto schlage?

Wie lässt sich das alles wieder in Ordnung bringen?
Gawlik: Ich habe mit Neville (Rautert, Anm.d.Red.) und Artur (Frank) gesprochen, und sie sind der gleichen Meinung wie ich: Im Endeffekt muss ich schauen, dass ich jetzt erst recht durch Leistung überzeuge, alles andere kann ich nicht beeinflussen. Und es ist ja gerade für keinen von uns einfach, auch wenn wir wussten, dass die Saison schwer wird. Aber hier geht es nicht um mich, es geht um uns alle und darum, dass wir unser Ziel nie aus den Augen verlieren: Wir wollen diese Liga halten! Und dafür gewinnen wir zusammen und verlieren zusammen.
Das Interview führte Sebastian Lippert. Mitarbeit: Roland Rappel. Das gesamte Interview mit Christoph Gawlik lesen Sie am Samstag in Ihrer Heimatzeitung, Sport.